Schwelm/Berlin. Die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Feuerwehrverbandes verklagt ihren Arbeitgeber. Schwelmer Ex-Präsident Hartmut Ziebs bezieht Stellung.

Auch ein Dreivierteljahr nach dem Rücktritt seines Präsidenten Hartmut Ziebs aus Schwelm kommt der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) nicht zur Ruhe. Bundesgeschäftsführerin Müjgan Percin (43), im Jahr 2016 von Ziebs installiert, hat ihren Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht Berlin wegen Diskriminierung und sexueller Belästigung verklagt. Ein erster Gütetermin verlief ohne Annäherung.

Ziebs hatte nach einem Machtkampf zum Ende des Jahres sein Amt an der Spitze der Dachorganisation für 1,3 Millionen Feuerwehrleute in Deutschland niedergelegt. Zuvor hatten fünf von sieben Vize-Präsidenten dem Gerüstbau-Unternehmer aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis das Vertrauen entzogen. „Ich war einigen wohl zu schnell, zu fortschrittlich“, so Ziebs gegenüber dieser Zeitung.

Kritik an Berufung einer türkischstämmigen Juristin

Der 61-Jährige, der 2019 öffentlich vor rechtsnationalen Tendenzen bei den Feuerwehren gewarnt hatte, war unter anderem mit der Berufung der türkischstämmigen, promovierten Juristin – einer Kandidatin ohne Stallgeruch und mit politischer Vergangenheit bei den Grünen – auf Kritik gestoßen. „Sie hat in fachlicher und menschlicher Hinsicht eine Top-Arbeit abgeliefert“, so Ziebs’ Beurteilung in der Rückschau.

Seit seiner Demission ist Ziebs’ Kontakt zu seinen damaligen Kritikern im DFV-Präsidium abgebrochen. Dass er sich jetzt zur Klage der Bundesgeschäftsführerin gegen ihren Arbeitgeber äußert, will er nicht als Begleichung offener Rechnungen verstanden wissen. „Seit Ende des Jahres gab es keine Wortmeldung von mir zu den Vorgängen an der Verbandsspitze“, stellt er klar. „Ich bin zu der aktuellen Entwicklung von der Presse gefragt worden, und dann antworte ich natürlich.“ Ja, ergänzt er auch gegenüber dieser Zeitung: „Die Vorwürfe von Frau Percin sind gerechtfertigt. Ich muss das bestätigen.“

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Dem Berliner Arbeitsgericht zufolge wirft Percin hohen Verbandsfunktionären vor, sie aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Abstammung diskriminiert zu haben. Presseberichten zufolge soll es auch um sexuelle Belästigung gehen. So soll die Bundesgeschäftsführerin, die seit Monaten krankgeschrieben ist, unter anderem von einer männlichen Führungskraft eine Whatsapp-Nachricht erhalten haben, dass er ihr „einen Gutenachtkuss schicke“, den er ihr „gerne selber und in echt geben würde“. Die Nummer seines Hotelzimmers soll mitgeliefert worden sein. Müjgan Percin selbst äußert sich wegen des laufenden Arbeitsgerichtsverfahrens gegenüber der Presse nicht.

Der Deutsche Feuerwehrverband hat nach eigenem Bekunden die Vorwürfe rechtlich prüfen lassen. Ergebnisse: „Keiner der vorgebrachten Vorwürfe erfüllt den Tatbestand der sexuellen Belästigung. Die Vorwürfe sind teilweise nicht AGG-relevant (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, d. Red.) und betreffen teilweise Personen, die in keiner unmittelbaren Verbindung zum DFV stehen“. Der Verband betont: „Kein Platz für Diskriminierungen und Sexismus! Die Feuerwehren und Verbände stehen für Gleichberechtigung und Respekt.“

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Dennoch: Die Landesverbände NRW und Sachsen-Anhalt erwägen einen Ausstieg aus dem DFV. Für den zurückgetretenen Präsidenten Hartmut Ziebs weisen mögliche Beispiele für Diskriminierung und Sexismus nicht auf ein generelles Problem in der Männer-Domäne Feuerwehr hin. „Das, was wir hier erleben, ist nicht die Feuerwehr in Deutschland. Es ist ein Problem der sehr konservativen Führungsetage des Deutschen Feuerwehrverbandes.“

Im kommenden Oktober wird ein neuer Präsident gewählt

Im kommenden Oktober soll ein neuer Präsident gewählt werden. „Der DFV braucht eine grundlegende Runderneuerung“, sagt Hartmut Ziebs, „wenn man ihn retten will, braucht man einen, der den Laden umkrempelt.“

Der Schwelmer selbst will im Herbst von seinem Amt als Vizepräsident des Weltfeuerwehrverbandes zurücktreten. Seine Kritiker in den Landesverbänden hatten 2019 seine Wahl zum Präsidenten der internationalen Dachorganisation verhindert. „Wenn mein eigener Verband nicht hinter mir steht, kann ich nichts bewegen“, so Ziebs.