Schwelm/Berlin. Droh-E-Mails und eine unbekannte Flüssigkeit vor seinem Privathaus: Der Staatsschutz passt auf den Schwelmer Hartmut Ziebs auf.

Die deutsche Feuerwehr steht vor der wohl größten Prüfung ihrer Geschichte, denn aktuell entscheidet sich die zukünftige Grundausrichtung der 1,3 Millionen Mitglieder an den Fragen: Wo beginnen rechtsnationale, demokratiefeindliche Tendenzen und wie weit werden sie im Deutschen Feuerwehrverband (DFV) geduldet? Im Zentrum steht der Schwelmer DFV-Präsident Hartmut Ziebs, der sich durch seine klare Haltung Feinde in der rechten Szene gemacht hat.

Nach Hass-Mails hat die Polizei nun eine unbekannte Flüssigkeit vor seinem Privathaus in Schwelm aufgenommen und diese zur Analyse gegeben. Er selbst weilt in Berlin, steht aber in ganz engem Kontakt mit seiner Familie in NRW.

Die Vorgeschichte

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Mehrfach hatte sich der 60-jährige Gerüstbau-Unternehmer öffentlich positioniert, dass er eine Unterwanderung der Feuerwehr nicht zulasse. Zuletzt betonte er: „In meinem Amt bin ich zur Neutralität verpflichtet. Wenn ich aber merke, dass es Anzeichen für Versuche von rechtsnationalen Kräften gibt, bei Feuerwehren Einfluss zu nehmen, kann ich doch nicht meinen Mund halten. Ich habe im übrigen nie gefordert, dass ein AfD-Wähler nicht bei der Feuerwehr sein darf, es geht mir um die, die offen für rechtsnationales Gedankengut eintreten, die den Boden des Grundgesetzes verlassen. Ich bleibe dabei: Die teilweise rechtsnationalen Tendenzen bei der AfD sind eine Gefahr für die Demokratie. Es wäre fatal, wenn die Feuerwehr in einen solchen Sog hineingezogen würde.“

Und: Bereits kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten stellte Ziebs die ehemalige Grünen-Bundestagskandidatin Dr. Müjgan Percin als neue Bundesgeschäftsführerin vor. Um die türkisch-stämmige Juristin ohne Feuerwehr-Vergangenheit im Präsidium durchzudrücken, war sein Amt das Zünglein an der Waage. Zuvor hatten drei Vize-Präsidenten und er selbst für ihre Einstellung, vier Vize dagegen gestimmt. Das Patt wurde durch die übergeordnete Stimme des Präsidenten aufgelöst.

Der Streit im Verband

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Der bedeutendste Tag in dieser Geschichte ist der Samstag, 9. November, als sich die Herren des DFV-Präsidiums in Fulda trafen. Es kriselte bereits, weshalb zwei Moderatoren, eingeladen waren. „Die wurden als Erstes des Saals verwiesen“, erinnert sich Ziebs, den fünf seiner sieben Vizes kurz darauf zum Rücktritt aufforderten. „Es wurden drei Gründe genannt. Erstens: die Einstellung unserer Bundesgeschäftsführerin. Zweitens: dass ich öffentlich vor einer Unterwanderung der Feuerwehr durch Rechtsnationale gewarnt habe. Drittens: eine weitere Personalangelegenheit, über die ich nicht öffentlich reden kann.“

Die Vizepräsidenten Hermann Schreck, Lars Oschmann, Frank Hachemer, Dr. Christoph Weltecke, Christian Patzelt hatten die Sache mit der feuerwehrinternen Versendung ihres Vertrauensentzugs gegenüber Hartmut Ziebs schließlich öffentlich gemacht. Sie selbst schweigen seitdem zu ihren Gründen.

Die Reaktion

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Als die Geschichte öffentlich über ihn hereinbrach, weilte der 60-Jährige in Schwelm, um mit Frau und Kindern über den Verlust seiner Mutter zu trauern. Er hatte mitgeteilt, dass er sich keiner Fehler bewusst sei und keinen Grund sehe, zurückzutreten. Dennoch: „Die Aufforderung zum Rücktritt hat mich erschüttert, ja eine Zeit lang mürbe gemacht. Ich habe mir schon die Frage gestellt, ob eine Fortsetzung meiner Arbeit noch Sinn macht.“

Parallel schreckte die Nation auf, sandte Solidaritätsbekunden und Durchhalteparolen an den Ingenieur nach Schwelm. Politiker, Feuerwehrkameraden und viele Schwelmer lobten seine Haltung. Auch das führte dazu, dass Hartmut Ziebs entschied: „Ich will die Sache durchziehen.“ Eine weitere Zusammenarbeit mit den Putschisten ist für ihn ausgeschlossen, die er seinerseits zum Rücktritt auffordert.

Die Bedrohungen

Beschimpfungen, so teilte Ziebs mit, habe es immer gegeben, das, was er jedoch vergangene Woche in seinem E-Mail-Postfach fand, habe eine neue Qualität. Dort wurde er als „vaterlandsverräterisches Gewürm“ beschimpft, sei „eine Schande und Zumutung für jeden aufrichtigen Bürger“ und gehöre „ohne Schutzausrüstung als erster Mann ins Feuer gejagt.“ Brisant: Zumindest dem Anschein nach ist eine Mail von einem Account einer Freiwilligen Feuerwehr in Dortmund versandt worden. Dabei soll es sich nach Informationen dieser Zeitung nicht um eine Adresse der Stadt Dortmund handeln, bei der die Berufsfeuerwehr angesiedelt ist. Löschzüge und Fördervereine haben eigene Internetseiten und von einem solchen Absender soll die Droh-Mail versandt worden sein.

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Der Feuerwehrmann, dem die Adresse zugeordnet werden kann, bestreitet vehement, die Mail geschrieben zu haben und hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Der Staatsschutz Hagen hat übernommen. „Wir nehmen die Sache sehr ernst und ermitteln auf Hochtouren auch nach dem Verfasser der zweiten Mail“, sagt Ralf Bode, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit beim Polizeipräsidium in Hagen. Es scheint eine sehr plausible Möglichkeit, dass der Absender nur vorgetäuscht hat, von der Feuerwehr-Adresse geschrieben zu haben. Dies soll für PC-Experten keine große Herausforderung sein und bei Feuerwehren mehrfach passiert oder versucht worden sein.

„Natürlich mache ich mir da Sorgen, dass bei mir zu Hause was passieren könnte“, sagt Ziebs. Auch seine Familie belasteten solche Nachrichten. Daher alarmierte sein Sohn am Montag auch umgehend die Polizei, als er eine unbekannte Flüssigkeit vorfand. Hartmut Ziebs war am Montag in Berlin. „Mein Sohn hat mich noch vor 7 Uhr angerufen, ob mir bei meiner Abreise die Flecken vor der Haustür aufgefallen seien“, erklärt der DFV-Präsident. „Er schilderte mir, dass die Flecken frisch wirkten und von einer merkwürdigen Flüssigkeit stammten, die ölartig sei, geruchlos und ein Kribbeln auf der Haut verursache.“ Nähere Erkenntnisse zur Flüssigkeit gebe es noch nicht, hieß es am Dienstag von der Polizei. Sie werde nun analysiert. Ziebs betont aber auch: „Die Flecken können irgendetwas Stinknormales sein. Zumal auf den Aufzeichnungen der Video-Überwachung nichts zu sehen war.“

Die Zukunft

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Das nächste entscheidende Datum wird der Freitag, 6. Dezember, werden. Dann sitzen im DFV-Präsidialrat das Präsidium und die Landespräsidenten zusammen. Im Nachgang dieses Termins – so hatten sie es angekündigt – wollen die fünf abtrünnigen Vize-Präsidenten sich öffentlich zu den Vorgängen äußern. Von ihnen soll zumindest einer selbst Ambitionen auf den Chefsessel der Deutschen Feuerwehr haben. Ziebs geht davon aus, dass im Januar oder Februar eine Delegiertenversammlung stattfinden wird, auf der er die Vertrauensfrage stellen wird.