Siegen-Wittgenstein/Brilon. Gleich drei Mal sind Rettungskräfte am Wochenende in der Region attackiert worden. Nimmt die Gewalt zu? Das sagen Experten.

Gleich drei Mal sind Rettungskräfte in der Region am Wochenende Opfer von Gewalt geworden – in einem Fall war sogar eine Waffe im Spiel. Solche Taten gehören zwar noch nicht zum Alltag, doch sie bereiten den Verantwortlichen zunehmend Sorge. Darauf wird auch in der Ausbildung reagiert.

Gewalt gegen Rettungskräfte in der Region: Um diese Fälle geht es

Fall 1: In Bad Berleburg im Kreis Siegen-Wittgenstein soll laut Polizei ein Verletzter während der Fahrt im Rettungswagen am Samstagabend einem Sanitäter ins Gesicht geschlagen haben. Der Mann war in seiner Wohnung in Erndtebrück gestürzt und hatte sich am Kopf verletzt. Ein Rettungswagen sollte ihn ihn ein Krankenhaus nach Bad Berleburg bringen, während der Fahrt habe er dann die Sicherheitsgurte der Trage gelöst und den Sanitäter ins Gesicht geschlagen und ihn beleidigt. Erst die alarmierten Polizisten hätten den Mann beruhigen und ihn in die Klinik bringen können.

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Fall 2: Einen ähnlichen Vorfall gab es am Sonntag in Siegen – verstärkt durch eine frauenfeindliche Komponente: Als zwei Rettungssanitäterinnen einem hilflosen Mann aufhelfen wollten, beleidigte der 31-Jährige die beiden und schlug nach ihnen. Er wolle sich von Frauen nicht helfen lassen, denn diese „haben nix drauf“ und verlangte nach „richtigen Sanitätern.“ Da der Mann nach einer notärztlichen Untersuchung nicht in einem Krankenhaus behandelt werden musste, aber aggressiv blieb, verbrachte er die nächsten Stunden im Polizeigewahrsam, heißt es weiter.

Fall 3: Noch gravierender der Fall aus Olsberg im Hochsauerlandkreis. Mit einer Schusswaffe hatte dort ein augenscheinlich betrunkener Mann Rettungskräfte bedroht. Der Mann habe am Sonntag in einer Böschung gelegen und soll nicht bei Bewusstsein gewesen sein, so die Polizei. Als die Rettungskräfte nach dem Ausweis der Person suchten, zog er die Waffe und flüchtete. Laut Beschreibung fahndet die Polizei nach einem 25 Jahre alten Mann, 1,64 Meter groß, blass, mit heller Jeans und schwarzem Kapuzenpulli, heißt es am Montag.

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Übergriffe im Einsatz: Rettungskräfte in Konfliktprävention geschult

Immer häufiger berichten Sanitäter über Bedrohungen und Übergriffe im Einsatz. „Die Gewaltbereitschaft ist höher als früher“, sagt Rüdiger Schmidt. Er ist Abteilungsleiter für den Rettungsdienst beim Deutschen Roten Kreuz Siegen-Wittgenstein, kennt den Beruf seit mehr als drei Jahrzehnten. Und es waren in Bad Berleburg seine Kollegen, die attackiert wurden. Gewalt sei nicht immer nur körperlich, sondern auch Beschimpfungen zählten dazu.

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Beim DRK und bei anderen Rettungsdienstschulen in der Region setzt man auf Konfliktprävention. Die hauptamtlichen Rettungs- und Notfallsanitäter werden im Umgang mit Gewaltsituationen unter anderem im Rahmen einer jährlichen 30-Stunden-Pflichtfortbildung geschult.

Angriffe auf Rettungssanitäter: Unterschiede zwischen Land und Stadt?

Sie sollen lernen, wie eine kommunikative Beziehung aufgebaut wird, ohne provokant zu wirken. Deeskalation ist gefragt. Aber auch Eigenschutz, Selbstverteidigung und Notwehr sind Unterrichtsinhalte, wie Stefan Luke erklärt. Er leitet die DRK Berufsfachschule für den Rettungsdienst Südwestfalen in Olpe. In der dreijährigen Ausbildung zum Notfallsanitäter sei Gewaltprävention bedeutender als in der Ausbildung zum Rettungssanitäter. Dort fehle in den drei Monaten schlichtweg die Zeit. In zwei Unterrichtsstunden werden die angehenden Einsatzkräfte dort zum Thema geschult, sagt Luke, verweist aber auf die jährliche Pflichtfortbildung.

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Doch von welchen Personengruppen werden Einsatzkräfte angegriffen? „In der Regel spielen Alkohol oder sonstige Rauschmittel eine Rolle“, sagt Rüdiger Schmidt vom DRK Siegen-Wittgenstein. Auf dem Land verschärfe sich das Problem, sei aber noch nicht so gravierend wie in einer Großstadt.

Hilfe für traumatisierte Rettungssanitäter

Stimmt das? Hagen ist mit etwa 195.000 Einwohnern eine Großstadt, und Gewalt gegen Rettungskräfte gehöre tatsächlich zum Tagesgeschäft, erklärt Veit Lenke, Feuerwehrchef in Hagen. Auch wenn es nicht täglich um körperliche Angriffe gehe und es in den vergangenen Wochen auch keine „krassen Fälle“ gegeben habe. „Ich glaube, dass kein Mensch von sich aus böse ist“, betont Lenke. Trotzdem dulde er keine Gewalt und werde jeden Angriff anzeigen.

So passiere es auch beim DRK Siegen-Wittgenstein, erklärt Rüdiger Schmidt. Nach einem gewalttätigen Angriff folge zudem ein Gespräch mit dem Leiter der Rettungswache. Eine „psychosoziale Unterstützung“ gebe es für traumatisierte Rettungssanitäter, „wenn der Mitarbeiter psychisch belastet ist.“