Hagen. Während Urlauber an Nord- und Ostsee kaum noch Chancen haben, gibt es im Sauerland noch Kapazitäten. Die Vermieter setzen auf Geheimtipps.
Christine Pavlovic wartet. Wartet auf den großen Boom. „Alle haben gesagt, dass in diesem Jahr Urlaub in Deutschland gemacht wird. So richtig merken wir davon noch nichts.“ Die Vermieterin von zwei Ferienwohnungen in Kirchhundem im Kreis Olpe klingt enttäuscht, verwundert. Wo bleiben all die Urlauber, die nicht nach Spanien, Italien oder Griechenland fahren und fliegen (können)?
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Melden Nord- und Ostseeferiengebiete ausgebuchte Unterkünfte, ist im Sauerland – vor der Haustür des Ruhr- und Rhein-Maingebietes – Kapazität vorhanden. In Hotels, Ferienwohnungen, Ferienhäusern. Das bestätigt nicht nur Christine Pavlovic als Privat-Vermieterin, das sagt auch Rouven Soyka, Sprecher des Sauerland-Tourismus mit Sitz in Schmallenberg. „Wer ein bisschen flexibel bei der Wahl seines Ferienortes im Sauerland ist, der findet eine Unterkunft.“ Was das Sauerland aber nicht sei: „Eine Alternative für All-Inclusive-Urlaub in der Türkei bieten wir eindeutig nicht. Wir bleiben – Corona hin oder her – das klassische Kurzurlauberziel.“ Etwas mehr als drei Tage beträgt die durchschnittliche Aufenthaltszeit, daran wird auch der Corona-Sommer nichts ändern.
Eigentlich jedes Wochenende ausgebucht - dann kam Corona
Drei Boom-Jahre liegen hinter der Region. Im vergangenen Jahr zählte man in den Kreisen Hochsauerland, Olpe, Soest, in Willingen und am Diemelsee sowie dem Märkischen Kreis insgesamt acht Millionen Übernachtungsgäste. Der Lockdown ab März bis in den Mai hinein macht solche Werte für diese Saison zunichte. Für Christine Pavlovic etwa, die in ihrem „Kuckucksnest“ zwei große Wohnungen für insgesamt 14 Personen anbietet, bedeutete dies, was es für alle Anbieter – privat oder gewerblich – zur Folge hatte: „Komplett-Stornierungen. Wir haben alle Anzahlungen zurücküberwiesen, waren eigentlich an jedem Wochenende von April bis Juni ausgebucht.“ Eine einzige Familie habe auf den November umgeschwenkt – ansonsten: Kaum Anfragen, einige Buchungen, ein trauriger Sommer für die Vermieterin. Selbst im sonst so guten – buchungstechnisch gesehen – Herbst lassen Vormerkungen auf sich warten.
„Viele Ältere haben einfach Angst – und ich kann die Unsicherheit verstehen.“ Sie spürt sie bei sich selbst, glaubt zu wissen, was die Menschen von unbeschwerten Urlaubstagen abhält: „Es ist die Maske. Wenn die fällt, dann läuft es wieder. Wer hat schon Lust, damit ins Restaurant, ins Geschäft zu gehen?“
Alles nur mit Maske
Der Deutsche Tourismus-Verband hat Anweisungen geschickt. So darf Frau Pavlovic nur mit Mund-Nasen-Schutz den Gästen gegenübertreten, es muss sich exakt registriert werden, Desinfektion ist das Gebot der Stunde „Lichtschalter, Steckdosen, das Treppenhaus. In den Wohnungen liegen Listen, was alles desinfiziert wurde, wem das nicht reicht, kann nachdesinfizieren mit Mittel, das wir bereitstellen.“ Mittlerweile hilft Christine Pavlovic eine Freundin bei all den Reinigungsaufgaben; vor Corona konnte sie das alleine bewältigen.
Beim Sauerland-Tourismus weiß man um die Nöte in der Region – aber auch um die Stärken. Bereits im Mai ging die Restart-Kampagne „Sauerland calling“ online – auf NRW-Ebene startete die Werbung für „Urlaub daheim“ Mitte Juni unter dem Motto „Rauszeitlust“. Die Sauerländer setzen auf Geheimtipps. „Wir wollen dem Rechnung tragen, dass im Moment niemand gerne dahingeht, wo zu viele Menschen sind.“ Mit anderen Worten: Einsame Orte gibt es im Land genug. Wie Christine Pavlovic ahnt auch Rouven Soyka, dass die Lockmittel Gastronomie und Veranstaltungen in diesem Sommer nur einen bedingten Reiz ausüben. Deshalb zücken die Touristiker die Karte Natur – „jeder findet da ein Plätzchen“, sagt Soyka. Aber auch das braucht es: „Gutes Wetter treibt die Leute zu uns“, ist er überzeugt.
Spontan zelten geht nicht
Und doch gibt es Orte, an denen es eng werden könnte. Im wahrsten Sinne: Wer kurzfristig campen möchte, dem rät Soyka dringend, vorab zu buchen. Und auch der „Urlaub auf dem Bauernhof“ ist nachgefragt wie seit einigen Jahren in jedem Sommer.
Das bestätigt Annika Strack vom „Schmallenberger Kinderland“. Seit 11. Mai sind die „Hoftore wieder geöffnet“, wie es auf der Internetseite heißt – und die Auslastung der 27 Betriebe, die über die Plattform vermittelt werden, liegt bei nahezu 100 Prozent. „Mit etwas Glück kann man noch ein paar Tage buchen“, sagt Annika Strack, aber eigentlich geht nicht mehr viel. Das Angebot der Ferien auf dem Bauernhof ist ein Selbstläufer, wie auch Rouven Soyka sagt. Corona hin oder her. Die Herbstferien – quasi ausgebucht. Der nächste Sommer – da muss man sich schon sputen.
Hoffen auf den Buchungs-Boom
Bis zum nächsten Sommer mag Christine Pavlovic gar nicht denken. Viel zu weit weg. Über Silvester hat sie Buchungen. Bis dahin ist noch viel Zeit. Und so wartet sie, wie es viele Vermieter gerade tun. Auf normale Zeiten. Vielleicht sogar auf einen Boom.