Drolshagen. Campen in NRW boomt in Corona-Zeiten noch mehr. So ist die Situation auf einem der schönsten Campingplätze Europas: Kalberschnacke im Sauerland.
Segelboote wippen sanft auf dem beinahe spiegelglatten Wasser der Listertalsperre hin und her. Die Morgensonne lacht im Sauerland. Beinahe kitschig. Über dem See auf der Anhöhe von Gut Kalberschnacke wird gefrühstückt. Hier liegt einer der schönsten Campingplätze Europas. Jedenfalls wird der Platz von Margot und Alfred Holthoff regelmäßig unter die Top 100 gewählt. Und wäre es nur halb so schön hier, der Platz wäre an den kommenden langen Wochenenden vermutlich trotzdem restlos ausgebucht. Campen boomt in Zeiten von Corona.
„Explosion“ am 6. Mai
Wie es so läuft? Margot Holthoff und Yvonne Hagendorf lachen auf. Köstliche Frage. „Wir haben seit Wochen zu zweit jeden Tag nur E-Mails beantwortet“, sagt die Chefin. Und seit bekannt wurde, dass Campingplätze in Nordrhein-Westfalen wieder für Touristen öffnen dürfen, „da ist es noch einmal explodiert“, ergänzt Yvonne Hagendorf. Das war am 6. Mai. Buchungswünsche en masse. Die Menschen möchten endlich wieder raus. Entspannen, Urlaub machen. Aber sie sind auch noch unsicher, weiß die Campingplatzbetreiberin. Deshalb suchen viele das Urlaubsglück lieber vor der Haustür als in der Ferne. Und hier am See ist Glück.
Findet auch das Ehepaar aus dem Main-Kinzig-Kreis. Marion und Christoph Goldbach wollten jetzt eigentlich in Kroatien sein. Auf dem Campingplatz Gut Kalberschnacke, gut 200 Kilometer nördlich ihrer Heimat bei Fulda, sind sie das erste Mal. Am Samstag haben sie von ihrer Tochter den Wohnwagen mit Vorzelt und allem Zipp-und-Zapp übernommen. Die hatte die Öffnung ab dem 11. Mai flugs genutzt und ihre Eltern einfach teilhaben lassen. Die Philosophie des Campens an sich ist den Goldbachs nicht fremd. „Wir wären in Kroatien mit dem Segelboot unterwegs gewesen. Das ist ähnlich. Jetzt sind wir am Dienstag eben auf der Bigge gefahren, mit einem Elektroboot“, schmunzelt Christoph Goldbach. Sie haben mit ihren E-Bikes Touren durch das Land der tausend Berge unternommen und sich schlicht ein bisschen erholt – inklusive phantastischem Blick auf die zu ihren Füßen liegende, immer noch ganz ruhige Listertalsperre.
Die Hessen wären gerne noch geblieben, aber zum Himmelfahrtswochenende war längst alles ausgebucht. „Die langen Wochenenden sind mit den NRW-Sommerferien zusammen für uns Hochsaison“, erklärt Margot Holthoff. Da geht schon lange nichts mehr. „Wir hätten die Plätze drei Mal vermieten können.“ Es kommen viele neue Gäste, die es sonst um diese Zeit nach Holland, Belgien, Südfrankreich, zur Nord- oder Ostsee gezogen hätte. Das lässt sich an den Buchungen ablesen. Stornierungen gab es kaum. Zwei, drei ältere Gäste, die Sorge um ihre Gesundheit haben.
Auf 220 Plätzen in NRW sind Urlauber willkommen
Laut Verband gibt es in Nordrhein-Westfalen rund 320 Campingbetriebe. Davon sind rund einhundert Dauercampinplätze. Auf 220 Plätzen können sich auch Touristen einmieten.
Etwa 130 Betreiber sind im NRW-Landesverband der Campingwirtschaft in Deutschland organisiert. Verbandspräsident ist Leo Ingenlath, Platzbetreiber in Sonsbeck am Niederrhein.
Unter www.camping-in-NRW.de oder https://m.camping-in-nrw.de/ (optimiert für Smartphones )findet man eine Übersicht über die Plätze in NRW, geordnet nach Regionen - also beispielsweise Sauerland, Siegerland, Eifel oder Münsterland.
Es ist nicht so, als ob es das Corona-Virus nicht gäbe. Bei weitem nicht. Holthoffs haben sich Gedanken gemacht, auch wegen ihrer Dauercamper, die 60 Prozent des Umsatzes ausmachen. 450 Plätze. Nur zwei haben gemeckert (und möchten Erstattung), weil vom 30. März bis 9. April der Platz komplett gesperrt war. Seitdem dürfen die Dauercamper wieder kommen, allerdings keinen Tagesbesuch empfangen. Diese Einschränkung gilt nach wie vor. Für alle.
In den Sanitäreinrichtungen wurden eine Reihe Toiletten und Waschbecken gesperrt, um Abstände garantieren zu können. Desinfektionsspender, klar. Hinweisschilder, dass in den Gebäuden ein Mund-Nasen-Schutz Pflicht ist. Vielleicht ohnehin nicht übel.
Zelten fällt leider aus
Alle Gäste müssen sich seit jeher registrieren lassen, jetzt kommt noch einmal ein Packen Corona-Aufklärung zur Begrüßung an der Rezeption dazu. Das Animationsprogramm mit Basteln Sport, Karaoke, Kinoabend oder Disko „fällt erst einmal flach“. Mehrere Spielplätze, Tennisplatz und Basketballfeld sind offen. Baden in der Lister geht, wenn man kein Warmduscher ist. Aber der Strand ist zumindest an diesem Himmelfahrtswochenende noch gesperrt, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Die Gäste aus dem Main-Kinzig-Kreis finden es richtig: „Wir wollen ja keine zweite Welle. Jeder sollte sich an die Vorschriften halten.“
Alles so weit bestens. Außer: „Wir haben beschlossen, in diesem Jahr keine Zelte zu nehmen. Schweren Herzens“, sagt Margot Holthoff. Schon bitter. Die Zeltplätze liegen mit unverstellbarem Blick auf den See in den ersten Reihen des terrassenartig angelegten Platzes. Auf Gut Kalberschnacke dürfen nur Camper mit Wohnwagen oder Wohnmobilen kommen, die autark sind, also eine Toilette und mindestens eine Waschgelegenheit an Bord haben.
Für den Sommer geht noch etwas
Das war bis vorgestern noch Teil der Vorschrift. „Das ist noch einmal gelockert worden“, sagt der Präsident des Landesverbands der Campingwirtschaft NRW, Leo Ingenlath. Vielleicht eine Chance für den ein oder anderen, doch noch ein Plätzchen auf einem Campingplatz zu ergattern. Denn: Kalberschnacke ist in diesem Jahr keine Ausnahme. „Auf den gut ausgestatteten Plätzen hat man kaum noch eine Chance, etwas zu finden“, sagt der Präsident. Vielleicht, weil die ein oder andere Gruppe wegen der Corona-Auflagen abgesagt hat. Im Sommer gehe noch etwas auf NRW-Plätzen, sagt Ingenlath. Wenn man sich mit der Buchung beeile.
Die Branche erlebte in den vergangenen Wochen schon massive Einbrüche. „Zwischen 18. März und 10. Mai herrschte Totentanz“, sagt der Verbandschef. Aber im Vergleich mit anderen, der Gastronomie und den Hotels, sind die Campingplatzbetreiber in NRW offenbar vorerst glimpflich davon gekommen. Waren sie bislang bevorzugt für ein paar Tage Naherholung, nehmen nun sogar die Reservierungsanfragen für längere Zeiträume bis zu drei Wochen, also einen kompletten Sommerurlaub, massiv zu, sagt der Experte: „Wir erleben in NRW einen Ansturm“, bestätigt Leo Ingenlath den neuen Trend.