Schmallenberg. Singen oder nicht? Kommunion als Virenschleuder? Ab dem 1. Mai sind Gottesdienste wieder erlaubt. Für die Gemeinden werden sie zum Kraftakt.

Die Sache mit den Liedern ist nur ein Beispiel für die Widersprüche, mit denen Gemeindepriester derzeit kurz vor dem Start der Corona-Gottesdienste jonglieren müssen. Kirchenmusiker raten strikt von „Großer Gott, wir loben dich“ und „Maria breit den Mantel aus“ ab, weil beim gemeinsamen Singen besonders viele Viren in die Luft geblasen werden, wovon dann selbst beim abstandssicheren Beten in der Messe alle etwas haben. Die Bischofskonferenz hingegen weist die Katholiken an, nur leise zu singen. Mundschutz ja oder nein? Zugangskontrolle, aber wie? Kommunion ohne Körperkontakt? „Es gibt noch ganz viel Klärungsbedarf“, sagt Dechant Georg Schröder, Leiter des Pastoralverbundes Schmallenberg-Eslohe, und ergänzt: „Papst Franziskus und Bundeskanzlerin Angela Merkel warnen davor, die erreichten Erfolge zu verspielen.“

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Für viele Priester und Kirchengemeinden kam die Aufhebung des Gottesdienstverbotes zum 1. Mai durch die NRW-Landesregierung überraschend, vor allem, weil die Kontaktsperre noch bis zum 3. Mai weiter gilt. Auch unter Christen werden die Lockerungen kritisiert, nach dem Motto: In der Messe packt man Risikogruppen gedrängt in einen Raum. „Das Sakrament lebt vom körperlichen Kontakt. Das ist der neuralgische Punkt“, analysiert Schröder. Das Erzbistum sagt: Hände vor der Kommunion desinfizieren oder eine Zange benutzen, nicht „der Leib Christi“ sagen, die Hand des Kommunionempfängers nicht berühren. „Es gab auch den Vorschlag, dass der Priester stellvertretend für die Gemeinde alleine kommuniziert. Aber das widerspricht dem ursprünglichen Sinn des Abendmahls.“

Kommunion ist der neuralgische Punkt

Die Kommunion nicht zur Virenschleuder zu machen, ist nicht das einzige Problem. Vor der Eucharistie stehen künftig Zugangskontrollen vor den Kirchentoren. In St. Alexander in Schmallenberg beispielsweise gibt es 230 Sitzplätze. Die sind im Sonntags-Hochamt alle besetzt. Die Gemeinde umfasst 3700 Katholiken. Die Corona-Messen dürfen abstandssicher in Schmallenberg aber nur von 40 Gläubigen besucht werden. Nach welchen Kriterien sollen diese 40 ausgewählt werden? Mit vorherigen Anmeldungen? „Was mache ich mit dem 41. Gottesdienstbesucher?“, fragt Georg Schröder. Eine Antwort weiß er nicht.

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Der leitende Pfarrer hat alle 28 Gemeinden des Pastoralverbundes angeschrieben, denn ohne die Ehrenamtlichen geht es nicht. Elf haben sich bereits zurückgemeldet. Sieben davon signalisieren, dass sie Gottesdienste unter den gebotenen Regeln noch nicht durchführen können. Vier wollen es angehen und sind dabei, die Voraussetzungen zu schaffen. „Hier in Schmallenberg sind Gottesdienste frühestens am 9. oder 10. Mai umsetzbar“, fasst Schröder die Überlegungen zusammen. „In Meschede sind sie ab dem 2./3. Mai dabei. Das Erzbistum Paderborn macht keine Vorgaben, es sagt, die Gemeinden sollen sehen, ab wann es möglich ist.“

Keine Beschränkung der Religionsfreiheit

Geistermessen, die der Priester alleine in der leeren Kirche zelebriert, widersprechen dem Selbstverständnis des Christentums. „Ein Gottesdienst lebt davon, dass die Christen als physische Gemeinschaft zusammen sind“, schildert Schröder. Man muss aber auch sagen, dass die Zahl der Gottesdienstbesucher extrem rückläufig ist, selbst im katholischen Schmallenberg liegt sie nur knapp über sechs Prozent der Katholiken.

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Auf der anderen Seite ist es das erste Mal seit 2000 Jahren, dass weltweit keine Gottesdienste gefeiert werden dürfen. Deshalb ruht der Blick der Öffentlichkeit derzeit so auf dem Credo und dem Vaterunser. Georg Schröder sieht in den Gottesdienstverboten keine Beschränkung der Religionsfreiheit. „Das ist ja nicht wie bei den Nazis damals. Die Verkündigung selbst ist zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt worden, das muss man schon unterscheiden.“ Da man heute sehr viel mehr über Viren und Ansteckungswege wisse, sei die Maßnahme zum Schutz der Christen und der Priester gerechtfertigt. „Früher sind die Leute im Gottesdienst zusammengekommen, um gegen die Pest zu beten. Sie wussten aber gar nicht, wie sich der Pesterreger überträgt. Also haben sie sich dabei gegenseitig angesteckt.“

Priester gehören auch zur Risikogruppe

Der Dechant möchte kein Risiko eingehen. Auf Messdiener will er vorerst verzichten. Priester, die zur Risikogruppe gehören, können im Erzbistum Paderborn selbst entscheiden, ob sie sich der Ansteckungsgefahr aussetzen möchten.

„Gottesdienste mit diesen Rahmenbedingungen sind sehr gewöhnungsbedürftig“, hält Georg Schröder fest. Mit dem Stofftuch vor der Nase will er nicht am Altar stehen. „Ich kann als Priester nicht mit Mundschutz zelebrieren.“ Es bleiben viele Fragen offen: Was macht er, wenn am zweiten Maiwochenende die Katholiken seine Messe stürmen? „Ich setze darauf, dass die Leute vernünftig sind und gerade die Älteren überlegen: wir bleiben besser noch Zuhause.“

Protestanten verzichten auf Gesang

Die Kirchen in NRW gehen derzeit unterschiedlich mit den offenen Fragen bei der Wiederzulassung von Gottesdiensten um. Die Evangelische Kirche von Westfalen wird eine Teilnehmerliste führen, um Infektionsketten gegebenenfalls nachweisen zu können; im Erzbistum Paderborn ist die Frage der Datenerfassung noch nicht geklärt. Die Westfälische Landeskirche verzichtet generell auf das Singen, wodurch sich das Virus besonders verbreitet, während die Deutsche Bischofskonferenz empfiehlt, nur leise zu singen. Die Protestanten prüfen für jedes Kirchengebäude, ob die baulichen Voraussetzungen für einen sicheren Gottesdienst gegeben sind. Mehrere evangelische und katholische Gemeinden haben bereits angekündigt, im Zweifelsfall auf Gottesdienste zu verzichten.