Hagen. Mit Kreativität, Service und Netzwerken stemmen sich lokale Buchhandlungen gegen die Coronakrise. Was der Einzelhandel davon lernen kann
Sie galten als Auslaufmodell angesichts der digitalen Marktmacht von Amazon. Nun sind sie plötzlich systemrelevant. Die kleinen inhabergeführten Buchhandlungen erweisen sich als erstaunlich widerständig, wenn es um Corona geht. Die Umsätze sind zwar um die Hälfte eingebrochen, das tut weh. Aber sie sind eben nicht um 80 oder 90 Prozent abgestürzt. Was sind die Ursachen für das kleine deutsche Buchwunder?
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„Die lokalen Händler punkten auf allen Gebieten“, analysiert Stefan Könemann (57), Geschäftsführer des Barsortiments Könemann mit Sitz in Hagen und Branchenexperte. „Sie haben mit ihren Onlineshops gepunktet, die ihnen ihre Großhändler eingerichtet haben, und sie haben sofort Lieferdienste angeboten. Da zeigt sich eine unglaubliche Kreativität.“
Lokale Netzwerke
Die Buchhändler haben vor allen anderen Branchen Netzwerke mit dem lokalen Einzelhandel gebildet, so dass die Kunden, während die Geschäfte geschlossen waren, ihre bestellte Lektüre in Apotheken und Kiosken abholen konnten, sie haben Abholtische neben den Läden aufgebaut, sie haben kostenfreie Lieferdienste eingerichtet, Bücher mit der Post verschickt und und nicht selten ihre Ware abends noch mit dem Fahrrad ausgefahren. „Dieser Einfallsreichtum hat sich herumgesprochen. Die Buchhändler haben wirklich auf allen digitalen und analogen Kanälen gearbeitet, Bestellungen auf WhatsApp angenommen oder auf Zetteln, die unter der Ladentür durchgeschoben worden sind. Sie haben solche Angebote schneller gemacht als andere Branchen, denn sie wissen, mit wem sie in Konkurrenz stehen.“
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Amazon hat seit Beginn der Corona-Krise Bücher nach hinten sortiert und liefert Gedrucktes nur noch nachrangig aus. Aber im lokalen Buchhandel gab es zu keiner Zeit Lieferprobleme oder Verzögerungen, betont Stefan Könemann. „Der Buchhandel war ja mit Hilfe der Barsortimente sowieso immer schneller als Amazon. Jetzt ist er ganze Tage schneller: Bis 19 Uhr bestellt, bis morgens 9 Uhr geliefert.“
Das „gute Buch“ kommt wieder
Das „gute Buch“ ist übrigens der Gewinner der Corona-Auszeit. Die Frühjahrsbestseller und Novitäten fehlen, die Kunden besinnen sich auf Titel, die etwas zu sagen haben, die sie immer schon mal lesen wollten, wozu sie aber aus Zeitmangel nicht gekommen sind. Kinder- und Jugendbücher legen stark zu, das liegt an dem Zuwachs im Segment Spielen und Lernen. Der Umsatz mit Reisebüchern ist hingegen um die Hälfte eingebrochen.
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Doch die positiven Branchennachrichten haben eine Kehrseite. „Die lokalen Buchhändler haben sehr viel Arbeit, aber weniger Umsatz. Verpacken und Versenden sind mit hohem Aufwand verbunden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise werden uns noch in den nächsten Jahren gefangen halten. Wir wissen ja noch gar nicht, was mit unseren Absatzmärkten passiert“, bilanziert Könemann. Gleichwohl sieht der Großhändler den inhabergeführten Buchhandel gut aufgestellt. „Durch den harten Wettbewerb zwischen Thalia und Mayersche hatten wir in vielen Städten ein Überangebot an Verkaufsfläche. Die kleinen Buchhandlungen, die das überlebt haben, sind widerstandsfähig.“
Der Einzelhandel insgesamt könne von der Buchbranche folgende Aspekte lernen: „Dass man mit einem vernünftigen Webshop um die Ecke kommt, dass man nie vergisst, dass der Onlinehandel ein immer präsenter Wettbewerber ist, wie man mit Reklamationen umgeht, die Servicebereitschaft, und dass man über den Tellerrand blickt und örtliche Allianzen eingeht.“
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Eine Nebenwirkung von Corona ist die Erkenntnis, dass eine totgesagte Kulturtechnik zu neuen Ehren kommt. „Wenn veränderte Sozial- und Verhaltensregeln zu mehr Lesen führen, kann aus etwas Schlechtem etwas Gutes entstehen. Das ist meine Hoffnung.“
Barsortiment mit Sitz in Hagen
Das Barsortiment Könemann ist ein Familienunternehmen mit Sitz in Hagen. Der Großhändler für Bücher und andere Medien wurde 1986 von Eva Könemann gegründet. Im Jahr 2011 ging die Firma eine strategische Allianz mit dem Barsortiment Libri in Hamburg ein. Seither werden die Kunden aus dem Libri-Lager in Bad Hersfeld beliefert. Dort werden 800.000 Titel vorgehalten. Die Firmenzentrale mit 12 Mitarbeitern befindet sich in Hagen. Zu den Aufgaben des Barsortiments gehört neben dem Zwischenbuchhandel die Einrichtung von Webshops in den Buchhandlungen sowie Unterstützung bei Fragen der Gründung und des Inhaberwechsels.