Hagen. „Wir haben den Kampf gegen den Borkenkäfer verloren“, sagt der Vorsitzende der Waldbauern NRW. Warum die Schäden größer als bei Kyrill sind.

Nach der Tourismus-Branche funkt nun ein weiterer für Südwestfalen wichtiger Wirtschaftszweig Notsignale. Waldbauern und Holzindustrie befürchten dramatische Umsatzeinbußen – und das gleich aus zwei Gründen: Erstens führt das trockene und warme Wetter schon jetzt zu einer starken Ausbreitung des Borkenkäfers. Zweitens ist die Holznachfrage auch wegen der Corona-Krise eingebrochen. „Diese Entwicklung bedroht die Existenz vieler Betriebe“, sagt Philipp Heereman, Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW.

Mittlerweile sei der Borkenkäfer auch in Regionen über 400 Meter aktiv, teilt der Verband mit. Bisher war man davon ausgegangen, in dieser Höhe vom Schädling verschont zu bleiben. Die Waldbauern gehen davon aus, dass in diesem Jahr erneut mehr als 15 Millionen Festmeter Fichte geschädigt werden. Zum Vergleich: Der Orkan Kyrill zerstörte Anfang 2007 in NRW zwölf Millionen Festmeter. „Wir haben den Kampf gegen den Borkenkäfer verloren“, sagt Heereman.

40 Prozent des Fichtenbestandes zerstört

„In einigen Monaten werden dann mindestens 40 Prozent des Fichtenbestandes der Gesamtwaldfläche in NRW vernichtet sein“, warnte er. „Das sind 15 Prozent der gesamten Waldfläche.“ Man müsse sich die Frage stellen, „ob wir uns in NRW komplett von der Fichte verabschieden müssen“. Heereman beziffert den wirtschaftlichen Schaden durch Dürre, Sturm und Borkenkäfer aus den Jahren 2018 bis 2020 auf 2,1 Milliarden Euro.

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Gleichzeitig rauschen die Holzpreise in den Keller, weil die Schadereignisse zu Überkapazitäten auf dem Weltmarkt geführt haben. Zudem laufe der Absatz von Schadholz nach China auch wegen Corona nur noch schleppend. Viele Waldbauern seien nicht mehr in der Lage, den für die Gewährung von Fördermitteln erforderlichen Eigenanteil aufzubringen, sagte Heeremann. „Wir können den Wald nicht retten, wenn die Forstwirtschaft nicht unterstützt wird.“

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NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) äußerte Verständnis: „Die warme und trockene Witterung macht uns in den Wäldern derzeit große Sorgen“, sagte sie dieser Zeitung. „Ein vergleichbarer Schaden wie 2019 ist nicht ausgeschlossen.“ NRW stelle umfangreiche Fördermittel für die akute Schadensbewältigung und die Wiederbewaldung zur Verfügung. Dass der Forstwirtschaft Mittel aus dem Corona-Schutzschirm zur Verfügung gestellt werden, wollte die Politikerin nicht ausschließen.

Die Waldbauern haben indes einen Negativposten in ihr Krisenszenario noch gar nicht eingepreist: Die Waldbrandgefahr steigt.

>> INFO: Waldreiches Südwestfalen

Südwestfalen gilt als eine der waldreichsten Regionen in NRW. Große Waldflächen befinden sich auch im Besitz der Städte. Allein in Brilon beträgt die kommunale Waldfläche fast 8000 Hektar. Das heißt: Auch die Kämmerer müssen sich auf finanzielle Einbußen einstellen.