Menden. Wie klappt das mit Staatshilfen für Unternehmen in der Corona-Krise? Wir werden über Monate einen Unternehmer aus dem Sauerland begleiten.
Stefan Gemünd öffnet die Tür zum Unternehmen. „Wegen Corona. Dann müssen Sie die Klinke nicht anfassen.“ Die große Halle ist kein Hochsicherheitstrakt. Die Ansteckungsgefahr ist sogar ziemlich gering, denn wir sind allein bei Optimal-Messebau in Menden.
Die Krise kam über Nacht. Die beiden Lastwagen waren vor drei Wochen schon vollgepackt mit Material. Bereit zur abendlichen Abfahrt in Richtung Stuttgart. Die Logistikmesse Logimat: gestrichen wegen Corona. Das Frühjahr ist für Messebauer normalerweise Saison. „Allein im März wären es für uns sechs gewesen“, sagt Gemünd. Stuttgart, Nürnberg, Frankfurt, Hannover…Vor 38 Jahren hat der 59-jährige Lendringser das erste Mal als Messebauer gearbeitet, seit 34 Jahren ist er selbstständig.
In der Branche herrscht Funkstille
„Wir haben uns Ende 2019 auf ein super Jahr gefreut“, sagt Nicole Pingel, die inzwischen durch die offene Tür hereingekommen ist. Sie organisiert, führt die Geschäfte mit. Im Moment: nicht viel zu tun. „Es herrscht Funkstille“, zieht Gemünd die Schultern kurz hoch. „Als die erste Absage kam, dachte ich: Okay, das ist mal ein Einschlag.“ Dann wurde es eine Kettenreaktion. Einige Messen wurden zuerst verschoben wie die Light& Building. Viele direkt abgesagt.
Langzeitreport
Die Auswirkungen der Corona-Krise werden die Wirtschaft noch länger belasten. Wie kommt ein Unternehmen damit klar? Kommen die versprochenen Hilfen tatsächlich an?
Unser Redakteur Jens Helmecke wird diesen Fragen exemplarisch anhand der Firma Optimal-Messebau aus Menden nachgehen. Einmal im Monat werden wir künftig über die Corona-Auswirkungen auf die Firma berichten.
Auf der Logimat hätte Optimal für einen Neukunden aufgebaut. „Natürlich haben wir uns beim Materiallieferanten dafür verschuldet“, sagt Stefan Gemünd. Einen verzweifelten Eindruck macht der groß gewachsene Unternehmer noch nicht. Er schlendert durch die Hallen, die bis unters Dach mit Material gefüllt sind. Ein Blick in die stattliche Tischlerwerkstatt, in der es aussieht, als könne es sofort weitergehen. Die Büros: aufgeräumt – und leer.
Die Lkw stehen abgemeldet vor der Tür
Wo sonst jahrein, jahraus der technische Zeichner von Optimal-Messebau saß, fehlt der Bildschirm. Der Mitarbeiter tüftelt zuhause. „Seit 20 Jahren bei uns. Er ist einfach genial. Was der an 3-D-Modellen kann“, schwärmt Gemünd, als wäre nichts weiter. Ist es aber doch: Die Lkw stehen abgemeldet vor der Tür. Stundung beim Finanzamt ist beantragt. Kurzarbeit für die Festangestellten auch. Wann das Kurzarbeitergeld kommt, wer weiß? Optimal-Messebau beschäftigt sechs Vollzeitkräfte und eine regelmäßige Aushilfe.
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15.000 Euro Soforthilfe aus dem Rettungsschirm stehen Optimal-Messebau zu. „Habe ich direkt beantragt und am Sonntag den Bewilligungsbescheid bekommen.“ Ausgestellt um 7.55 Uhr. An einem Sonntag. Von einer Behörde. Angekommen ist die Bestätigung erst am Sonntagnachmittag, weil die Server von IT-NRW unter Volllast standen. „Der Bescheid ist bares Geld wert“, weiß der Messebauer und lobt: „In NRW hat es viel besser geklappt als in Bayern. Da wartete ein Kollege zehn Tage nach Antragstellung immer noch auf eine Reaktion.“
Der Vermieter zeigt sich solidarisch
Der Zuschuss hilft. „Die Löhne sind gebucht!“ bemerkt Nicole Pingel ganz zufrieden. Was noch hilft, ist Solidarität. Von Geschäftspartnern. Optimal-Messebau hat noch ein großes Lager am anderen Ende der Stadt. „Vergesst erst einmal die Miete, hat uns der Besitzer gesagt.“ Nicole Pingels Miene hellt sich für einen Moment auf. Der Versicherer kam von sich aus auf die Firma zu und hat sie beraten.
Nicole Pingel ist nicht so ruhig wie Stefan Gemünd immer noch erscheint. Normalerweise stehen sie alle um diese Messe-Jahreszeit unter Strom. Jetzt hat das Virus den Stecker abrupt gezogen. Von 180 auf null ist es schwierig. Alle wollen irgendetwas tun. Eine Idee: Aus den Aluminiumelementen für den Messebau lassen sich hervorragend und schnell Trennwände bauen. Für Krankenhäuser zum Beispiel. „1000 Wände würden wir locker hinkriegen“, sagt Stefan Gemünd.
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Kommunen und Krankenhäuser in der Umgebung, in Arnsberg, Iserlohn oder Hagen haben sie schon angeschrieben. Viel Ertrag würden sie damit nicht erzielen. Sie sehen es eher auch als solidarischen Beitrag, um die Krise zu bewältigen. Gerade haben sie eine Gitterbox voll Stoff an das Nachbarunternehmen „Optimal-Planen“ verschenkt. „Die nähen da Atemschutzmasken draus“, sagt Pingel.
Eine Bank will plötzlich mehr Sicherheiten
Um wirtschaftlich zu überleben, will Optimal-Messebau auf das Rettungsschirmprogramm zurückgreifen und einen KfW-Kredit beantragen. „Ich bin zuversichtlich, Geld zu bekommen“, sagt Stefan Gemünd. Mit zwei Hausbanken arbeitet der Geschäftsmann schon ewig zusammen. „Beide gut!“ Und schließlich trägt die Bank nur zehn Prozent Risiko. Das war am vergangenen Mittwoch. Am Freitag teilt die eine mit, dass es ohne massive Besicherung durch das Firmenvermögen schwierig werde.
Wie die anderen Banker entscheiden? Plötzlich hört sich Stefan Gemünd gar nicht mehr so zuversichtlich an. Wir wollten uns jetzt einmal im Monat treffen. Der Reporter begleitet das Unternehmen durch die Krise. So war das gedacht. Wie viele Treffen es jetzt tatsächlich geben wird? Hängt davon ab, ob jetzt für Gemünd und Optimal-Messebau eine Tür offen steht.