Hagen. Wie sieht der Klinik-Alltag mit Corona-Patienten aus? Eine Krankenschwester zu Überlegungen, nach Dienstschluss im Krankenhaus bleiben zu müssen.

Ihre Pflegedienstleitung hat sie zum Überstundenabbau für einige Tage nach Hause geschickt. "Ich soll mich ausruhen, entspannen", sagt Krankenschwester Andrea Braun, "Kraft tanken für den Tag, an dem wir zur Corona-Klinik werden."

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Andrea Braun heißt in Wirklichkeit ganz anders, sie ist Mitte 50 und arbeitet in einem Krankenhaus in Südwestfalen. "Ich bin mental darauf vorbereitet", sagt die Frau, "ich habe mit meiner Familie ausführlich besprochen, dass ich sehr wahrscheinlich bald für eine unbestimmte Zeit Tag und Nacht im Krankenhaus bleiben werde."

Noch sind es Gedankenspiele an der Klinik-Spitze: Man könnte doch älteres und erfahrenes Pflegepersonal und Ärzte ohne kleine Kinder für die Betreuung von Corona-Patienten im Krankenhaus quasi kasernieren. Leere und nicht genutzte Räume könnten als eine Art Bettenlager für Mitarbeiter umfunktioniert werden. Hier fänden auch Waschmaschinen sicher einen Platz.

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Übertragung des Coronavirus vermeiden

"Es geht bei den Überlegungen auch darum, eine mögliche Übertragung des Coronavirus auf Familienmitglieder zu vermeiden." Andrea Braun hat neben ihrem Ehemann drei erwachsene Kinder und einen betagten Vater. "Wenn ich im Krankenhaus bleiben müsste, würde ich mir natürlich Gedanken machen, wie es zu Hause ohne mich läuft."

Die Ruhe vor dem Sturm

Es ist ein Warten auf den Tag X, "es ist derzeit wie die berühmte Ruhe vor dem Sturm", sagt Andrea Braun. Teile ihrer Station sind bereits freigeräumt worden. Dort sollen Isolierzimmer für Corona-Patienten entstehen. "Natürlich sind wir bislang im Krankenhaus-Alltag auch mit Schutzkleidung in Isolierzimmer gegangen - zu Patienten mit multiresistenten Keimen beispielsweise. Aber dies hier dürfte eine ganz andere Kategorie werden."

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Zumal die seit Tagen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn versprochenen Lieferungen von Atemschutzmasken auf sich warten ließen. "Warum dauert das bloß so lange?", fragt sich Andrea Braun kopfschüttelnd, "es wäre doch das Mindeste, diejenigen ausreichend zu schützen, die mit dem Coronavirus infizierte Patienten pflegen."

Über Kanzlerin Merkels Dank gefreut

Die erfahrene Krankenschwester hat am Mittwochabend nach der Tagesschau die Ansprache von Angela Merkel an die Nation aufmerksam verfolgt. "Was Sie leisten, ist gewaltig, und ich danke Ihnen von ganzem Herzen dafür", hat die Bundeskanzlerin in Richtung Ärzte und Pflegepersonal gesagt. "Ich habe mich sehr darüber gefreut", lautet Andrea Brauns ehrliches Bekenntnis.

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Sie muss aber einschränken: "Es ist schön, dass unser jetzt ,systemrelevanter Beruf' in aller Munde ist und die entgegengebrachte Wertschätzung womöglich nach der Corona-Krise anhält. Aber Worte allein reichen nicht aus, um meinen Beruf attraktiver zu machen und damit den Personalmangel auszugleichen."

Eine knappe Ressource: Pflegekräfte

In Andrea Brauns Krankenhaus geht es in diesen Corona-Tagen wie in allen anderen Kliniken in der Republik darum, Ressourcen für den Fall der Fälle zu sparen. Dabei ist in unserem Gesundheitssystem bereits eine wichtige Ressource knapp: die der Pflegekräfte. "Ich finde die Diskussion über die Versorgung der Kliniken mit Intensivbetten und Beatmungsgeräten irgendwie komisch", sagt Andrea Braun: "Wo ist das Personal, das diese Geräte bedienen kann?"

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Um die Anforderungen erfüllen zu können, sei eine Zusatzausbildung zur Intensiv- und Anästhesie-Pflegekraft notwendig. "Die Vorstellung, dass eine ganz normale Krankenschwester wie ich diese Tätigkeiten einfach so übernehmen kann, ist doch weltfremd. Zumal die Geräte bei jedem Hersteller anders sind und einer intensiven Einweisung bedürfen."

Meldungen über steigende Infektionszahlen verunsichern

Andrea Braun will in diesen so aufwühlenden Tagen auf dem laufenden sein. Sie liest viele Zeitungs- und Online-Artikel über das Coronavirus. "Ich will auf meine Arbeit unter besonderen Bedingungen, möglicherweise rund um die Uhr, gut vorbereitet sein", sagt sie und lässt einen Einblick auf ihr Innenleben zu: "Natürlich verunsichern mich die täglichen Meldungen über steigende Infektionszahlen."

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Und auch die Schilderungen aus überfüllten Krankenhäusern in Italien belasten die Krankenschwester aus Südwestfalen sehr. "Ärzte und Pflegekräfte müssen dort zum Teil selektieren, um wen sie sich überhaupt noch kümmern."

Mit Pragmatismus und Optimismus

"Ganz ehrlich", sagt Andrea Braun, "ich habe überhaupt keine Vorstellung, was mich im Corona-Krankenhaus erwartet." Sie geht die kommenden Wochen dennoch mit Pragmatismus und Optimismus an. Aus Überzeugung: "Den Kopf in den Sand zu stecken, kommt für mich nicht in Frage."