Willingen. Die Skisprung-Party in Willingen feiert am Wochenende Jubiläum. 50.000 Menschen werden erwartet. Warum früher manche von ihnen Windeln trugen.
So etwas hat Norbert Lopatta noch nicht erlebt. Das liegt allerdings auch daran, dass er erst seit einem Monat Tourismus-Manager in Willingen ist. „Die Hotels im Ort sind ausgebucht“, winkt er ab, wenn es um das kommende Wochenende geht. Dann kommt die Welt-Elite des internationalen Skisprung-Zirkus ins Hochsauerland und mit ihm Wintersportfans, die eine dreitägige Party feiern. Eine Party, die aus wagemutiger Flugshow der Sportler und bierseliger Hüttengaudi besteht. Oder andersherum. Man weiß es nicht genau.
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Sicher ist: Wo der Ausnahmezustand am Wochenende ohnehin ein holzverkleidetes, helenefischerbeschalltes Zuhause hat, kommen zum Kult-Weltcup noch mehr Menschen in den Ort. Etwas mehr als 6000 Einwohner hat Willingen, bietet aber mitsamt Umfeld rund 10.000 Gäste-Betten. Wer jetzt noch ein freies findet, kann vermutlich auch ohne Anlauf und Skier fliegen. „Das Wochenende ist ein absolutes Highlight“, sagt Lopatta, der natürlich weiß, was es heißt, wenn das Weltcup-Wochenende naht: Arbeit.
Wetter-Aussichten für Willingen am Wochenende: zunächst sonnig
Zum Beispiel an der Schanze, Mühlenkopfschanze, so viel Zeit muss sein. Am Dienstag schneite es ein wenig im Upland. Dieter Schütz, Pressechef des Willinger Weltcups, bekam das nicht mit, er war in der Republik unterwegs. Seine Frau schrieb ihm eine Nachricht. „Schön weiß bedeckt“, sagt er, nachdem er die Bilder gesehen hat, das schaffe „winterliche Atmosphäre“. Ob sie sich hält? Zumindest Freitag soll es sonnig werden. „Wir schauen von Tag zu Tag“, sagt Schütz.
Zeitplan, Tickets, Anreise:
- Freitag: 13:00 Uhr: Einlass 15:30 Uhr: Offizielles Training 18:00 Uhr: Qualifikation anschließend: Eröffnungsfeier mit Präsentation der Mannschaften
- Samstag: 11:00 Uhr: Einlass 15:00 Uhr: Probedurchgang 16:00 Uhr: 1. Wertungsdurchgang anschließend Finaldurchgang und Siegerehrung
- Sonntag: 11:00 Uhr: Einlass 15:00 Uhr: Probedurchgang 16:00 Uhr: 1. Wertungsdurchgang anschließend Finaldurchgang und Siegerehrung
- Tickets gibt es noch für den Freitag (Erwachsene: 15 Euro) und den Sonntag (Erwachsene: 30 - 35 Euro) jeweils an der Tageskasse.
- Der Bahnhof „Stryck“ ist am Freitag ab 9 Uhr, Samstag und Sonntag ganztägig in Betrieb. Von dort sind es nur wenige Gehminuten bis zur Schanze. Aus Richtung Westen und Ruhrgebiet fahren Züge der Linien RE17/RE57 im halbstündigen Takt nach Brilon-Wald. Von dort fahren am Samstag und Sonntag Doppelstock-Sonderzüge nach Stryck. Kostenlose Besucherparkplätze befinden sich unter anderem an den Bahnhöfen Brilon Stadt (550 Stellplätze), Brilon-Wald (1100) und Usseln (650). Darüber hinaus gibt es weitere Parkplätze am Hauptbahnhof in Korbach sowie an den Bahnhöfen Hoppecke, Olsberg und Meschede.
Dass es nochmal schneien würde, wussten sie ja nicht. Und gereicht hätte die Menge auch nicht. Daher hatten die Organisatoren vor einigen Tagen bereits Schnee bestellt. 20 Sattelschlepper karrten die weiße Kunstpracht aus der 200 Kilometer entfernten Skihalle in Neuss an. 1000 Kubikmeter Kunstschnee. Diese Menge war den Veranstaltern zuvor im Dauerregen wieder weggeschmolzen.
Donnerstagmittag ist Abnahme der Schanze
Die Lieferung ist bereits verarbeitet. Am Donnerstagmittag kommt die Technische Delegation des Ski-Weltverbandes und nimmt die Anlage ab. Und wenn alles gut läuft, dann geht‘s Freitag los mit der Qualifikation. „Ziiiiiiiiiieeeeeeehhhhhhh“, rufen die Fans am Fuß der Schanze, als könnte sie den Springer mit ihrem Schall durch die Lüfte tragen. Und als müssten die, die an der Theke sind, motiviert werden.
Der Samstag ist mit 23.500 Zuschauern seit einigen Tagen ausverkauft. Das ist der Tag, an dem sich Sport und Party am besten verbinden lassen. Am Fuß der Schanze gibt‘s Bier- und VIP-Zelte. Es hat schon Leute gegeben, die zwar da drin waren, aber nie einen Skispringer sahen. Aber was soll es? Willingen ist der Kult-Weltcup.
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Für Freitag und Sonntag – eher der Familientag - gibt es noch Rest-Karten an den Tageskassen. Über 50.000 Besucher werden es an den drei Tagen wieder gewesen sein. Faszinierend.
25 Jahre: Jubiläum macht Veranstalter stolz
„Das macht uns schon stolz“, sagt Dieter Schütz, wenn er auf das Wochenende blickt. Es ist die 25. Auflage. Silber-Jubiläum. „Wenn uns einer vor 25 Jahren gesagt hätte, dass wir heute noch fester Bestandteil der obersten Liga im Skispringen sind, dann hätte man das nicht für möglich gehalten.“
Und was sie hier alles erlebt haben in diesem Vierteljahrhundert. Die Hysterie um Martin Schmitt und Sven Hannawald in den 90er Jahren zum Beispiel. „Ich will ein Kind von dir“, schrieben manche auf ihre Plakate. Wenn sich das nicht einrichten ließ, dann gab man sich auch mit Autogrammen zufrieden. Andere stellten sich gleich stundenlang vors Mannschaftshotel.
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Um ihren Stars nahe zu sein und den Platz in der vordersten Reihe beim Skispringen nicht einzubüßen, das ist kein Geheimnis, haben manche von ihnen Windeln oder Einlagen getragen. Ziiiiiiiiiiieeeeeeeeh – nur ohne das Z. „Das war eine andere Zeit“, sagt Schütz.
Erster Weltcup mit den neuen Benimmregeln
Völlig andere Zeit. Denn es ist auch der erste Weltcup, seitdem die Benimmregeln im Ort eingeführt sind. Seit etwa einem halben Jahr wird auf ihre Einhaltung verstärkt geachtet. „Das soll die Anwohner vor den Auswüchsen des Club-Tourismus schützen“, sagt Bürgermeister Thomas Trachte. Ballermann des Sauerlandes wird Willingen auch genannt.
Deshalb: Wer zu stark alkoholisiert oder verkleidet (zum Beispiel Junggesellenabschiede) ist, kommt nicht in die Lokale oder in die Seilbahn. Alkoholkonsum auf offener Straße ist tabu, nächtliches Grölen und Singen ebenfalls. Und Wildpinkeln erst. 30 Euro Bußgeld kostet das. Polizei und Ordnungsdienst patrouillieren an Wochenenden durch den Ort, über mehr als ein halbes Dutzend Hilfspolizisten verfügt Willingen. „Diese Zahl aufzustocken, wäre wünschenswert, aber wir finden keine Leute“, sagt Trachte.
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Und jetzt? Beim Weltcup? Gelten die Benimmregeln auch? „Ja“, sagt Trachte, fügt aber an, dass stets und immer darauf geachtet werde, freundlich mit den Gästen umzugehen.
„Die Stimmung im Ort wird gut sein“, sagt Norbert Lopatta, der Tourismus-Manager. „Zum Skispringen kommt ein anderes, internationaleres Publikum. Da gäbe es ganz andere Wochenenden. „An dem jetzigen zelebriert sich der Ort auch selbst.“
So haben wir im vergangenen Jahr über den Weltcup berichtet:
So jubelte Karl Geiger über seinen Sieg in Willingen