Iserlohn/Hagen. Ein Corona-Verdacht bei einem Schüler in Iserlohn führt zu einem Großeinsatz. Wie gut sind die Behörden auf den Ernstfall vorbereitet?
Der Schüler des Aufbaugymnasiums in Iserlohn klagte lediglich über Fieber, über Bauch- und Halsschmerzen. Nichts Dramatisches eigentlich. Doch plötzlich war ein Großaufgebot von Feuerwehr und Rettungsdienst im Einsatz. Vor wenigen Wochen war der 13-Jährige aus China, seiner Heimat, zurück nach Deutschland gereist. China, das Land, in dem das Coronavirus, das eine mitunter tödlich verlaufende Lungenerkrankung hervorruft. Sofort wurde der Virus-Verdacht ausgerufen, die Schule wurde abgesperrt und die rund 200 Schüler aufgefordert, in den Klassenräumen zu bleiben. Etwas später meldet der Märkische Kreis offiziell: kein Coronavirus. Vermutlich nur Magen-Darm. Entwarnung.
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Zwei Tage später, am Mittwoch, bestätigte der Kreis Siegen-Wittgenstein, dass zwei Personen mit Verdacht auf Corona-Virus, im Siegener Kreisklinikum behandelt werden bzw. dort zur Behandlung erwartet würden. Bei einem der beiden gab es noch am selben Tag Entwarnung.
Wie gut sind die Behörden auf das Corona-Virus vorbereitet?
Wie sind die Behörden in NRW auf den Ernstfall – sprich eine Ausbreitung des Virus – vorbereitet? Welche Auswirkungen hat das Virus schon in der Region?
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„Die Meldekette hat sehr gut funktioniert“, sagt Ursula Erkens, Sprecherin des Märkischen Kreises, mit Hinblick auf den Fall in Iserlohn. Der Notarzt, der vor Ort war, habe sofort reagiert, als er hörte, dass der junge Mann erst vor kurzem aus China zurückgekehrt war: Polizei, Bevölkerungsschutz, Feuerwehr und Gesundheitsamt wurden informiert. Der Mitarbeiter des Gesundheitsamtes vernahm den Patienten nach einem Fragenkatalog des Robert-Koch-Institutes in Berlin. Wann war er in China? Wo war er genau? Hatte er Kontakt zu erkrankten Personen?
Corona-Patienten müssen auf eine Isolierstation
Weil der Schüler bereits am 7. Januar zurückgereist war und die Inkubationszeit 14 Tage beträgt, weil er in einer anderen Region als im stark betroffenen Gebiet Wuhan war und weil er keinen Kontakt zu Erkrankten hatte, konnte schnell Entwarnung gegeben werden.
Der Junge kam ins Krankenhaus. Für Coronavirus-Patienten sind im Märkischen Kreis die Lungen-Klinik in Hemer oder die Märkischen Kliniken in Lüdenscheid als erste Anlaufstelle vorgesehen. Dort können laut Ursula Erkens Isolierstationen eingerichtet und Patienten erstversorgt werden.
Informationsfluss von der WHO bis in die Städte und Kreise
Die aktuellen Informationen über den Umgang mit der Krankheit und die neuesten Entwicklungen werden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammengestellt und in Deutschland an das Robert-Koch-Institut weitergeleitet. Das wiederum speist das Landeszentrum Gesundheit in Bochum, einer nachgeordneten Behörde des Landesgesundheitsministeriums. Von dort geht die Informationskette weiter an die Kreise und kreisfreien Städte. Bis am Ende idealerweise jede Rettungskraft und Hausarzt sensibilisiert ist.
„Handlungsanweisungen für virale Epidemien müssen nicht erst erstellt werden, sondern existieren bereits“, sagt Veit Lenke, Feuerwehrchef in Hagen. In der Leitstelle sind Frageabfolgen hinterlegt, um diesen speziellen Verdachtsfall schon während des Notrufs zu erkennen. „Wenn wir dann einen Verdachtsfall haben, sind bestimmte Stichworte in der internen Kommunikation vorgeplant“, sagt Lenke.
Bio-Task-Force aus Essen wird gerufen
Infektionsschutzanzüge liegen in jedem Rettungswagen bereit. Zum Transport in eine Spezialklinik zum Beispiel in Düsseldorf müsse dann die Bio-Task-Force aus Essen herbeigerufen werden, die NRW-weit agiert, weil sie über einen speziellen Rettungswagen verfügt, in dem Erkrankte, die hoch infektiös sind, sicher gefahren werden können.
Ein Verdachtsfall liegt nach Vorgaben der WHO vor, wenn ein Patient über akute Atemwegsbeschwerden klagt und in den vergangenen 14 Tagen im Risikogebiet in Hubei war oder in den vergangenen zwei Wochen Kontakt zu einem bestätigten Coronavirus-Patienten hatte. Der Patient muss dann sofort isoliert werden, am besten in einem Zimmer mit Schleuse. Wer in Kontakt mit dem Patienten tritt, hat Schutzkleidung zu tragen: Schutzkittel, Handschuhe, Schutzbrille, Atemschutzmaske. Ein Abstrich muss genommen werden, der ins Labor der Charité nach Berlin geschickt wird. Nur dort werden die Proben überprüft.
Im Corona-Notfall hilft die Bezirksregierung Arnsberg
Eine zunächst untergeordnete Rolle spielt die Bezirksregierung Arnsberg. Sie greift erst ein, so schildert es ein Sprecher, wenn die Gesundheitsämter und Krankenhäuser einzelner Städte und Kreise dem Virus nicht mehr allein gewachsen sind und Unterstützung notwendig werden sollte.
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Doch schon längst hat das Virus Einfluss auf die Region. Unternehmen aus Südwestfalen reagieren auf die kritische Lage in China. Beim Automobilzulieferer Hella aus Lippstadt, der zahlreiche Werke in China betreibt, tagt seit vergangener Woche täglich ein Krisenstab, der die Lage beurteilt. „Wir haben kein Werk in der betroffenen Provinz Hubei. Dennoch haben wir in Lippstadt den Krisenstab aus Experten eingerichtet, der unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, der lokalen Behörden in China und es Auswärtigen Amtes entscheidet“, erklärt Hella-Sprecher Dr. Markus Richter.
Hella: 5000 Beschäftigte in China
Für die mehr als 5000 Hella-Beschäftigten in China wurden die „Neujahrsferien“ vorsorglich um zwei Tage verlängert. Für alle knapp 40.000 Beschäftigten bei Hella gelte: Dienstreisen von und nach China sollen möglichst nicht stattfinden. „Sämtliche Reisen in die Provinz Hubei sind aktuell untersagt“, so Richter. Vereinzelt wurden Beschäftigte bereits zurück nach Deutschland geholt.
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Hella hat eine Hotline eingerichtet, bei der sich Beschäftigte Auskunft holen können, beispielsweise wenn eine chinesische Delegation einen Besuch angekündigt hat. Hella lässt vorsorglich für die Zeit nach den verlängerten „Neujahrsferien“ zusätzliche Desinfektionsstellen in den Werken installieren und Atemschutzmasken anschaffen.