Menden/Arnsberg/Werl. Krankenhauspersonal wird knapper. Ein Arnsberger Krankenhaus-Betreiber wirbt ausgerechnet in der Nähe des Mendener Wettbewerbers um Fachkräfte.

Der Personalmangel im Gesundheitswesen führt zu Spannungen zwischen den Krankenhaus-Betreibern in Südwestfalen. Ausgerechnet in Menden, nur wenige hundert Meter vom dortigen Krankenhaus entfernt, will ein Wettbewerber, das Klinikum Hochsauerland aus Arnsberg, am Donnerstag einen Informationsabend für Pfleger, Ärzte und Auszubildende abhalten. Titel: „Spitzenmedizin und Arbeitsplätze mit Zukunft“. Die Mendener fürchten um ihre Fachkräfte und kritisieren den Termin als „unmoralischen Abwerbeversuch“. Eine Woche später wollen die Hochsauerländer in Werl für sich werben; auch dort ist man nicht amüsiert.

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Ausbildung im Klinikum Hochsauerland: Moritz Fink (20) aus Neheim macht eine Ausbildung zum Gesundheitskrankenpfleger. Er ist im 3. Lehrjahr. Hier mit Anna Kampmann (Gesundheits- und Krankenpflegerin, Stationsleiterin Intensiv). Der Personalbedarf wächst stetig.
Von Thomas Hagemann und Martin Haselhorst

Der Poker ums Personal ist kein Einzelfall. „Uns haben in letzter Zeit verschiedentlich Hinweise erreicht, dass Krankenhäuser Unternehmungen zur Abwerbung von Pflegepersonal starten“, teilte das NRW-Gesundheitsministerium auf Anfrage mit. Manche Häuser zahlen neuen Kräften bis zu 6000 Euro Prämie. Mitarbeiter, die neue Kollegen anwerben, erhalten einen Bonus.

Minister Laumann rät dazu, mehr auszubilden

NRW-Gesundheitsminister Laumann (CDU) lehnt derlei Konkurrenz-Gebaren ab. Es sei klar, dass der Personalmangel zu einem verstärkten Wettbewerb um Pflegekräfte führe­, sagte er dieser Zeitung. Dieser sorge aber auch dafür, dass Arbeit- geber­ attraktivere Arbeitsbedingungen­ bieten müssten. „Diesen Wettbewerb um den besten Arbeit- geber­ begrüße ich sehr. Denn dadurch­ wird der Pflegeberuf ins- gesamt­ attraktiver. Ich habe aber kein Verständnis dafür, wenn Krankenhäuser gezielt gegenseitig Pflegepersonal abwerben zum Beispiel mit Prämien“, betonte der Minister. „Insbesondere dann nicht, wenn vorhandene Ausbildungsplätze nicht besetzt­ oder die Zahl der Ausbildungsplätze in den letzten Jahren nicht erhöht wurde. Daher ist es für 2020 mein Ziel, dass alle, die sich für die Alten- und Krankenpflege in NRW interessieren und sich dafür eignen, eine Ausbildungsplatzgarantie in der Pflege bekommen.“

Der Klinikverbund Hochsauerland bleibt indes gelassen. Bei den Veranstaltungen gehe es darum, „über die Ideen und Konzepte zur Sicherung der Gesundheitsversorgung in der Region zu informieren“, sagt Sprecher Richard Bornkeßel.

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Der Klinik-Clinch zwischen Menden und Arnsberg sei symptomatisch, warnt dagegen Lothar Kratz von der Krankenhausgesellschaft NRW: „Angesichts der demografischen Entwicklung wird uns dieses Problem wohl noch sehr lange beschäftigen.“

Moralische Grenze überschritten?

Eigentlich ist es ja nur ein Treffen. Nichts Wildes. Donnerstag, 18 Uhr, in einem Restaurant in Menden. Ein Informationsabend, zu dem das Klinikum Hochsauerland aus der Nachbarstadt Arnsberg unter dem Titel „Spitzenmedizin und Arbeitsplätze mit Zukunft“ einlädt. Und zwar ausdrücklich Ärzte, Pflegefachkräfte und mögliche Auszubildende mit ihren Eltern aus der Umgebung. Die Katholischen Krankenhäuser im Märkischen Kreis, zu denen das Mendener St.-Vincenz-Krankenhaus gehört, sehen darin aber vor allem eines: einen Abwerbeversuch unter Nachbarn. Einen, der mindestens andeutet, dass der Kampf um medizinisches Personal mit immer mehr Vehemenz geführt wird. Auch im ländlichen Raum.

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„Es gibt so etwas wie eine moralische Grenze“, erklärt Christian Bers, Sprecher der Katholischen Krankenhäuser, und macht denn auch keinen Hehl daraus, dass er das Vorgehen der Hochsauerländer als ungehörig und als Tabubruch empfindet: „Selbstverständlich ist medizinisches Personal in allen Kliniken knapp“, sagt er. Die Krankenhäuser hätten es ohnehin schon schwer genug, „da sollte die Personalgewinnung untereinander respektvoll ablaufen“. Die gleiche Infoveranstaltung findet in der Woche darauf in Werl statt. „Diese Veranstaltung anzuberaumen, steht ihnen ja frei. Wir nehmen das mit Interesse zur Kenntnis“, sagt Christian Larisch, Geschäftsführer des Katholischen Hospitalverbundes Hellweg, zu dem zum Beispiel das Mariannen-Hospital in Werl zählt und das Marienkrankenhaus in Soest. Viel mehr will er nicht sagen. Er klingt verwundert.

Verteilungskampf in vollem Gange

Fest steht: Der Verteilungskampf um Ressourcen, um Ärzte, Pflegepersonal, Zuschüsse und Geld ist längst in vollem Gange. Es geht für viele Häuser um die Zukunft – nicht erst seitdem Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann ein Gutachten vorstellte, das eine Reform der Krankenhauslandschaft empfiehlt: mehr Allianzen schmieden, mehr Spezialisierung wagen. Das soll die Häuser wieder rentabler machen und Ressourcen sparen.

Richard Bornkeßel ist Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit und Marketing im Klinikverbund Hochsauerland. Er sieht die Infoveranstaltungen entspannter. Man wolle „aus erster Hand über die Ideen und Konzepte zur Sicherung der Gesundheitsversorgung in der Region informieren“, sagt er.

Die Arnsberger planen am Standort Hüsten bis 2023 den Neubau eines großes Zentrums für die umfassende Notfall- und Intensivversorgung, das 88 Millionen Euro kosten soll, davon 62,5 Millionen reine Baukosten. Aus dem Wachstum und der Weiterentwicklung des Klinikums Hochsauerland würden daher „weitere interessante Arbeitsplätze entstehen, für die wir schon heute – aber auch zukünftig – qualifizierte Mitarbeiter und Nachwuchskräfte suchen. Selbstverständlich möchten wir darüber informieren“, sagt Bornkeßel.

„Viele Häuser beweisen eine große Kreativität, wenn es darum geht, neues Personal zu akquirieren“, sagt Lothar Kratz, Referatsleiter bei der Krankenhausgesellschaft NRW. Das Helios Universitätsklinikum Wuppertal zum Beispiel lockt alle neuen Pflegekräfte mit einem Begrüßungsgeld von 6000 Euro. „Jeder Mitarbeiter, der einen neuen mitbringt, erhält ebenfalls den Bonus“, heißt es auf der Internetseite.

Klinikum Hochsauerland unbeirrt

Laut einem aktuellen Bericht des Deutschen Krankenhausinstituts ist der Anteil der Krankenhäuser, die Probleme haben, Stellen im ärztlichen Dienst zu besetzen, in den vergangenen drei Jahren von 60 auf 76 Prozent angestiegen. Im Schnitt sind pro betroffenes Krankenhaus fast vier Stellen vakant, im Pflegedienst sind es 13 Vollzeitstellen. „Mit einer Bewertung in dem konkreten Fall würde ich mich zurückhalten. Gutheißen kann man diesen extremen Wettbewerb untereinander schwerlich. Aber Fälle wie dieser zeigen, wie viel Dramatik und Brisanz in dem Thema steckt.“

Auf der Internetseite des Klinikums Hochsauerland sind um die 40 Stellenanzeigen für ärztliches und Pflegepersonal zu finden, einige davon gleich für mehrere Servicekräfte. Informationen biete man, sagt Bornkeßel, über die eigene Homepage, örtliche Medien, Flyer, Karrieremessen und – seit Herbst 2019 – „auch persönlich in lockerer Runde im Rahmen von Informationsabenden an verschiedenen Orten in der Region“ an. „Weitere Veranstaltungen sind in Planung.“