Ennepetal. Stefan Voigt will in Zeiten des Klimawandels in Ennepetal einen Steinzeitwald pflanzen: „Die Geschichte gibt Ratschläge, was wir zu tun haben.“

Stefan Voigt hat sich über die Grenzen Ennepetals hinaus einen Namen als Höhlenforscher gemacht. Den Vorsitzenden des Arbeitskreises Kluterthöhle interessieren jedoch nicht nur die Zusammenhänge in unterirdischen Hohlräumen – er macht sich in Zeiten des Klimawandels Sorgen um den heimischen Wald, will nicht zusehen, wie Waldbauern in purer Verzweiflung heimische Baumarten – durch zunehmende Trockenheit gebeutelt – durch Gewächse „aus allen Herren Ländern“ wie die Douglasie, die Kalifornische Küstentanne oder Eukalyptus ersetzen wollen.

Vielleicht kann Voigt Licht ins Dunkel bringen, jedenfalls ist er auf eine „spleenige Idee“ gekommen, wie er selbst sagt: Er will in Ennepetal einen Steinzeitwald errichten mit Baumarten, die in der Jungsteinzeit vor 6000 Jahren dem wärmeren und trockeneren Klima standhielten.

Die Geschichte gibt Ratschläge, was wir zu tun haben

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„Auf die Idee ist noch keiner gekommen“, sagt der selbstständige Garten- und Landschaftsbauer, der nicht widersprechen würde, wenn man ihn als umtriebig bezeichnete. „Die Geschichte gibt Ratschläge, was wir zu tun haben“, sagt er, „wir müssen nur darauf hören.“

Der Ennepetaler hatte ein Buch über die Geschichte des Waldes gelesen – darin die Information, dass es in der Jungsteinzeit um rund drei Grad wärmer war als heute und dass es viele Trockenperioden gab. Bedingungen, die uns der Klimawandel in Zukunft noch häufiger als im vergangenen Sommer bescheren kann. Die Baumarten von damals, so Voigts Arbeitsthese, müssten den veränderten klimatischen Bedingungen anno 2019 doch trotzen können.

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Jedenfalls kontaktierte Voigt den Geologischen Dienst NRW und profitierte von dessen Archiv mit Proben von Erdbohrungen. In Erdschichten aus der Jungsteinzeit wurden Spuren von Pollen gefunden – diese hätten Aufschluss darüber gegeben, welche Waldbäume seinerzeit vorkamen. „Das Hammer-Ergebnis“, so Voigt: „Die Buche, unser heutiger Hauptwaldbaum, kam vor 6000 Jahren überhaupt nicht vor.“ Dafür wuchsen in dem trockenen und warmen Klima Bäume, „die wir heute nicht mehr im Wald, aber in Landschaften finden“: Flaumeiche, Linde, Esche, Wildbirne, Ulme, Ahorn, Hasel und Hainbuche.

600 Bäume bis zum Frühjahr

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Insgesamt 600 Bäume dieser Arten, jeweils 2 bis 2,25 Meter groß, will Voigt zusammen mit seinen Mitstreitern vom Arbeitskreis Kluterthöhle auf zwei Versuchsflächen in Ennepetal anpflanzen. Bis zum Frühjahr soll dies abgeschlossen sein. Und wann kann er mit Ergebnissen aufwarten? Voigt lächelt. Natürlich, sagt er, brauche ein normaler Wald 150 Jahre, bis er sich vollständig entfaltet hat. „Aber nach 25, 30 Jahren müsste es schon zuverlässige Hinweise darauf geben, welche Bäume prächtig gedeihen oder welche vor sich hindümpeln.“

Nein, er sei nicht als Weltretter auf den Zug der Klimadebatte aufgesprungen, betont der Höhlenforscher und zitiert Martin Luther: „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ Es gebe zu viele Menschen, so Voigt, die nur redeten. „Man muss einfach machen.“

Interesse beim Landesbetrieb Wald und Holz

Beim Landesbetrieb Wald und Holz schaut man mit Interesse nach Ennepetal. „Wir setzen auf die Entwicklung­ klimastabilerer Mischwälder, die aus überwiegend hei- mischen­ Baumarten bestehen“, sagt Sprecherin Nadine Neuburg. Ihre Einschränkung mit „überwiegend“ bezieht sich unter anderem darauf, dass die Behörde Waldbesitzern auch exotische Baumarten wie die Douglasie zur Pflanzung empfiehlt.

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Dass man in Zeiten des Klimawandels auf Mischung setze, habe den Hintergrund, „dass heute niemand weiß, um wie viel Grad die Durchschnittstemperaturen in den nächsten hundert Jahren wirklich gestiegen sein werden und wie sich das auf die standörtlichen Gegebenheiten insgesamt auswirkt.“ Grundsätzlich, so Nadine Neuburg weiter, könne man sagen, „dass bei einer größeren Mischung die Wahrscheinlichkeit, dass Baumarten vorhanden sind, die mit den dann herrschenden Klimabedingungen besser zurecht kommen, größer ist.“

Höhlenforscher Stefan Voigt jedenfalls bezeichnet den geplanten Steinzeitwald als „Versuch“. Ein bundesweit einmaliges Experiment mit positiven Begleiterscheinungen: „Ennepetal hat die Chance, deutschlandweit Vorreiter zu sein.“