Hagen. Der Wald leidet unter den Folgen des Klimawandel. Die Wiederaufforstung wird Jahrzehnte dauern. Es gibt viele Probleme.

Der Dürresommer 2018 und der Klimawandel gefährden die Existenz des deutschen Waldes. Die Wiederaufforstung ist eine Mammutaufgabe und wird Jahrzehnte dauern. Die Herausforderungen sind vielschichtig:

Die Politik

Forstexperten weisen seit Monaten auf die schwierige Lage des Waldes hin, einige sprechen sogar von einer neuen Form des Waldsterbens. Die Parteien haben – mit Verzögerung – die Tragweite des Problems erkannt und überbieten sich nun mit Forderungen. Ein nationaler Waldgipfel in Berlin ist für den 25. September terminiert; NRW plant einen eigenen Gipfel im November. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) schlägt sogar eine Prämie für jeden neu gepflanzten Baum vor. Für die Rettung der Wälder sind nach Einschätzung von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) mindestens 1,5 Milliarden Euro erforderlich, allein die Bewältigung der aktuellen Schäden koste mindestens eine halbe Milliarde Euro. Die SPD fordert ein Holzbau-Programm, mit dem Holz als Baustoff gefördert werden soll. Thüringen will 200 Millionen Bäume pflanzen, das NRW-Umweltministerium will sich noch nicht auf eine konkrete Zahl festlegen.

Die Jäger

„Der Landesjagdverband NRW hat seine 65.000 Mitglieder zur Solidarität mit den Waldbauern aufgerufen“, sagt Ralph Müller-Schallenberg, Präsident des Verbandes. Die Jäger seien gesetzlich verpflichtet, für einen gesunden und artenreichen Wildbestand zu sorgen. „Wir stehen für ‘Wald und Wild’, so Müller-Schallenberg. „‘Wald vor Wild’ lehnen wir ebenso ab wie einen Totalabschuss.“ Der Landesjagdverband kritisiert, dass nach wie vor die besonders anfälligen Baumarten Fichte und Kiefer den Wald dominierten, die erwünschte Mischung hin zu mehr Laubbäumen sei nur marginal erfolgt. Müller-Schallenberg: „Waldumbau mit dem Jagdgewehr wird allein nicht funktionieren.“ Hans von der Goltz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft, appelliert an die Jäger, auch ihr Jagdverhalten zu ändern: „Sie müssen bei Bewegungsjagden mit guten Schützen mehrmals den Wald durchkämmen. Die Jagd vom Hochsitz ist nicht effektiv.“

Der Konflikt

Sebastian Schreiber, Sprecher des Deutschen Forstwirtschaftsrats, zögert. „Das Thema ist hochemotional und sehr sensibel“, sagt er dann. Die Jagd an sich ist schon umstritten; nun muss sich die Bevölkerung darauf einstellen, dass die Aufforstung des Waldes nur gelingen kann, wenn die Jäger in den kommenden Jahren deutlich mehr Rehe und andere Wildtiere töten. Niedliche Rehe. Und es kommt noch schlimmer: Die Wildtier-Populationen ließen sich im Sinne der Vegetation nur regulieren, wenn in Zukunft vor allem weibliche und junge Tiere erlegt würden, sagt Hans von der Goltz. Man müsse die Gesellschaft und die Politik auf diesen Zwiespalt hinweisen, gibt Schreiber zu bedenken. Zäune sind keine Alternative zum Abschuss: Erstens sind sie zu teuer; zweitens können großflächige Gatter kaum kontrolliert werden; drittens drängen sie das Wild in andere Bereiche.

Die Bevölkerung...

...trägt dem Waldbauernverband NRW zufolge eine enorme Mitverantwortung für das Gelingen der Wiederaufforstung. „Das Problem heißt nicht ‘Wald und Wild’, sondern ‘Wald und Mensch’, sagt Verbandsvorsitzender Philipp Freiherr Heereman. „Die Menschen müssen verstehen, dass sie die Tiere durch ihr falsches Verhalten im Wald ausgerechnet in die Bereiche treiben, in denen junge Bäume wachsen müssen.“ Vor allem Mountainbiker und Pilzsammler seien sich nicht bewusst, welches Unheil sie anrichten würden. Die Setzlinge werden übrigens nicht nur vom Schalenwild gefressen: Auch Hasen und Mäuse schädigen die Pflanzen.

Das Personal

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Die Zahl der Förster ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Sie müssen nun aber die Wiederaufforstung organisieren. „Die Reviere sind zu groß geworden. Wir brauchen dringend mehr Personal“, fordert der ehemalige Direktor des Forstamtes Oberes Sauerland, Hans von der Goltz. Das Umweltministerium hat in diesem Jahr bisher nur 20 zusätzliche Stellen beim Landesbetrieb Wald und Holz eingerichtet. Sie sind allerdings befristet. Deutlich mehr Jobs müssen auch die Baumschulen schaffen, die die Setzlinge im Auftrag der öffentlichen und privaten Waldbesitzer in den Boden pflanzen sollen. Schon jetzt stammen die Arbeitskräfte vor allem aus Osteuropa. Von der Goltz geht jedoch davon aus, dass diese Länder die gestiegene Nachfrage befriedigen können – allerdings zu gestiegenen Personalkosten.

Der Wald von morgen...

...ist bunt gemischt. Darüber herrscht unter den Experten Einigkeit. Monokulturen sollen der Vergangenheit angehören, die Zukunft gehört den Mischwäldern aus Nadel- und Waldbäumen. Umweltministerin Schulze (SPD) fordert, dass nicht wirtschaftliche Überlegungen für das Schicksal des Waldes maßgeblich sein dürften, sondern die „dauerhafte Sicherung strukturreicher, klimastabiler und ökologisch hochwertiger Waldökosysteme“. Die Grünen setzen sich für eine Urwald-Offensive ein: Zehn Prozent der Wälder im Besitz von Bund und Ländern sollen der Natur überlassen werden.

Das Geld

In den kommenden Jahren müssen mehrere hundert Millionen neue Bäume in Deutschland gepflanzt werden. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis: Experten gehen davon aus, dass die Setzlinge nun teurer werden. Sie kosten pro Stück zwischen 40 Cent und 1,50 Euro. Das Pflanzen und die Pflege schlägt mit weiteren zwei bis drei Euro zu Buche. „Es ist jetzt erforderlich, dass wir die Saatgutbestände europaweit identifizieren“, sagt von der Goltz. Da die heimischen Nadelbäume gegen den Klimawandel keine Chance haben, müsse mehr auf Pflanzen aus dem Süden Europas gesetzt werden. „Dafür muss die Zulassung vereinfacht werden“, fordert der Experte. Zudem sei es erforderlich, die Förderrichtlinien zu verändern. „Wir brauchen eine Erfolgskomponente. Es nützt nichts, einen Hektar Buchen anzupflanzen, die nach drei Jahren vom Wild gefressen werden.“