Hagen. Beim Waldpakt der Landesregierung macht der Bund für Umwelt und Naturschutz nicht mit. Der Landesvorsitzende Holger Sticht erklärt die Gründe.

Vor gut zwei Wochen unterzeichneten Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Verbände aus Forst- und Holzwirtschaft, Naturschutz und Berufsvertretung der Branche in Düsseldorf den Waldpakt „Klimaschutz für den Wald - unser Wald für den Klimaschutz“. Die darin enthaltenen Maßnahmen sollen die Wälder fitmachen für den Klimawandel und helfen, Schäden durch Sturm, Dürre und Borkenkäfer zu bewältigen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) macht nicht mit. Wir haben mit dem NRW-Landesvorsitzenden Holger Sticht darüber gesprochen.

Warum machen Sie nicht mit beim Waldpakt?

Holger Sticht: Erstens sind wir gar nicht gefragt worden. Zweitens glaube ich nicht, dass unsere Forderungen in die Erklärung aufgenommen worden wären, weil die Unterzeichner ganz offensichtlich bisher andere Ziele verfolgen.

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Tote Bäume sind wichtig fürs Waldökosystem

Wo genau liegen die Streitpunkte?

Der Waldpakt sieht vor, dass der Staat die Beseitigung des Sturm- und Borkenkäferholzes aus den Wäldern fördert, damit dort flächig aufgeforstet werden kann. Das halten wir für fatal, weil damit die Naturverjüngung unterbunden wird. Und die vom Käfer abgetöteten Bäume sind wichtig für die biologische Vielfalt und für die Naturverjüngung. Es ist unsinnig, einen abgetöteten Baum zu entnehmen, denn er bietet den Käfern keine Brutmöglichkeit mehr. Sie besiedeln nur lebendige Bäume. Und als Verbissschutz und Wasserspeicher spielen tote Bäume eine wichtige Rolle im Waldökosystem.

Das war’s schon?

Leider nein. Die Förderung der Wiederaufforstung mit Mischwäldern ist aus unserer Sicht völlig falsch. Wälder kann man nämlich im naturwissenschaftlichen Sinne gar nicht aufforsten, nur Plantagen kann man aufforsten. Und Mischwälder gibt es in NRW von Natur aus in weiten Teilen nicht. Wir fordern das Land und die Waldbauern auf, auf die natürliche Waldentwicklung zu setzen. Wenn Aufforstung, dann nur truppweise, nicht flächig. Die vergangenen Dürreperioden haben gezeigt, dass naturnahe Wälder deutlich widerstandsfähiger sind. Das steht auch im Waldpakt, aber es werden daraus nicht die richtigen Schlüsse gezogen.

935.000 Hektar Wald in NRW

Mehr als ein Viertel der Fläche in NRW besteht aus Wald – insgesamt mehr als 935.000 Hektar. Nach zwei überdurchschnittlich trockenen Jahren geht es dem Wald sehr schlecht: Nur jeder fünfte Baum ist laut Waldzustandserhebung 2019 gesund. 63 Prozent der Waldfläche sind in privater Hand.

Nur wenig Unterstützung von den Waldbauern

Aber mit Naturwald kann man nicht genug Geld verdienen, sagen viele Waldbauern.

Das sehe ich anders. Die Folgen des Klimawandels belegen, dass das bisherige System auch ökonomisch gescheitert ist. Wir befürworten die Hilfe für private Waldbauern; sie muss jedoch an die Leistungen für das Gemeinwohl geknüpft werden. Wir fordern deshalb eine Naturwald-Entwicklungsprämie. Mit ihrer Hilfe können sich die Waldbauern zukunftssicher aufstellen.

Dann müssten die Waldbauern Sie ja eigentlich unterstützen.

Die großen Betriebe, die industrielle Forstwirtschaft betreiben, handeln weder nachhaltig noch ökologisch. Sie stehen vielfach nicht auf unserer Seite. Es gibt aber auch viele Kleinere, die sich für eine naturnahe Bewirtschaftung einsetzen. Und die unterstützen uns.

Wäre es nicht ein schönes Signal, wenn der Staats- und Kommunalwald auf Naturverjüngung setzen würde? Oder wäre das zu wenig?

Das ist der Weg, den wir vorgeschlagen haben. Das Land muss mit seinem Wald mit gutem Beispiel voran gehen und zeigen, wie es geht und aussieht. Was ein privater Besitzer mit seinem Wald macht, ist und bleibt ohnehin seine Sache. Nur wenn er finanzielle Hilfe des Staats und seiner Bürger will, muss diese Hilfe an Gemeinwohlleistungen gekoppelt werden.

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Kritik an der Bauprämie

Was halten Sie von der Baumprämie? Sie soll ja die Kohlenstoff-Bindungskraft der Wälder honorieren und wird von Ministerpräsident Armin Laschet unterstützt.

Die Baumprämie ist zu kurz gegriffen. Laschet und die Landesregierung sehen vor lauter Bäumen die Wälder nicht mehr. Niemand hat bisher eine ehrliche Fehleranalyse gemacht, auch nicht die Waldbauern. Wir müssen vielmehr die natürliche Entwicklung des Waldes fördern. Wichtig ist die gesamte Ökosystemdienstleitung, also zum Beispiel auch die Sicherung der biologischen Vielfalt, aber auch Hochwasser- und Klimaschutz. In einem gesunden Wald können Bäume auch mehr Kohlenstoff binden, aber es kann noch viel mehr geleistet werden.

Sehen Sie noch Einigungschancen?

Wir sprechen gern mit dem Waldbauernverband, ich fürchte aber, dass die Unterzeichner des Waldpaktes nicht gänzlich von ihren Forderungen abrücken werden. Wir stehen vor einem Wandel, zu dem erfahrungsgemäß viele nicht in den erforderlich kurzen Zeiträumen bereit sind.