Hagen. Attacken in den sozialen Medien lähmen die Meinungsfreiheit. Politiker fordern angesichts der Hetze im Netz ein Eintreten gegen Extremismus.

Gegen Hass und Hetze gegenüber politisch aktiven Menschen formiert sich breiter Widerstand. Kommunalpolitiker rufen angesichts von Morddrohungen Bürgerinnen und Bürger zu einem entschiedenen Eintreten gegen Extremismus auf. Staatsschützer sprechen von einem „massiven Anstieg von politisch motivierter Bedrohung, Beleidigungen und und Volksverhetzung“ seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2016/17.

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„Diesen Hass zu ächten, ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft und der Politik“, sagt der stellvertretende Leiter des polizeilichen Staatsschutzes in Hagen, Uwe Böhm, und ergänzt: „Die Polizei ist für die Verfolgung dieser politisch motivierten Straftaten zuständig.“ Politische Drohungen und Beleidigungen seien keine Kavaliersdelikte. Wichtig sei, dass die Polizei davon Kenntnis bekomme, „dass die Opfer nicht resignieren, sondern entschlossen Anzeige erstatten“. Hass-Postings haben laut Böhm das Ziel, andere einzuschüchtern.

Studie: Hass im Netz schüchtert viele Nutzer ein

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Diese These wird durch eine aktuelle Umfrage unter 7300 Menschen durch das Meinungsforschungsinstitut YouGov untermauert. 47 Prozent der befragten Menschen in Deutschland beteiligen sich demnach wegen Hassreden seltener an Diskussionen im Internet, wie aus einer in Berlin vorgestellten Untersuchung der Kampagnen-Plattform Campact und des Instituts für Demokratie (IDZ) hervorgeht. Demnach bekennen sich 54 Prozent der Menschen in Deutschland deshalb seltener zu ihrer Meinung.

„Vielfalt und demokratische Kultur stehen im Fadenkreuz“

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„Wenn Menschen sich aus Diskussionen zurückziehen, verschiebt das gefühlte Mehrheiten“, sagte Damian Ludewig von Campact. So würden Hassbotschaften die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Realität verschieben und den Nährboden für Gewalt außerhalb des Internets bereiten. 72 Prozent der Befragten sorgten sich, dass die Gewalt im Alltag durch Hass zunimmt. Von Hassrede betroffen seien häufig Politiker, Geflüchtete, politisch Andersdenkende, Menschen mit Migrationshintergrund sowie Muslime. „Vielfalt und demokratische Kultur stehen im Fadenkreuz“, sagte Matthias Quent, Direktor des Instituts für Demokratie. Etwa jeder Zwölfte sei schon selbst online angegriffen worden, bei 18- bis 24-Jährigen sogar etwa jeder Sechste. 40 Prozent der Befragten haben zudem schon Hass im Internet wahrgenommen; bei jungen Menschen liege der Anteil bei 73 Prozent. 66 Prozent der Befragten gaben an, selbst schon negative Auswirkungen von Hassrede erlebt zu haben.

Im Gespräch mit dieser Zeitung berichten eine Reihe von Lokalpolitikern, wie sie mit anonymen Anfeindung per E-Mail, Telefon oder in den sozialen Medien umgehen. In Letzteren wird eine „absolute Enthemmung des Tones“ konstatiert. Andreas Mokros, Psychologie-Professor an der Fernuni Hagen, spricht von einer Art „Heckenschützensituation“: „Das heißt, ich kann losballern, muss aber nicht Sorge haben, selbst angegriffen zu werden.“