Hagen. . Das Hagener Osthaus-Museum zeigt die Foto-Ausstellung „Die andere Sicht“. Junge Fotografen erkunden den Strukturwandel in der Region

Zwischen Hagen und Siegen, Arnsberg und Olpe liegt ein Paradies für Fotografen. Spektakuläre Natur und aufsehenerregende Baukunst bedienen viele Sehnsüchte am Objektiv.

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In künstlerischer Hinsicht ist Südwestfalen sogar eine Pionier-Landschaft der Fotografie. Denn das Siegener Künstler-Ehepaar Bernd und Hilla Becher hat mit seinen Aufnahmen von Fachwerkhäusern und Industriebauten eine neue internationale Foto-Ästhetik begründet. Wenn also zehn junge Studierende mit ihrer Kamera die Region erkunden, müssen sie sich an großen Vorbildern messen lassen. „Die andere Sicht“ ist ein Fotografie-Projekt unserer Zeitung. Die Ergebnisse des Experimentes sind ab dem 9. März erstmals in einer Ausstellung zu sehen: mit rund 80 Arbeiten im Osthaus-Museum in Hagen. Die öffentliche Vernissage beginnt am Freitag um 17.30 Uhr. Die einleitenden Worte spricht Regierungspräsident Hans-Josef Vogel.

Veränderung als Herausforderung

Dass eine Tageszeitung ein Kulturprojekt ins Leben ruft, ist nicht alltäglich und hat über die Kunst hinaus ein besonderes Ziel. Es geht um die Region von morgen.

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„Die Frage nach der Zukunft ihrer Region berührt die Menschen tief im Inneren. Denn dabei geht es um den Kern – um die Veränderung. Die fällt niemandem leicht“, analysiert WP-Chefredakteur Dr. Jost Lübben. „Die Westfalenpost empfindet es als ihr journalistisches Selbstverständnis, diese Veränderung für Südwestfalen zu begleiten, Fragen aufzuwerfen, Debatten anzuregen und zu moderieren“, so Lübben weiter. Dabei geht es in erster Linie darum, was passieren muss, damit die Generation der unter 30-Jährigen in ihrer Heimat eine Zukunft sieht. Die Ausstellung „Die andere Sicht“ liefert keine Antworten darauf, wohl aber eine Bestandsaufnahme als Einladung zur Diskussion.

Vor zwei Jahren hat der renommierte Fotograf Peter Bialobrzeski mit zehn Studierenden von der Hochschule der Künste in Bremen auf Einladung unserer Zeitung die Region fotografisch vermessen. Bialobrzeski hat bereits zweimal den World Press Award für Fotografie gewonnen, er ist ein Fachmann für den Wandel, für Veränderungen. Den untersucht er im Libanon, in Indien, in der Schweiz und nun auch in Südwestfalen.

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Ziel des Experimentes war die fotografische Spurensuche in einer Region, die einerseits wirtschaftlich prosperiert wie kaum eine andere in Deutschland und doch andererseits mit Abwanderung und Landflucht zu kämpfen hat. Mit dem Blick von Außen und mit jungen Augen sollten die Fotografen untersuchen, wie sich Zuhause und Internationalität, Natur und Industrie, Veränderungswillen und Beharrungsvermögen in Südwestfalen ausprägen. Das Kunstprojekt leistet damit einen Beitrag zur Debatte über einen modernen Heimatbegriff. Die Ausstellung im Osthaus-Museum macht die Fotografien nun erstmals in einem großen Rahmen öffentlich zugänglich.

Als Marvin Systermans nach Arnsberg kam, hätte er nie gedacht, dass er sich ausgerechnet in Kegelbahnen verliebt. Er wollte Versammlungsstätten fotografieren, so der Plan, Schützenhallen, Vereinsheime, das Rathaus. „Diese Kegelbahnen wurden mir immer wieder gezeigt, wenn ich Gaststätten besuchte und mit den Wirten über die Orte sprach, an denen Menschen zusammen kommen. Da entstand dann irgendwie eine Serie in der Serie.“ Marvin Systermans hat es mit „Glaube, Sitte, Heimat“ inzwischen auf die Shortlist des Sony World Photography Awards geschafft.

Peter Bialobrzeski (55) fotografiert Hagen für #MehralsnurWP

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    Über 200 Brücken

    Über 200 Brücken gibt es in Hagen, rund 30 davon sind kaputt. Ricardo Nunes hat sie fotografiert als Zeugen des früheren Glaubens an den Beton, als Symbole des Strukturwandels in einer Industriestadt. „Mir ging es nicht darum zu zeigen: Das ist Hagen, sondern ein Hagen zu zeigen, das so bald nicht mehr sein wird.“

    Sabine Lewandowski hat in Hagen den Drei-Türme-Weg erkundet und dabei überrascht festgestellt, wie grün eine Industriestadt sein kann. Industriegeschichte prägt jedoch nicht nur die Großstädte, sie ist auch auf dem Land präsent, das war eine neue Erfahrung für die Fotografen. Wenn die Hüttenwerke gehen, kommt mit etwas Glück die Dienstleistung, wie Christina Stohn am Beispiel der Fernuniversität Hagen erforscht.

    Industrie prägt Natur

    Christina Rabe hat Jugendliche in der Region Arnsberg/Sundern porträtiert, die zwischen Tradition und Zukunft stehen und somit ein sensibler Indikator für den Strukturwandel sind. Stefanie Preuin hat die Stauseen zum Thema gemacht und entdeckt, dass Wasser mehr als Postkarten-Motive bereit hält, dass die Stauseen eine künstlich geschaffene Landschaft hervorbringen, Lebensadern, Sehnsuchtsorte und touristische Magnete zugleich.

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    Wie das Wasser neue Landschaften bildet, hat Avani Tanya in Neu-Listernohl recherchiert, dem Ort, der erst als Folge des Baus der Biggetalsperre entstanden ist. Aleksandra Weber ist zwischen Repetal und Olpe auf Spurensuche gegangen und hat junge Menschen kennengelernt, die sich mit ihrer Heimat identifizieren. Yoshiko Jentczak hat hinter dem Klischee von der grauen Stadt Siegen vielschichtige und heimatverbundene Bürger getroffen. Und Laura Achenbach ist auf den Spuren des Siegerländer Bergbaus tief in die Geschichte und unter Tage gewandert.

    In diesem Spannungsfeld zwischen Tradition und Fortschritt, Gehen und Bleiben, Wandel und Beständigkeit stellen die Fotografien Bestandsaufnahmen vor, die berühren, aber auch verstören. Ihr Ziel ist es, einen Diskussionsprozess anzuregen.