Meschede/Arnsberg. Im Rahmen desProjektes #mehralsnurwp ist die Fotografin Stefanie Preuin besonders vom Hennesee beeindruckt. Warum, verrät sie im Interview.

Zehn Studierende der Bremer Hochschule für Künste suchten im Rahmen unseres Zeitungsprojekts #mehralsnurwp unter Leitung vom renommierten Professor Peter Bialobrzeski mit ihren Kameras im Herbst vergangenen Jahres neue Perspektiven auf das Sauerland. Stefanie Preuin (28) suchte ihre Motive an Talsperren, Flüssen und Seen. Geboren ist sie in Georgsmarienhütte bei Osnabrück, nach dem Abitur studierte sie bereits Fotojournalismus und Dokumentarfotografie in Hannover. Besonders fasziniert war sie vom Hennesee, der in ihrer bald in Ausstellungen in der Region vorgestellten Fotoserie eine besondere Rolle spielen wird.

Geborgenheit und Harmonie

Sie haben sich im Sauerland um die Flüsse und Talsperren gekümmert: Was hat Sie zu diesem Thema inspiriert?

Stefanie Preuin: Vor jedem meiner Projekte steht eine intensive Recherche zum Thema, in diesem Fall habe ich mich erst einmal über die Region erkundigt. Schnell fand ich heraus, dass das Wasser einen hohen Stellenwert im Sauerland hat. Die Relevanz des Themas war also gegeben, zudem spielte mir das Thema Talsperren, beziehungsweise Wasser in die Karten. Vor der Fahrt ins Sauerland hatte ich meine Masterarbeit abgeschlossen, sie beschäftigte sich mit der Wirkung des Meeres auf den Menschen und den daraus entstehenden Seelandschaften.

Welches Verhältnis haben Sie ganz persönlich zu Wasser?

Preuin: Seit meiner Kindheit fahre ich regelmäßig ans Meer, fühle mich an Flüssen und Seen besonders wohl und gehe auch gern schwimmen. Die Ambivalenz von Wasser hat mich schon immer fasziniert. Wasser bedeutet für mich Geborgenheit und Harmonie, aber auch Notwendigkeit für Leben, erschreckende Kraft und das Gefühl, machtlos gegen diese Massen zu sein.

Stefanie Preuin in einem Saal des Arnsberger Rathauses, hier mit Marvin Systermans.
Stefanie Preuin in einem Saal des Arnsberger Rathauses, hier mit Marvin Systermans. © Matthias Graben

Im Vorfeld hatten Sie erklärt, nicht in die Postkartenidylle abzudriften? Ist Ihnen das gelungen?

Preuin: Sattes Grün der Bäume, Sonnenschein und der blaue See — so würde ich mir eine Postkarte vom Erholungsgebiet Stausee vorstellen und so habe sie tatsächlich in einigen Läden entdeckt. Die Aussage der Fotoserie hätte diese Bilder aber nicht unterstützt. Ich wollte meinen Eindruck von den Seen, einen Zustand zwischen Vergnügen und Notwendigkeit, unvorstellbare Wassermassen, die künstlich gestaut werden, aber auch Naturerlebnis in die Fotoarbeit fassen.

Ein besonderes Naturerlebnis

Während Ihrer Projektzeit im Sauerland war das Wetter nicht unbedingt so, wie es sein muss, damit es den Sauerländer normalerweise an die Gewässer zieht. War das für die Fotoreihe ein Problem?

Preuin: In der Projektzeit schien die Sonne an einem Tag. An diesem Tag habe ich zwar Fotos gemacht, davon wählte ich keines für die Serie aus — die Ansichten entsprachen eher dem Postkartenidyll. Ich verbinde das Sauerland mit dem nassen, vor allem nebligen Wetter, das vermutlich die Sauerländer in der kalten Jahreszeit ab und an melancholisch werden lässt. Mir gefiel die Leere, die Stille, das Wetter, das kratzt und beißt. Die Stauseen sind dann ein besonderes Naturerlebnis.

Haben Sie ein Gefühl dafür bekommen können, was die Flüsse und Seen den Menschen in der Region bedeuten?

Preuin: Die Flüsse sind Lebensadern, die Stauseen auch Sehnsuchtsorte und vor allem Naherholung. Die Gewässer machen die Region aus. Im Grunde sind viele Menschen davon abhängig, deswegen besteht wohl auch eine enge Verbindung.

„Die Region wird unterschätzt“

Viele Initiativen wollen die Gewässer touristisch für die Region nutzbar machen: Sehen Sie die Region da auf einem guten Weg oder wie haben Sie die Gewässer erlebt?

Preuin: Es gibt zahlreiche touristische Angebote an den Ufern, die gut angenommen werden. Auch wenn das Sauerland, besonders in meiner Generation, nicht besonders angesagt ist, glaube ich, dass die Region unterschätzt wird. Das Sauerland ist im Kommen.

Könnten Sie sich vorstellen, die Region und ihre Gewässer noch einmal als Tourist aufzusuchen oder gar hier zu leben?

Preuin: Ich bevorzuge das Meer, die Natur im Sauerland hat mich aber beeindruckt und ich könnte mir eine Wandertour gut vorstellen. Außerdem würde ich gerne den Menschen im Sauerland auf den Zahn fühlen — ein bisschen speziell sind sie schon. Da ich auf dem Dorf aufwuchs, bin ich momentan ganz froh in der Stadt zu wohnen.

Kontrast zum Alltag

Was soll Ihre Bilderserie am Ende ausdrücken?

Preuin: Die Fotoserie vereint die künstlich geschaffene Landschaft, die notwendig für die Region ist, mit der umwerfenden Natur, die wir wieder bewusst genießen möchten — als Kontrast zum modernen Alltag.

Welches war der spannendste Platz oder das interessanteste Ufer, das sie während der Projekttage besuchten? Warum? Welche Seen und Flüsse haben sie aufgesucht?

Preuin: Alle Stauseen haben mich durch ihre Größe und umliegende Natur fasziniert. Ich habe den Bigge-, Möhne-, Sorpe- und den Hennesee besucht. Der Hennesee bleibt mir besonders in Erinnerung, da der Wasserstand sehr niedrig war. Es stellte sich mir die Frage, was eigentlich passiert, wenn der Wasserstand dauerhaft niedrig wäre? Außerdem durfte ich in das Innere des Staudamms schauen. Eine beeindruckende Führung, die nochmals die Kraft des Wassers deutlich machte. Zudem wurde mir im Wasserwerk klar, wie wichtig die Trinkwasserversorgung durch die Seen ist.

Künstlich, aber dennoch wild

Was ist die Geschichte Ihres Lieblingsmotives aus der Serie?

Preuin: Als ich am Ufer des Hennesees entlang ging, entstand für mich ein kurioses Bild. Im See war wenig Wasser, der Bagger am Ufer erschien klein im Vergleich zu der Natur rundherum, niemand wollte Schiff fahren, schließlich wäre die Rundfahrt sehr kurz geworden. Es vereint die Aussage: zwischen Vergnügen und Notwendigkeit und einer künstlich geschaffenen Umgebung, die trotzdem wilde Natur zeigt.

Welche Erfahrungen aus dem Projekt im Sauerland nehmen Sie mit für Ihre kommenden Aufgaben? Und was steht als nächstes für Sie an?

Preuin: Ich wurde in meiner Ansicht bestätigt, dass gute Themen, interessante Projekte vor der Tür liegen. Deutschland hat viel zu bieten. Außerdem hat das Projekt gezeigt, dass die Zeitungsverlage mutig sein können und sollten — frischer Wind, ein Experiment ist immer ein Schritt vorwärts. In diesem Jahr beginne ich ein Volontariat in der Bildredaktion der Süddeutschen Zeitung.

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