Siegen. . Auch am vierten Verhandlungstag gegen zwei Siegener Jugendliche findet der Staatsanwalt keine Antwort zu den Beweggründen der Angeklagten.

Was hat zwei Siegener Jugendliche getrieben, im Mai 2017 Teile der Siegener Altstadt mit einer Serie von Brandstiftungen und damit einhergehender Panik unter der Bevölkerung zu überziehen? Er versuche, seit dem ersten Verhandlungstag eine Antwort zu finden, bislang aber ohne Erfolg, blickt Staatsanwalt Philipp Schleifenbaum am Donnerstag ein wenig hilflos in die Runde. Auch an diesem vierten Verhandlungstag findet er aber keine abschließende Antwort.

Opfer schildern ihre Erlebnisse

Deutlich wird einmal mehr, wie knapp das Duo (18 und 15) immer wieder an deutlich schwereren Straftaten vorbeigeschrammt ist – beziehungsweise die Betroffenen an schlimmeren Folgen. Einem der Geschädigten ist eine Gartenhütte abgebrannt, „mit Holz, Gerätschaften, Omas Ofen und den Kotflügeln von einem Oldtimer“. Außerdem seien Schläuche von Gas- und Sauerstoffflaschen darin gewesen.

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Nur gut, dass die Flaschen selbst nicht in der Hütte waren, sagt der Mann mit schwerem Atem und schüttelt abschließend den Kopf: „So eine richtig schnuckelige Hütte, mit einem Fenster drin“. Wer so etwas denn bloß anzünden könne. Eine Zeugin ist für ihre Mutter gekommen, die in einem Haus am Schleifmühlchen wohnt, das ebenfalls durch eines der Feuer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die alte Dame (87) hat den Brand verschlafen, könne also ohnehin keine Angaben machen.

Aber die Mutter habe sich schon Gedanken gemacht: Bei einem ernsthaften Brand wäre sie doch nie die Treppe heruntergekommen, erklärt die Tochter. In einer anderen Tatnacht hat ein Student ebenfalls fest geschlafen, wurde von seinen Nachbarn geweckt. Grundsätzlich habe er die Sache überstanden, „aber wenn einer im Haus einen Braten zu lange auf dem Ofen lässt – wenn ich das rieche, kommt sofort die Panik“

Autofahren durch Gucken von Serien „gelernt“

Der 18 Jahre alte Angeklagte sieht als Grund für seine Straftaten falsche Freunde, von denen er sich künftig fernhalten möchte. 2016 stahl er ein Auto und verursachte auf dem Weg zurück nach Siegen einen Unfall. Einen Führerschein habe er nicht gebraucht, es sei ja „ein Automatik“ gewesen, und er habe „in Serien gesehen“, wie das Fahren funktioniere.

Während der jüngere Angeklagte seinen Werdegang wieder ohne Öffentlichkeit erzählen kann, berichtet der 18-Jährige mit Publikum vom Aufwachsen mit einer überforderten Mutter, mit einem Stiefvater, der die Familie früh verließ und von dem er erst bei einer früheren Gerichtsverhandlung erfuhr, dass dieser gar nicht sein leiblicher Vater ist. Er sei Klassenclown gewesen und habe „viel Scheiße“ gebaut,so der junge Mann, der es durchaus richtig findet, dass seine Mutter ihn dafür streng bestrafte.

Antriebslosigkeit und Abhängen

Richterin Elfriede Dreisbach muss alles einzeln erfragen, mehr als vier oder fünf Worte kommen nicht als Antwort. Die wesentlichen Aspekte im Leben des Angeklagten waren Antriebslosigkeit, Abhängen, Straftaten. Für Gutachter Prof. Dr. Matthias Wildermuth leidet der Angeklagte an einer psychiatrischen Störung, die höchstwahrscheinlich schon auf eine Säuglingsdepression zurückgehe.

Nach einem Mangel an Aufmerksamkeit durch die überforderte Mutter habe der junge Mann nie eine wirkliche Sozialisation erfahren, habe vorwiegend Respekt vor Älteren und lebe nach den Regeln eines erwachsenen Kriminellen, mit der Seele eines Kleinkindes.

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Er habe schon vor vier Jahren Gelegenheit gehabt, den Angeklagten in der Klinik in Herborn zu untersuchen und sei schon damals zu den gleichen Schlüssen gekommen. Offenbar liege „eine chronifizierte, gelebte Depression“ vor. Wenn überhaupt eine Besserung möglich sei, müsse der Proband zuerst für längere Zeit in eine Einrichtung – sprich: Gefängnis – mit sehr strengen Regeln und Rahmenbedingungen.

In einem zweiten Schritt sei dann vielleicht irgendwann auch einmal an eine psychologische Behandlung zu denken. Aktuell sehe er dafür allerdings überhaupt keine Aussichten.

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