Lennestadt. . Marco Kühne riskiert auf der Freilichtbühne sein Leben und spielt bei Winnetou eine wichtige Rolle. Worauf es bei seinen großen Stunts ankommt.
- Der Stuntman Marco Kühne bereitet sich auf jeden Stunt ganz genau vor
- Besonders muss er aber darauf achten, dass die Abläufe nicht zur Routine werden
- Bei Winnetou I lässt er sich brennend fast 20 Meter in die Tiefe fallen
Noch 30 Sekunden. Marco Kühne versucht, langsam zu atmen, ruhig zu bleiben. Gleich wird er einen 13 Meter hohen Wasserfall hinabstürzen, und zwar in lodernde Flammen gehüllt. Der 41-Jährige brennt regelrecht für seinen Job. Er ist Stuntman beim Elspe-Festival in Lennestadt. In „Winnetou I“ doubelt er Schauspieler Alexander Hanfland als Schurken Santer, der ein böses Ende nimmt, weil er versucht, die Goldmine der Apachen auszurauben.
Kühne hat sich bereits einen Neoprenanzug angezogen, darüber eine Jogginghose und einen Joggingpullover. Dann greift der erfahrene Stuntman in einen Eimer mit durchsichtigem Inhalt, der an Wackelpudding erinnert. Wassergel nennt sich die Substanz, die kurzzeitig gegen kurze und direkte Flammenberührung schützt. Großzügig schmiert er sich am ganzen Körper damit ein. Das macht er auch mit seinem Cowboy-Kostüm, bevor er es anzieht. Jetzt folgt eine Gesichtsmaske, wie sie Formel-Eins-Fahrer tragen. Zum Schluss zieht er eine Jacke über, die in einer brennbaren Flüssigkeit getränkt wurde. Der Cowboyhut vervollständigt das Outfit.
Routine wird zur Lebensgefahr
„Ein Risiko ist immer da“, sagt Kühne. „Wir versuchen aber, es so gering wie nur irgendwie möglich zu halten. 100 Prozent Sicherheit gibt es in diesem Beruf nicht.“ Viele Faktoren spielen zusammen, damit der brennende Bösewicht sicher im vier Meter tiefen Wasserbecken unterhalb des Felsens aufkommt. Regelmäßiges Training ist wichtig, damit die einzelnen Abläufe in Fleisch und Blut übergehen. Jeder Handgriff muss perfekt sitzen, sei es für eine Kampf-Choreographie auf der Bühne oder einen Sprung aus luftiger Höhe. Ein Moment des Zögerns, und der Schlag trifft das Gesicht des Kollegen mit voller Härte, ein falscher Schritt, und die Matte könnte verfehlt werden.
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Der mentale Aspekt ist ebenfalls von großer Bedeutung. Bei den Stunts gilt es voll konzentriert zu sein, die Kommandos genau zu kennen ebenso wie den exakten zeitlichen Ablauf der Geschehnisse. Damit kann die Arbeit schnell zur Routine werden, und genau das ist die große Gefahr, wie Kühne am eigenen Leib erfahren hat. „Bei einem meiner Sprünge aus dreizehn Metern Höhe bin ich vor lauter Routine nicht richtig gesprungen und war beim Aufprall ins Wasserbecken unter mir nur noch einen Meter von der Felswand entfernt. Das war zu knapp.“ Daher passt der 41 Jährige enorm auf, damit die Bewegungen zwar verinnerlicht sind, aber nicht automatisch durchgeführt werden.
Fitness ist wichtig
Kühne gestikuliert auf dem Felsen wild. Die riesige Naturbühne verlangt eben große Gesten. Jetzt schwingt er beide Arme nach oben, und es knallt fürchterlich laut. Die Zuschauer springen auf vor Schreck, als vor und hinter dem Bösewicht Sprengladungen hochgehen. Sie verwandeln den Mann in einen Feuerball.
Ohne gute körperliche Verfassung funktioniert dieser Beruf nicht. „Ich mache vor allem Kampfsport wie Judo, weil die Rollen auch in der Stuntarbeit zum Einsatz kommen“, erläutert Kühne. „Daneben reite ich viel und laufe hier den ganzen Tag hin und her. Das hält fit.“
Der Job belastet den Körper stark
Vor der Vorstellung liegt der beißende Geruch von Feuer und Schießpulver in der Luft, laute Rockmusik füllt die nahezu dunkle Festival-Halle auf dem Gelände. Marco Kühnes Stirn ist schweißgebadet, die Haare und der Vollbart sind nass. Er ist außer Atem und greift in seine Gesäßtasche, um eine Flasche herauszuholen. Er trinkt zügig. Auf den ersten Blick wirkt es, als wäre er einen Marathon gelaufen, aber stattdessen hat er sich mehrfach geprügelt und vor wenigen Minuten noch auf einen Mann geschossen. Kühne ist daran gewöhnt, fast jeden Tag erwartet ihn dieses Programm. Das Publikum liebt die Stuntshows, welche die Vorstellungen auf der Naturbühne flankieren. Seit 15 Jahren ist Kühne Stuntman beim Elspe-Festival.
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Ohne Teamarbeit wären die gefährlichen Einsätze nicht zu bewältigen. Jederzeit stehen Helfer bereit, falls etwas passieren sollte. So auch beim großen Finale von „Winnetou I“, wenn die Goldmine explodiert und den Schurken Santer alias Marco Kühne ins Verderben reißt. Das Publikum merkt nicht, dass er mit Alexander Hanfland die Rollen getauscht hat.
Ohne Teamarbeit geht es nicht
Mit den Armen wedelnd und laut schreiend stürzt Kühne den Wasserfall hinab. 13 lange Meter. Die Zuschauer sind begeistert, klatschen lautstark. Der Stuntman bekommt davon zunächst nichts mit. Er befindet sich unter Wasser. Das vier Meter tiefe Becken fängt seinen Sturz auf. Kühne stößt sich vom Boden ab und taucht heimlich wieder auf. „Ich liebe meinen Beruf“, sagt er. „Ich stehe da oben und denke mir: Jetzt will ich brennen. Wenn etwas schief gehen sollte, bin ich ja in einer Sekunde im Wasser.“
Zwei Kollegen stehen in jeder Vorstellung auf dem Wasserfall bereit, um im Notfall zu löschen. Das war bisher nie nötig. Prellungen und leichte Verbrennungen waren die einzigen Verletzungen, die er sich je zugezogen hat. Kühne ist stolz auf seine Arbeit: „Alle Stunts mit Feuer sind geil, und es ist ein Traum, in Elspe die Stunts machen zu können. Hier kann ich mich verwirklichen.“
Winnetou-Darsteller seit 1958