Bottrop. Bei den Klöseners bedeutete Weihnachten lange vor allem eins: Druck. Warum die Feiertage für die Patchworkfamilie herausfordernd sind.
Das flaue Gefühl im Magen kommt jedes Jahr vor Weihnachten. Wie wird die Stimmung werden? Sind die Feiertage gerecht aufgeteilt? Werden sich die „Bonuskinder“ über ihre Geschenke freuen? Fragen, die Jessica Klösener jeden Dezember aufs Neue beschäftigen. Seit etwa acht Jahren lebt die Bottroperin mit ihrer Tochter Luisa (13), ihrem Mann Pascal (43) und dessen beiden Söhnen in einer Patchworkfamilie. „Gerade am Anfang war das eine große Herausforderung, vor allem die Weihnachtstage haben mich viel Energie gekostet“, sagt die 42-Jährige. Heute ist vieles leichter. Doch der Weg dahin war schwer.
Es sind nur noch ein paar Tage bis Weihnachten, die Familie befestigt eine lange Lichterkette über der Treppe im Flur, stellt leuchtende Sterne auf, zündet Kerzen an. Ein Familien-Ritual, das sich bei den Klöseners über die Jahre etabliert hat. „Damit wollten wir alte Gewohnheiten aus den ursprünglichen Kernfamilien aufbrechen und neue Traditionen in der Patchworkfamilie entwickeln“, sagt Pascal Klösener. „Gewohnheiten geben den Kindern Sicherheit, wenn in der Familie alles neu ist.“
Patchworkfamilie: Paartherapie schon nach drei Monaten Beziehung
Als sich das Paar vor acht Jahren kennenlernte, war Jessicas Tochter Luisa fünf und Pascals Söhne sieben und neun Jahre alt. „Ich habe mir immer einen neuen Partner mit Kindern gewünscht“, sagt Jessica Klösener. Welche Konflikte und Herausforderungen das mit sich bringt, sei ihr damals nicht bewusst gewesen. Schon nach drei Monaten Beziehung machten die beiden eine Paartherapie. Denn gerade in der Kennenlernphase sei es mit Kindern nicht immer einfach, schließlich wolle man sich ja zuerst einmal als Paar kennenlernen. Beide Eltern hatten zuvor mit ihren Kindern unterschiedliche Routinen, ein gemeinsamer Rhythmus fehlte.
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Für Jessica Klösener war es kurz nach der Trennung von ihrem Ex-Mann ungewohnt, ihre kleine Tochter alle 14 Tage an den Vater abzugeben. „Ich wusste zuerst gar nicht, was ich an den Wochenenden mit meiner Zeit anfangen soll.“ Bei Pascal Klösener war es umgekehrt: Seine Söhne leben hauptsächlich bei ihrer Mutter, für ihn war es schwierig, sich nach einem Papa-Wochenende Sonntagsabends wieder von ihnen zu verabschieden.
Vor allem bei der Weihnachtplanung stand die Familie jedes Jahr vor der Herausforderung, den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht zu werden. Mittlerweile verbringen die Kinder Heiligabend jedes Jahr im Wechsel bei ihren Eltern. „Auch da ist es nicht leicht, auf meine Tochter zu verzichten. Ich finde es aber ganz wichtig, gerecht aufzuteilen, weil natürlich auch der Papa ein Recht auf sein Kind hat“, betont Jessica Klösener.
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Ihr Mann ergänzt: „Sonst fühlt man sich als Vater schnell außen vor. Denn auch Väter können es den Kindern richtig schön machen. Ich finde es schade, dass in der Gesellschaft oft noch die veraltete Denkweise herrscht, dass der Mutter der 24. Dezember gehört.“
Patchwork-Vater: „Ich wünsche mir nichts mehr, als Harmonie unterm Weihnachtsbaum“
Vielleicht kommt daher auch sein Druck, es an Heiligabend allen recht machen zu wollen. „Gerade in der Patchworkkonstellation spüre ich eine große Verantwortung, meiner Familie ein gutes Weihnachten zu bescheren“, sagt Pascal Klösener. Zumal hinter dem Fest der Liebe immer eine besondere Erwartungshaltung stehe. „Ich wünsche mir nichts mehr als Harmonie unterm Weihnachtsbaum.“
Das sei vor allem für die Kinder wichtig. Schon häufiger hatte die Familie das Gefühl, dass die Kinder „zwischen den Stühlen“ stehen. Denn auch sie wollen es beiden Elternteilen recht machen. „Man darf ihnen nicht das Gefühl geben, in einen Loyalitätskonflikt zu kommen“, findet Jessica Klösener. Deshalb versuchen sie und ihr Mann ihren Kindern zu vermitteln, dass sie sich freuen, wenn sie bei den Ex-Partnern eine gute Zeit haben, schauen sich gemeinsam Fotos an. Auch versucht das Paar, die Geschenken ihrer Ex-Partner nicht zu übertrumpfen, „auch das wäre keine schöne Situation für die Kinder.“
Patchworkfamilien: „Gesunde Grenzen setzen und klare Regelnaufstellen“
Mittlerweile sind alle in die Situation hineingewachsen, haben ihren Platz in der Familie gefunden. Bei ihrer Weihnachtsplanung haben die Klöseners gelernt, „gesunde Grenzen“ zu setzen und klare Regeln aufzustellen.
Während des Schmückens stellt sich bei allen Vorfreude ein, auf ein nettes Beisammensitzen und auf Pute mit Rotkohl und Klößen, die Pascal Klösener für die Familie zaubern wird. „Denn egal, wie stressig es manchmal ist“, sagt Jessica Klösener, „Patchworkfamilie hat viele Ressourcen und wenn man sie bündelt und richtig einsetzt, kann daraus viel Gutes entstehen.“
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