Ruhrgebiet. Fußgänger erdulden viel im Straßenverkehr. Wolfgang Packmohr vertritt ihre Interessen. Was er an Autofahrern kritisiert - und nicht nur an ihnen.

Schon als Leitender Polizeidirektor in Essen ist Wolfgang Packmohr zuständig gewesen für Verkehr. Gelernt ist gelernt: Nach der Pensionierung hat er den Ortsverband von „Fuss e.V.“ gegründet und vertritt nun die Interessen all derer, die laufen. Die sind bisher sehr still. „Wenn Sie einem Autofahrer den Parkplatz nehmen, schreit er sofort auf“, sagt Packmohr: „Wenn Sie einem Fußgänger den Weg zustellen, geht er drumrum. Er weiß aber auch: Wenn er sich beschwert, hat das keine Folgen.“ Das soll sich ändern.

„Wir erleben die Anarchie des Autos. Es ist allgegenwärtig und begeht Flächendiebstahl, indem es die Gehwege zuparkt. Das sind Schutzzonen, die den Zufußgehenden weggenommen werden, vor allem den Schülern und Schülerinnen und den Älteren, die diesen Schutz brauchen. Und die Rollstuhlfahrer, Eltern mit Kinderwagen, Menschen mit Rollatoren kommen oft nicht mehr vorbei.“

„Man kann mit vielen Verkehrsteilnehmern nicht mehr vernünftig sprechen“

Fahrradfahren in der Fußgängerzone ist ein Reizthema. Manche Städte erlauben es, manche Städte verbieten es.
Fahrradfahren in der Fußgängerzone ist ein Reizthema. Manche Städte erlauben es, manche Städte verbieten es. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

„Wir haben viel zu wenige Zebrastreifen. Und viele Autofahrende haben nach der Fahrschule vergessen, dass sie als Abbieger die Zufußgehenden vor lassen müssen, die die Straße überqueren wollen. Der Linksabbieger sieht den Verkehr, der ihm entgegenkommt, und nicht die querenden Fußgänger. Und wenn er dann abbiegt, sieht er schon das nächste Auto kommen und entscheidet sich gegen die Fußgänger.“

„Manchmal spreche ich Fahrer an. Da parkt einer direkt in einer Fußgängerfurt. Als ich ihm gesagt habe, dass er zehn Meter weiter parken kann, hat er gesagt: ,Das geht Sie einen Scheißdreck an.’ Man kann mit vielen Verkehrsteilnehmern nicht mehr vernünftig sprechen. Rücksichtnahme findet kaum noch statt.“

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„Wo Radfahrende auf Gehwegen oder kombinierten Wegen fahren, sind sie für Zufußgehenden häufig eine Bedrohung. Sie haben Angst wegen der Differenzgeschwindigkeit von vier, fünf Stundenkilometern im Vergleich zu 25. Radfahrende erwarten, dass ein überholendes Auto 1,50 Meter Abstand hält, aber wenn sie selbst Fußgänger überholen, passt oft die Montagsausgabe der Zeitung nicht mehr dazwischen.“

„Unfälle, wo Fahrräder Zufußgehende direkt vor deren Haustür erfasst haben“

„Sie sollen nicht auf Gehwegen fahren. Fußgänger wollen sie runterhaben. Viele Gehwege für sie freizugeben, ist ein Fehler: Für die Fußgänger werden sie zur Bedrohung, und für die Radfahrenden ist es sinnlos, da sie eigentlich Schrittgeschwindigkeit fahren müssten.“

„Wir haben schwere Unfälle gesehen, wo Fahrräder Zufußgehende direkt vor deren Haustür erfasst haben. In Berlin sind jetzt 16 Prozent der Unfälle von Fußgängern Unfälle mit Fahrrädern. Das waren mal sieben Prozent. Und dazu kommt eine hohe Dunkelziffer. Ich stelle bei vielen Zufußgehenden einen wachsenden Hass gegen Radfahrende fest. Das ist nicht gut.“

„Dann darüber nachdenken, ob überall geparkt werden muss“

Fußgänger fordern mehr Zebrastreifen. Denn Autofahrer halten vor ihnen. Ihre Wirkung sei fast so groß wie bei einer roten Ampel, sagt Wolfgang Packmohr.
Fußgänger fordern mehr Zebrastreifen. Denn Autofahrer halten vor ihnen. Ihre Wirkung sei fast so groß wie bei einer roten Ampel, sagt Wolfgang Packmohr. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

„Die Lösung wären eigene Verkehrswege für alle. Da unterstützen wir ja auch die Radfahrer. Man kann an vielen Straßen überdenken, vorhandene Querschnitte neu aufzuteilen. Dann darüber nachdenken, ob überall geparkt werden muss. Der Einzelhandel profitiert doch davon, wenn man langsam unterwegs ist, weil man dann die Auslagen und Angebote wahrnimmt. Und die Autos stehen in Quartierparkhäusern.“

„Es ist ruppiger geworden. Die Gesellschaft bewegt sich insgesamt auseinander. Man muss gucken, dass man ein Miteinander findet. Nicht jeder kann alles haben, deshalb muss man Kompromisse finden.“

„Ältere Leute sagen oft, sie möchten mobil bleiben, aber sie meinen eigentlich: Sie möchten weiter Auto fahren. Dabei sind Radfahren und Laufen auch Mobilität. Selbst in den Jahren zwischen Jung und Alt ist das Gehen zumindest der Zubringerverkehr zu Bus- und Bahnhaltestellen, dem Fahrradkeller oder der Garage.“