Berlin. Vor 47 Jahren wurde in Schweinfurt eine Studentin getötet. Jetzt steht ein 70-Jähriger vor Gericht. Neue DNA-Beweise belasten ihn.
Ein fast ein halbes Jahrhundert ungelöster Todesfall beschäftigt ab Montag das Landgericht Schweinfurt. Ein 70-jähriger ehemaliger US-Soldat steht vor Gericht, weil er 1978 eine 18-jährige Studentin in Bayern getötet haben soll. Neue DNA-Beweise und hartnäckige Ermittlungen haben den Fall neu aufgerollt – und den Angeklagten aus den USA zurück nach Deutschland geholt.
Tatort Kolitzheim: Ein grausiger Fund
Im April 1978 machten zwei Männer auf einer Anhöhe bei Kolitzheim im Landkreis Schweinfurt einen grausigen Fund: die Leiche einer jungen Frau, brutal getötet mit 14 Messerstichen in Rücken und Hals. Ihre grüne Wollstrickjacke war an mehreren Stellen durchlöchert – ein Bild des Grauens.
Der Verdacht fiel schnell auf die US-Streitkräfte. Eine Zeugin hatte in der Nähe des Tatorts einen Fiat 124 mit grünem US-Kennzeichen gesehen, doch trotz intensiver Ermittlungen blieben die Spuren vage – und der Fall verschwand für Jahrzehnte in den Akten ungelöster Verbrechen.
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Eine tödliche Affäre?
Erst 1996 nahm die Polizei die Ermittlungen im Mordfall Kolitzheim wieder auf. In Verdacht geriet ein ehemaliger GI, der zur Tatzeit in Schweinfurt stationiert war und laut Staatsanwaltschaft eine heimliche Affäre mit der Studentin hatte. Der damals 24-Jährige soll ausgerastet sein, als die junge Frau ihm von ihrer Schwangerschaft erzählte, und damit gedroht habe, seine Ehefrau zu informieren. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, die Studentin mit einem Bajonettmesser angegriffen zu haben, um sein Doppelleben zu schützen.
Obwohl der Verdächtige die Tat stets bestritt, soll er später in den USA gegenüber seiner Ehefrau ein Geständnis abgelegt haben. Mangels stichhaltiger Beweise blieben die Ermittlungen jedoch jahrelang in einer Sackgasse stecken.
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DNA-Spuren nach 47 Jahren: Der entscheidende Durchbruch
Erst die Fortschritte der modernen Kriminaltechnik brachten die Wende im Fall. Experten des Landeskriminalamtes (LKA) gelang es, entscheidende DNA-Spuren an der Kleidung des Opfers zu isolieren. Spermaspuren, die dank neuer Analysemethoden eindeutig dem Angeklagten zugeordnet werden konnten, belasteten ihn schwer. Zudem wurden in seinem Fahrzeug weitere Spuren gefunden, die die Verbindung zum Tatort untermauerten.
Doch nicht nur die DNA gibt der Anklage neuen Auftrieb: Drei Zeugen, darunter die Männer, die 1978 die Leiche gefunden hatten, und eine weitere Zeugin, die damals ein Fahrzeug mit grünem US-Kennzeichen am Tatort gesehen hatte, sind vor Gericht geladen. Ihre Aussagen sollen helfen, Lücken zu schließen und das Bild des Verbrechens zu vervollständigen.
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Gerichtsverfahren mit offenem Ausgang
Im Juni 2023 schloss sich die Schlinge um den 70-jährigen Tatverdächtigen: Nach seiner Festnahme in Nebraska wurde der ehemalige GI aufgrund eines internationalen Haftbefehls nach Deutschland ausgeliefert. Nun sitzt er in Untersuchungshaft und muss sich vor dem Landgericht Schweinfurt wegen Mordes verantworten – dem einzigen Verbrechen, das nach fast fünf Jahrzehnten nicht verjährt ist.
Der Prozess, für den sechs Verhandlungstage angesetzt sind, wird für die Kammer zur Herausforderung. Denn trotz erdrückender DNA-Beweise und Zeugenaussagen bleibt die Beweisführung nach so vielen Jahren ein Drahtseilakt. Kann die Tötungsabsicht nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, droht ein Freispruch – schließlich sind alle anderen möglichen Delikte wie Totschlag oder Körperverletzung längst verjährt.
Lässt sich die Tötungsabsicht jedoch nachweisen, könnte der Fall doch noch ein gerichtliches Ende finden. Für die Angehörigen des Opfers wäre dies ein längst überfälliger Akt der Gerechtigkeit in einem Fall, der Deutschland seit Jahrzehnten beschäftigt.
(ew/dpa)