Essen. Jährlich enden in Deutschland rund 200.000 Ehen wegen Untreue. Welche Folgen hat dies für Betroffene? Zwei Anwältinnen klären auf.
Treue gehört zu den wichtigsten Themen in einer Beziehung: Schließlich kann Untreue das Vertrauen zerstören und das Aus der Partnerschaft bedeuten. Geht ein Partner in der Ehe fremd, kann es möglicherweise sogar zu rechtlichen Folgen führen. Zwei Rechtsexpertinnen verraten, wie sich Paare rechtlich absichern können und erklären die aktuelle Rechtslage.
Beziehung und Ehe: Wo beginnt Untreue? Definitionen gehen auseinander
Was als Fremdgehen gilt, wird von Paar zu Paar unterschiedlich interpretiert, sagt Dr. Elisabeth Unger, Fachanwältin für Familienrecht und Scheidungsanwältin. Für manche könne bereits ein Kuss Untreue bedeuten, für die anderen sei es erst der Geschlechtsakt. Auch die Kultur spielt eine wichtige Rolle.
Doch wann liegt Ehebruch eindeutig vor? Unger erklärt: „Wenn man die Ehe als Vertrag zwischen zwei Menschen sieht, könnte man Ehebruch auch als Vertragsbruch bezeichnen.“ Wer eine Beziehung zu einer dritten Person eingeht, ohne vom Ehepartner oder der Ehepartnerin eine Zustimmung bekommen zu haben, der begeht in der Regel einen Ehebruch, so die Expertin.
Rechtsanwältin über Untreue: Seitensprünge bleiben meistens unbestraft
Sandra Günther, Rechtsanwältin für Familien- und Strafrecht, erklärt, dass ein Seitensprung in Deutschland sowie in vielen anderen Ländern meistens unbestraft bleibt. Seit 1977 gelte das Zerrüttungsprinzip – eine Ehe gilt erst dann als gebrochen, wenn Partner mindestens seit einem Jahr nicht mehr zusammenleben, so die Rechtsanwältin. „Das Familiengericht fragt nicht mehr nach dem ‚Warum‘ der Scheidung, sondern nur noch nach dem ‚Ob‘“, so Günther.
Der Gesetzgeber ginge heutzutage davon aus, dass Ehen meistens an mehreren Punkten scheitern können und nicht nur ein Partner die Schuld daran trägt. Die Frage, wer an dem Ehebruch schuldig ist, sei nicht mehr relevant. Die Rechtsanwältin erklärt sich das durch den Wandel der gesellschaftlichen Normen. „Früher hatte das Verschulden eines Partners großen Einfluss auf die Unterhaltszahlungen und Ehebrecher wurden oft als ,schuldig geschieden‘ bezeichnet“, erzählt sie.
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Unterhalt nach Ehebruch? Anwältin klärt auf
Scheidungsanwältin Unger erklärt allerdings, dass sich Eheverfehlungen durchaus auf das Unterhaltsrecht auswirken können. Nach der Trennung besteht meistens bis zur rechtskräftigen Scheidung ein Anspruch auf Trennungsunterhalt. „Nach § 1361 BGB besteht ein Unterhaltsanspruch, wenn der bedürftige Ex-Partner finanziell unterstützt werden muss und der andere Partner leistungsfähig ist“, so die Scheidungsanwältin.
Laut Unger gibt es allerdings Ausnahmen: Der Unterhaltanspruch kann in manchen Fällen entweder zeitlich begrenzt oder komplett ausgeschlossen werden – Juristen sprechen dann von einer „Verwirkung“. Eine Verwirkung trete dann ein, wenn der Unterhaltsberechtigte mit einem neuen Partner oder neuer Partnerin in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebt. „Das gilt auch, wenn diese Lebensgemeinschaft verschwiegen wird“, sagt die Expertin. Sie betont jedoch: „Ein Ehebruch allein führt in der Praxis selten zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs.‘“ Das zeigte auch ein Fall des Oberlandesgerichts Hamm (Az. 13 UF 3/11), in dem eine Ehefrau in Abwesenheit ihres Mannes eine Affäre mit einem gemeinsamen Freund begann.
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Unterhaltsanspruch bei gemeinsamen Kindern: Die Rechtslage
Etwas anders kann die Situation aussehen, wenn Paare gemeinsame Kinder haben. Leben die Kinder bei einem Elternteil, so ist der andere Elternteil nach § 1601 ff. BGB verpflichtet, Kindesunterhalt zu zahlen. Die Rechtsanwältin Günther erklärt: „Der Ehegattenunterhalt orientiert sich an den Lebensverhältnissen während der Ehe und richtet sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen beider Ehegatten“. In welcher Höhe der Kindesunterhalt bezahlt werden muss, orientiert sich an der Düsseldorfer Tabelle. Sie enthält Richtwerte für den monatlichen Unterhaltsbedarf und teilt das Einkommen der Unterhaltspflichtigen in mehrere Einkommensgruppen ein.
Bei gemeinsamen Kindern könne Untreue erhebliche Auswirkungen auf den Kindesunterhalt haben, warnt Günther. Ist ein Ehepaar kinderlos, könne der Unterhaltsanspruch des untreuen Partners komplett wegfallen. Handelt es sich hingegen um einen Elternteil eines gemeinsamen Kindes, habe Untreue meistens kaum Einfluss auf den Unterhaltsanspruch, erklärt die Rechtsexpertin.
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Scheidungsexpertin: Darauf sollten Paare achten
Unger empfiehlt, sich vor einer Trennung rechtlich abzusichern – und bereits vor der Eheschließung einen Ehevertrag abzuschließen. „In einem Ehevertrag können bereits vor oder während der Ehe wesentliche Scheidungsfolgen geregelt werden, um Streitigkeiten im Falle einer Trennung zu vermeiden“, betont die Rechtsanwältin. Was Paare in ihrem Ehevertrag festlegen, können sie individuell entscheiden. Häufig werden darin Unterhalt, Aufteilung von Vermögen oder Versorgungsausgleich geregelt.
Haben Paare keinen Ehevertrag abgeschlossen, sollten sie wichtige Dokumente wie Geburts- und Heiratsurkunden gut aufbewahren – sie dienen der Dokumentation der Trennung und sind für den Scheidungsprozess von zentraler Bedeutung. Laut Günther ist es zudem ratsam, finanziell unabhängig zu bleiben. Bei Gemeinschaftskonten sollten Paare bedenken, dass sie nach der Trennung immer noch Zugriff darauf haben. Bei Fragen zu Leistungsansprüchen können sich Betroffene an Jobcenter wenden oder sich von einem Fachanwalt für Familienrecht beraten lassen.