Berlin. Die Betroffenen von Gürtelrose leiden oft an schmerzhaften Hautveränderungen. Eine Heilung gibt es bereits – eingesetzt wird sie aber kaum.
Jeder Mensch trägt sie in sich, doch nicht bei jedem brechen sie auch aus: die Herpes-Viren. Besonders belastend für die Betroffenen sind unschöne, pickelähnliches Auswüchse an den Lippen, die nur durch entsprechende Behandlung wieder verschwinden. Besonders gefährlich kann das sogenannte Herpes-Zoster-Virus werden, das bei Kindern vor allem als Windpocken bekannt ist. Zudem kann so auch eine Gürtelrose ausgelöst werden. Doch wie behandelt man die Herpes-Erkrankung dann am besten?
Um Fragen wie diese zu klären, hat die Funke Mediengruppe gemeinsam mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) das Projekt „Die Haut-Docs“ ins Leben gerufen. Hier verraten Top-Dermatologen die wichtigsten Erkenntnisse zu Krankheiten und Haut-Problemen wie Akne, Nesselsucht, Neurodermitis, Herpes und Pilzinfektionen. Auch Sie haben eine Frage zu einem der genannten Themen? Unsere Experten helfen gerne weiter! Schreiben Sie uns einfach eine Mail an haut-docs[at]funkemedien.de. Die Antworten werden gesichtet, gegebenenfalls ausgewählt und dann anonymisiert veröffentlicht.
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Gürtelrose: Experte erklärt Möglichkeiten zur Heilung
Im folgenden Beitrag erklärt Prof. Dr. Alexander Kreuter, Chefarzt für Dermatologie, Venerologie und Allergologie und ärztlicher Direktor der Helios Privatklinik Oberhausen, wie man dem Herpes bestmöglich vorbeugt und welche Medikamente in Zukunft wichtig werden könnten.
Wie entsteht Herpes Zoster?
Prof. Dr. Alexander Kreuter: Hinter Herpes Zoster steckt das Varizella-Zoster-Virus (VZV). Es verursacht zwei Erkrankungen: Zuerst die klassischen „Windpocken“, die typischerweise im Kindesalter auftreten, aber auch Erwachsende betreffen können. Bei der Reaktivierung des Virus kann eine Person, die Windpocken hatte, teilweise Jahre später von Gürtelrose befallen werden. Grund dafür ist die Abnahme der schützenden T-Zellen-Immunität mit zunehmendem Alter.
Herpes Zoster hat außerdem eine charakteristische Eigenschaft: Die VZV-Vieren verstecken sich im Körper entlang der Nerven. Bricht das Virus dann aus, treten an den entsprechenden Stellen Bläschen und Schmerzen auf. Am häufigsten ist der „Gürtelbereich“ betroffen, also der Beckenbereich. Daher stammt übrigens auch der Name Gürtelrose.
Alternativ tritt die Krankheit auch im Gesichtsbereich auf, typischerweise auf der Stirn. In selteneren Fällen können die Augen und die Ohren betroffen sein. Die Bläschen sind in der Regel schnell wieder weg, in einigen Fällen kann die Gürtelrose allerdings Nervenschäden und Lähmungen auslösen, die über Jahre anhalten.
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Wer ist besonders betroffen?
Kreuter: Besonders häufig erkranken immungeschwächte Menschen. Diese Schwächung kann zum Beispiel durch Medikamente, die das Immunsystem einschränken, oder auch Krankheiten wie HIV, Krebs oder Lungenerkrankungen ausgelöst werden. Am schlimmsten ist die Situation bei Patienten, die eine Stammzelltransplantation erhalten haben.
In der Regel betrifft Gürtelrose alte Menschen. Allerdings häufen sich die Fälle bei jungen Menschen derzeit, in den vergangenen zehn Jahren sind die Fallzahlen um 30 Prozent angestiegen. Ein gutes Beispiel dafür ist Popstar Justin Bieber, der eine Faszialparese (Gesichtslähmung) hatte. Er musste in der Folge Konzerte und Auftritte absagen. Daran sieht man, wie unangenehm eine Gürtelrose sein kann.
Gibt es eine Erklärung, warum immer mehr junge Menschen betroffen sind?
Kreuter: Ich persönlich sehe vor allem zwei Faktoren: Der erste ist das veränderte Freizeitverhalten. Wir reisen mehr und sind daher öfter in Gegenden, an denen die Sonneneinstrahlung besonders hoch ist. Der entsprechende Sonnenschutz wird aber nicht immer besonders ernst genommen. Das Problem dabei ist, dass die UV-Strahlung im Sonnenlicht die Herpes-Viren aktivieren kann. Man kennt das vom Lippen-Herpes nach dem Skifahren, dem sogenannten „Gletscherbrand“. Der andere Faktor ist schlichtweg Stress. Der hemmt das Immunsystem und begünstigt somit Herpeserkrankungen.
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Kann man der Gürtelrose in irgendeiner Form vorbeugen?
Kreuter: Der Medizin steht ein hochwirksamer Totimpfstoff zur Verfügung, der zweimalig gegeben werden muss und für alle Menschen ab 60 von der STIKO zugelassen ist. Die Wirkung hält nach der Impfung für mindestens zehn Jahre an. Er kann jedoch auch verabreicht werden, wenn ein erhöhtes Infektionsrisiko absehbar ist, etwa bei HIV-Patienten.
Für jüngere Menschen gibt es derzeit noch keine Impfempfehlung der STIKO, da bisher keine entsprechenden Studien durchgeführt wurden und die Gürtelrose in der Regel ältere Menschen betrifft. Das dürfte aber in nicht allzu ferner Zukunft folgen.
Grundsätzlich ist es außerdem sinnvoll, das eigene Immunsystem zu stärken, wo es nur geht. Eine gesunde Ernährung und ein gesunder Lebensstil sind dabei von entscheidender Bedeutung. Zusammen mit der Impfung ist man bestmöglich aufgestellt.
Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?
Kreuter: Laut Daten des Robert-Koch-Instituts liegt die Impfrate gegen Gürtelrose bei gerade einmal zehn Prozent. Das ist noch stark ausbaufähig. Diese niedrige Quote lässt einerseits mit einer gewissen Impf-Müdigkeit nach der Covid-19-Pandemie erklären. Das sehen wir auch anhand der drastisch zurückgegangenen Impfquote gegen Humane-Papillom-Viren.
Zum anderen herrscht Unwissenheit über die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten. In der Bevölkerung ist der Impfstoff kaum bekannt. Es gibt sogar Ärzte, denen das Wissen über die Impfungen schlichtweg fehlt. Kaum jemand weiß, dass die Gürtelrose eine ernstzunehmende Viruserkrankung ist, die im schlimmsten Fall einer Hirnhautentzündung sogar tödlich verlaufen kann.
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Wie genau läuft die Behandlung ab?
Kreuter: Wichtig sind vor allem Medikamente, die die Viruserkrankung gezielt abbremsen. Dafür werden antivirale Substanzen eingesetzt, die den Patienten intravenös verabreicht werden. Der Wirkstoff nennt sich Aciclovir. Bei milden Formen kann man auch Tabletten mit dem Wirkstoff Brivudin verschreiben.
Wie ist der aktuelle Stand der Forschung? Kommen demnächst noch bessere Behandlungsmöglichkeiten auf den Markt?
Kreuter: Wir haben bereits alle Waffen, die wir brauchen, wir setzen sie bisher nicht adäquat ein. Es gibt einen hochwirksamen Impfstoff, es gibt hochwirksame Medikamente.