Berlin. Die Corona-Saison hat begonnen. Was es bedeutet, mit einer infizierten Person zusammenzuleben, haben zwei Forscherinnen aus Halle ermittelt.
Die Corona-Saison hat begonnen. Darauf deuten gleich mehrere Statistiken des Robert-Koch-Instituts hin. Was also bedeutet eine Infektion in Haushalt oder Familie für die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken. Zwei Wissenschaftlerinnen aus Halle/Saale haben diese Frage in einer aufwändigen Studie untersucht. Die Ergebnisse sind überraschend.
Mit dem Ende der Corona-Pandemie dominiert weltweit die Omikron-Variante von Sars-CoV-2, die nun samt ihrer vielen Sublinien als endemischer Erreger gilt. Das bedeutet: Der Erreger tritt in der Bevölkerung fortwährend auf. Da liegt es nahe, sich wissenschaftlich weiter mit ihm zu beschäftigen, beispielsweise im Hinblick auf das Ansteckungsrisiko, das von ihm ausgeht.
In nur wenigen Studien ist bisher untersucht worden, wie sich das Ansteckungsrisiko im eigenen Haushalt mit der Zeit verändert, etwa nach einer Impfung oder einer Infektion. „Keine Studie berücksichtigte die Situation in den Haushalten und stützte sich prospektiv auf Daten zu Antikörpertitern im Blut, Impfungen und Infektionen im zeitlichen Verlauf“, erklären Bianca Klee und Sophie Diexer in einer Mitteilung der Universitätsmedizin Halle. Diese Lücke wollten die Wissenschaftlerinnen vom Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik schließen.
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Corona: Teilnehmer der Studie nahmen eine Blutprobe
Im Rahmen der sogenannten DigiHero-Studie, bei der sich etwa 11.500 Menschen aus 14 Bundesländern bereit erklärt haben, die Universitätsmedizin Halle bei einer Infektion sofort zu informieren, haben Klee und Diexer für ihre Untersuchung 662 Teilnehmende aus 262 Haushalten berücksichtigt, davon 122 Kinder. Die Teilnehmenden mussten mindestens in einem Zwei-Personen-Haushalt leben. Etwa zwei Drittel der Menschen waren mindestens dreifach geimpft, zwölf Prozent hatten bis zum Zeitpunkt der Infektion keine Impfung erhalten.
Unmittelbar nach dem Auftreten einer Infektion hatten die Männer, Frauen und Kinder mithilfe eines zugesandten Studienkits eine Trockenblutprobe gesammelt. Nach sechs bis acht Wochen, wenn die akute Infektion überstanden war, wurde eine weitere Probe abgenommen. In der Zwischenzeit dokumentierten die Freiwilligen in einem Symptomtagebuch und einer Online-Umfrage weitere Details zur Infektion und deren Verlauf im Haushalt.
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Aus den in der zweiten Jahreshälfte 2022 gesammelten Blutproben bestimmte das Studienteam im Labor die Titer der Corona-Antikörper. Der Titer ist ein Maß für die Menge eines Antikörpers beziehungsweise einer Erregermenge, die gerade noch eine biologische Reaktion hervorruft. Aus diesem Datensatz berechneten Klee und Diexer die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung, wenn es im Haushalt eine Infektion gab.
Ein besonderes Ergebnis bei Kindern und Jugendlichen
Insgesamt steckten sich nach Angaben der Universitätsmedizin Halle etwa 60 Prozent der Haushaltsmitglieder nach der ursprünglichen Infektion im Haushalt an. Im Schnitt hatten sie sich mit einer Verzögerung von drei Tagen infiziert. Je länger eine vorige Corona-Infektion oder -Impfung zurücklag, desto wahrscheinlicher war eine Ansteckung. „Das Risiko war geringer, wenn die initiale Infektion mit nur milden Symptomen verbunden war“, teilt die Unimedizin mit.
Nach einer Impfung oder einer Infektion stieg das Risiko den Angaben zufolge innerhalb eines Jahres gleichmäßig an. Waren Impfung oder vorige Infektion noch „frisch“, lag das Übertragungsrisiko bei ungefähr 20 Prozent. Nach sechs Monaten infizierten sich Haushaltsmitglieder in jedem zweiten Fall. Nach einem Jahr lag das Risiko bei 80 Prozent.
„Unsere Daten zeigen, dass Kinder und Jugendliche in unserer Stichprobe die ursprüngliche Infektion seltener in den Haushalt brachten und dass die Wahrscheinlichkeit, eine Infektion zu übertragen oder zu erwerben, geringer war als bei Erwachsenen“, sagt Bianca Klee. So habe das Ansteckungsrisiko im Haushalt bei Kindern und Jugendlichen zwar kurz nach der Impfung oder voriger Infektion ebenfalls bei 20 Prozent, es sei aber innerhalb eines Jahres auf nur etwa 40 Prozent angestiegen. „Allerdings konnten wir nur wenige Kinder in die Studie einbeziehen, sodass diese Ergebnisse mit einer größeren Unsicherheit behaftet sind. Sie decken sich aber mit früheren Untersuchungen, die sich mit anderen Varianten als Omikron befassten“, so Klee weiter.