Berlin. Krankheiten wie Parkinson werfen Fragen auf. In diesem Beitrag beantwortet eine Top-Expertin die Anliegen unserer Leserinnen und Leser.

Erkrankungen wie Parkinson machen den Betroffenen nicht nur wegen der Symptome zu schaffen. Auf der anderen Seite sind auch die vielen Fragen, die es jetzt zu klären gilt, sei es die eigene Pflege, die bestmögliche Behandlung oder die Möglichkeit, die Krankheit hinauszuzögern.

Um den Betroffenen zu helfen, hat diese Redaktion gemeinsam mit der Deutschen Hirnstiftung das Format „Die Hirn-Docs“ ins Leben gerufen. Hier beantworten Top-Neurologen die Fragen, die Leserinnen und Leser im Rahmen eines Aufrufs zu Krankheiten wie Alzheimer, Schlaganfällen, Parkinson und Schmerzen eingereicht haben. Heute steht Prof. Dr. Daniela Berg, Leiterin der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel, Rede und Antwort.

Meine Frau hat seit drei Jahren Parkinson. In Amerika soll angeblich ein Medikament zugelassen sein, das die Krankheit stoppt. Wissen Sie, wie weit die Forschung schon ist und ob ein entsprechendes Medikament auch in Deutschland auf den Markt kommen könnte?

Prof. Dr. Daniela Berg: Derzeit gibt es kein Medikament, das die Krankheit stoppen oder heilen kann. Verschiedene Wirkstoffe sind jedoch in der klinischen Prüfung, darunter sind auch verschiedene Antikörpertherapien. Solche Therapien wurden in den USA bereits für Alzheimer zugelassen, sie können das Fortschreiten der Erkrankung um ca. 30 Prozent verlangsamen.

Auch für Parkinson werden Antikörper getestet, die krankheitstypische Ablagerungen im Gehirn binden und „abräumen“. Das ist ein vielversprechender Therapieansatz, allerdings werden solche Antikörper die Krankheit auch nicht heilen, sondern wahrscheinlich nur verlangsamen. Bisher sind diese Therapien allerdings auch in den USA noch nicht zugelassen. Zudem gibt es klinische Studien zu Medikamenten, welche die Ursache der Erkrankung angreifen.

Nach der Zulassung in den USA dauert es meist 6-12 Monate, bis die europäische Zulassungsbehörde über die Marktzulassung entscheidet. Die Datenlage wird genau geprüft und die Risiken werden gegenüber dem Nutzen abgewogen.

Wenn Ihre Frau Interesse hat, könnten Sie gemeinsam schauen, ob es in Ihrer Nähe ein Studienzentrum gibt und ob eine Teilnahme an einer klinischen Studie zu einer dieser neuen Therapieformen möglich ist.

Kann Parkinson in der Familie vererbt werden? Wann und wo kann ich mich testen lassen?

Berg: Es gibt einige Genmutationen, die unweigerlich dazu führen, dass Betroffene im Laufe ihres Lebens an Parkinson erkranken. Es gibt darüber hinaus noch eine Reihe von Genen, die das Risiko für eine Erkrankung erhöhen. Nicht immer erkranken die Träger dieser Gene dann aber auch.

Genetische Formen machen insgesamt aber weniger als zehn Prozent der Fälle aus. Wenn zwei Verwandte ersten Grades oder ein Verwandter ersten und ein Verwandter zweiten Grades an Parkinson erkrankt sind oder die Krankheit vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert wird, können die Patienten eine genetische Untersuchung durchführen lassen. Das geht etwa bei einem Neurologen, der auf Neurogenetik spezialisiert ist, oder bei einem Humangenetiker.

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Verbesserung der Parkinson-Symptome: Mehrere Aspekte können helfen

Kann man die Parkinson-Symptome noch verbessern?

Berg: Neben der medikamentösen Therapie kann jeder Betroffenen selbst sehr viel tun, um den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. An erster Stelle steht die körperliche Aktivität. Körperliche Bewegung und Physiotherapie können bei Parkinson-Patienten motorische Symptome lindern, die Muskelkraft, das Gleichgewicht, die Feinmotorik und insgesamt die körperliche Funktionsfähigkeit verbessern. Außerdem führt sie zu besserem Schlaf, was dann die Tagesmüdigkeit verringert. Auch die Verdauung wird verbessert, was wichtig ist, da Betroffene oft unter Verstopfung leiden. Eine gesunde Ernährung und ausreichende Trinkmenge sind dabei zu empfehlen.

Für die Prävention von kognitiven Einschränkungen ist die geistige Stimulation wichtig, etwa durch gezieltes Lernen von Neuem. Es ist ja keineswegs so, dass das Gehirn bei einer chronischen Erkrankung wie Parkinson nicht lernen kann. So kann beispielsweise das Spielen eines Musikinstrumentes erfolgreich erlernt werden. Auch Gespräche oder Spiele können helfen. Es ist wichtig für die Betroffenen, aktiv am Sozialleben teilzunehmen und sich nicht zurückzuziehen.

Wegen einer Parkinson-Erkrankung habe ich leider eine ausgeprägte schräge Körperhaltung (Pisa-Syndrom), trotz Physiotherapie sowie Parkinson-Medikamenten. Meine Frage: Wie schätzen Sie grundsätzlich die Möglichkeiten ein, wieder zu einer aufrechten, geraden Körperhaltung zu kommen?

Berg: Das Pisa-Syndrom ist ein seltenes Symptom der Erkrankung und ist schwierig zu behandeln. Physiotherapie führt zu einer Besserung der aufrechten Haltung, aber oft lässt sich die ursprüngliche Körperhaltung nicht mehr wiederherstellen. Dennoch ist es wichtig, die Bewegungstherapie fortzusetzen, damit die Schiefhaltung nicht noch schlimmer wird. Auch sollte mit dem behandelnden Neurologen die Medikation besprochen werden, da es Hinweise gibt, dass einige Parkinson-Medikamente die Schiefhaltung verstärken können.

Einige Betroffene profitieren von Miedern oder Korsetten, die allerdings nicht lange getragen werden sollten, damit die Muskulatur nicht zu schwach wird. Ganz aktuelle Daten zeigen, dass Injektionen mit Botulimuntoxin zu Verbesserungen führen könnten. Große Studien, die das bestätigen, gibt es derzeit aber noch nicht.

„Die Hirn-Docs“ ist die neue Serie der Funke Tageszeitungen, in der fünf Top-Neurologen der Deutschen Hirnstiftung über die neusten Erkenntnisse in den Bereichen Alzheimer, Parkinson, Schlaganfall, Schmerzen und funktionelle Störungen berichten.
„Die Hirn-Docs“ ist die neue Serie der Funke Tageszeitungen, in der fünf Top-Neurologen der Deutschen Hirnstiftung über die neusten Erkenntnisse in den Bereichen Alzheimer, Parkinson, Schlaganfall, Schmerzen und funktionelle Störungen berichten. © Montage ZRB | Klinikum Fürth; Uniklinikum Aachen; UKSH; UKE; Agentur Adverb

Inwieweit kann ein Parkinson-Patient im Anfangsstadium (drei Jahre seit Diagnose) von einer Cannabis-Behandlung profitieren? Werden die Kosten einer solchen Behandlung von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen anerkannt und übernommen?

Berg: Für diese Frage ist es wichtig, zunächst zu definieren, welches Symptom profitieren soll. Sind damit z. B. Schmerzen gemeint oder der Tremor? Bisher wurde lediglich der positive Effekt von Cannabis auf bestimmte Symptome untersucht. Es gibt noch keine Erkenntnisse, die einen generell positiven Einfluss auf die Parkinson-Symptomatik belegen würden.

Soll eine Krankenkasse die Kosten übernehmen, dann muss vorher eine Genehmigung eingeholt werden. Wie diese Entscheidung ausgeht, hängt meist davon ab, welche zugelassenen Medikamente dem Betroffenen bereits verabreicht wurden und warum diese nicht einsetzbar sind. Dies kommt in seltenen Fällen bei Schmerzen vor, die nicht therapierbar sind.

Für Parkinson gibt es viele gute evidenzbasierte Medikamente – und Cannabis hat nicht unerhebliche Nebenwirkungen. Eine aktuelle Studie zeigte demnach keinen Nutzen, verschlechterte sogar Schlafqualität und Kognition. Zudem gibt es Daten, die darauf hinweisen, dass Cannabis bei Menschen mit Parkinson mit einem höheren Risiko für Psychosen und Halluzinationen einhergeht als bei gesunden Menschen.

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Giftstoffe können negativen Einfluss haben

Wie sinnvoll bzw. hilfreich sind Faszienmassagen, Fußreflexzonenmassage oder Sauerstofftherapien?

Berg: Für alle drei Behandlungen gibt es keinen Wirkungsnachweis, zumindest in Bezug auf Parkinsonsymptome. Das ist der Grund, warum wir sie nicht in den Leitlinien empfehlen und sie auch nicht von den Krankenkassen bezahlt werden.

Umgekehrt schaden diese Behandlungen aber nicht. Wenn Sie das Gefühl haben, sie tun Ihnen gut und lindern Ihre Beschwerden, können sie zusätzlich zu den Therapien, die Ihnen Ihr Neurologe verschreibt, zur Anwendung kommen.

Mein Vater hat seit kurzem Parkinson-Symptome im Frühstadium. Er hat jahrelang beruflich mit Giftstoffen gearbeitet. Welche Rolle spielen Schwermetalle, Pestizide und Giftstoffe bei der Entstehung von Parkinson? Macht es Sinn, den Körper über eine Speichel-, Haar- oder Urinanalyse auf diese Umweltgifte untersuchen zu lassen?

Berg: Derzeit wird darüber entschieden, ob Parkinson als Berufskrankheit bei Menschen anerkannt wird, die in der Landwirtschaft tätig waren und nachweislich über längerer Zeit Kontakt zu Pestiziden hatten. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Parkinson-Gesellschaft (DPG) setzen sich dafür ein.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit in Kraft tritt. Wenn Ihr Vater mit Pestiziden gearbeitet hat und der Verdacht auf eine mögliche Berufskrankheit besteht, muss der Verdacht auf eine Berufskrankheit an die zuständige Versicherung gemeldet werden. Für andere Berufe (und Giftstoffe) gibt es die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit noch nicht, obwohl auch eine Verbindung zwischen Schwermetallexposition und Parkinson-Risiko besteht.

Dann muss aber der Nachweis erbracht werden, dass die in den von Ihnen genannten Analyseverfahren nachgewiesenen Giftstoffe in direkter Beziehung zum Beruf stehen. Dieser Nachweis ist schwierig, da diese Stoffe unter Umständen auch über andere Wege in den Körper gelangt sein könnten (z. B. Ernährung oder Kosmetika).

Daniela Berg ist Fachbeirätin bei der Hirnstiftung.
Daniela Berg ist Fachbeirätin bei der Hirnstiftung. © UKSH | UKSH

Ich habe gelesen, dass nach neuer Studienlage Kaffee/Koffein vorbeugend helfen soll. Können Sie diese These bestätigen?

Berg: Eine Reihe großer Studien zeigt, dass Koffein das Risiko senkt, an Parkinson zu erkranken. Auch wenn der Effekt nicht sehr groß ist, ist „Nicht-Kaffee-Trinken“ als Risikofaktor für Parkinson in die wissenschaftlichen Kriterien für die Diagnose aufgenommen worden. Anhand von Tiermodellen konnte außerdem eine Nervenzellen-schützende Wirkung von Koffein gezeigt werden.

Wirken sich Schwimmen und Saunabesuche positiv auf eine Parkinson-Erkrankung aus?

Berg: Schwimmen auf jeden Fall, es handelt sich um einen Ausdauersport und wir empfehlen Patientinnen und Patienten, dreimal pro Woche Ausdauersport zu treiben. Interessant beim Schwimmen ist, dass es seitengleiche Bewegungen trainiert. Bei der Parkinson-Erkrankung ist typischerweise eine Seite stärker betroffen als die andere. Wenn diese nun deutlich weniger bewegt wird, ist „Geradeausschwimmen“ nicht möglich – sodass ganz natürlich auch die weniger bewegliche Seite stärker beansprucht werden muss.

Saunabesuche haben keine bekannten positiven Auswirkungen, schaden aber auch nicht. Es sollte jedoch unbedingt auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr vor und nach dem Saunabesuch geachtet werden.

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Zittern nicht immer Anzeichen für Parkinson

Habe ich zwangsläufig Parkinson, wenn ich einen Tremor habe?

Berg: Nein, ein Tremor ist ein Symptom, das bei vielen verschiedenen Krankheiten auftreten kann. Der häufigste Tremor ist der physiologische Tremor – jeder Mensch kann zittern, etwa nach starker körperlicher Belastung, zu viel Kaffeekonsum und so weiter. Dies ist keine Krankheit. Die häufigste Tremor-Erkrankung ist der sogenannte essenzielle Tremor. Hier besteht aber im Unterschied zum Ruhe-Zittern bei Parkinson ein Halte- oder Aktionszittern.

Eine Reihe von anderen Erkrankungen (z. B. Dystonien, MS) können ebenfalls mit Zittern einhergehen. Ein Neurologe kann an der Art des Zitterns (einseitig vs. beidseitig, Ruhe, Halte-, Aktions- oder Zielbewegungen und Frequenz) erkennen, ob und welche Krankheit dahinterstecken könnte, und eine weiterführende Diagnostik einleiten.

Meine Mutter wird derzeit mit Levodopa medikamentös behandelt. Dennoch fühlt sie sich permanent wie benommen. Ihr Neurologe hat ihr gesagt, dass man da nichts machen könne und sie das aushalten müsse. Stimmt das?

Berg: L-Dopa wird zwar allgemein gut vertragen, kann aber bei einigen Patientinnen und Patienten auch zu Nebenwirkungen führen, darunter auch Müdigkeit. Ursache dieser Müdigkeit ist häufig ein niedriger Blutdruck. Zunächst sollte dieser bei Ihrer Mutter geprüft werden. Sollte der Blutdruck tatsächlich niedrig sein, sollten mögliche Blutdruckmedikamente angepasst oder abgesetzt werden. Eine Reihe weitere konservativer Maßnahmen zur Stabilisierung des Blutdrucks sind möglich (ausreichend Flüssigkeit, Stützstrümpfe, eher salzreiche Kost etc.).

Je nach Symptomatik kann auch die zusätzliche Gabe von Amantadin erwogen werden. Das stabilisiert den Blutdruck und hat eine positive Wirkung auf Parkinsonsymptome. Die Einnahme muss jedoch aufgrund möglicher Nebenwirkungen mit dem Neurologen besprochen werden.

Generell ist es wichtig, L-Dopa sehr langsam einzudosieren, um stärkere Blutdruckschwankungen und auch Übelkeit zu vermeiden. Ferner kann natürlich bei Müdigkeit/Benommenheit regelmäßige Bewegung helfen. Das kostet gerade am Anfang Überwindung und Willensstärke, lohnt sich aber.

Ihre Frage wurde nicht beantwortet? Dann haben Sie die Möglichkeit, Ihr Anliegen online bei der Deutschen Hirnstiftung einzureichen. Rufen Sie dazu einfach im Browser die Website https://hirnstiftung.org/beratung/ auf. In der angezeigten Eingabe-Maske können Sie dann Ihren Fall schildern. Die Experten melden sich dann schnellstmöglich zurück.