Berlin. Unsere Redakteurin hat über zwei Jahrzehnte lang geraucht. Mit ihrer eigenen Taktik konnte sie letztlich erfolgreich aufhören.
- Mit dem Rauchen aufzuhören ist alles andere als leicht
- Viele Menschen haben mehrere erfolglose Versuche hinter sich
- Unsere Autorin berichtet, wie sie es mithilfe einer eigens kreierten Taktik geschafft hat
An meine erste Zigarette, vor zirka 23 Jahren, kann ich mich noch heute erinnern. Ich war damals 14. Im Freibad brachte mir eine Freundin hinter einem Busch bei, den Rauch richtig zu inhalieren. Obwohl mein Körper mit heftigem Husten und Schwindelgefühlen reagierte, gab ich nicht auf. Am Ende des Sommers zog ich mindestens so lässig wie der Marlboro-Mann (der damals noch fester Bestandteil der Kinowerbung war) an der Zigarette. Oder zumindest dachte ich das.
Mit dem Rauchen aufhören – aber wie?
Auch wenn es seit der ersten Kippe hinter dem Busch immer wieder Phasen gab, in denen ich nicht oder kaum rauchte, folgten verlässlich Zeiten, in denen ich qualmte wie der sprichwörtliche Schlot. In den vergangenen acht Jahren habe ich sehr verlässlich ein bis zwei Schachteln pro Woche geraucht. Lange sah ich keinen Grund, damit aufzuhören.
Ich hatte, abgesehen von einer schlechten Kondition beim Sport, keine schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme und war überzeugt, jederzeit aufhören zu können. Dass das ein typischer Indikator für ein Suchtverhalten ist, ignorierte ich gekonnt. Ein Umdenken setzte jedoch ein, als zwei halbherzige Versuche, mit dem Rauchen aufzuhören, kläglich scheiterten. Ich war 36, als ich begann, mir mehr Gedanken über mein Rauchverhalten zu machen.
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Rauchstopp: Eigene Willenskraft ist am erfolgversprechendsten
„Mit dem ersten Versuch aufzuhören, scheitern die meisten Raucherinnen und Raucher“, sagt Professor Heino Stöver, Suchtforscher und Direktor des Instituts für Suchtforschung in Frankfurt am Main. „Die meisten brauchen im Schnitt vier Versuche, bis sie es schaffen.“ Stöver hat im Rahmen der Rauchstopp-Studie (RauS) Menschen nach ihren Methoden für den Rauchstopp befragt. „Die Ergebnisse zeigen, dass es am erfolgversprechendsten ist, durch die eigene Willenskraft aufzuhören“, so der Suchtforscher. Auch E-Zigaretten sind laut der Studie für viele Menschen hilfreich.
Weniger wirksam waren dagegen evidenzbasierte Methoden. Dazu zählen Verhaltens- oder die Nikotinersatztherapie (dosierte Zufuhr von Nikotin durch Ersatzpräparate wie Nikotinpflaster). Sie werden laut den Studienergebnissen von Menschen, die mit dem Rauchen aufhören möchten, am wenigsten in Anspruch genommen und auch am wenigsten positiv bewertet.
Salami-Taktik: Mit kleinen Etappen zum persönlichen Erfolg
Kurz vor Silvester 2023 hatte sich mein Entschluss, den Glimmstängeln endgültig Lebewohl zu sagen, verfestigt. Im Gegensatz zu den letzten Malen hatte ich mir diesmal eine Taktik überlegt: Anstatt mit dem Vorsatz, nie wieder eine Zigarette anzufassen, in das neue Jahr zu starten, hatte ich mir vorgenommen, erst einmal den 1. Januar komplett rauchfrei zu verbringen. Falls es unbedingt nötig sein sollte, könnte ich am 2. Januar wieder rauchen. Als der 1. Januar geschafft war, nahm ich mir den folgenden Tag vor – wieder mit der Option, am 3. Januar rauchen zu können, falls es nötig sein sollte. Diese kurzen zeitlichen Etappen schienen mir machbar – deutlich machbarer als von einem Tag auf den anderen komplett aufzuhören.
Die Tatsache, dass mein Partner (ebenfalls seit über 20 Jahren Raucher) sich bereit erklärt hatte, bei diesem Versuch mitzumachen, gestaltete die Sache deutlich angenehmer als die letzten Male. Damals hatte ich allein versucht, den Zigaretten abzuschwören. Aus einzelnen Tagen ohne eine Zigarette wurden Wochen, dann schließlich Monate. Heute sind wir beide seit über einem halben Jahr rauchfrei.
Experte: Soziales Umfeld von entscheidender Bedeutung
Laut Heino Stöver habe ich mit meiner Rauchfrei-Taktik einen erfolgversprechenden Weg gewählt: „Zum einen haben Sie es über Ihre Willenskraft geschafft, aufzuhören, was laut der Rauchstopp-Studie der erfolgversprechendste Weg ist. Zudem hatten Sie einen Mitstreiter. Auch das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Versuch erfolgreich ist.“ Denn um mit dem Rauchen aufzuhören, ist die Unterstützung des sozialen Umfelds essenziell. Ein unterstützendes Umfeld kann Motivation und moralische Unterstützung bieten, Rückfälle verhindern und dabei helfen, den Fokus auf die Vorteile eines rauchfreien Lebens zu richten.
„Nikotinpflaster führen nur selten zum Erfolg“
Von körperlichen Entzugserscheinungen wie Schlafstörungen, Schweißausbrüchen oder Konzentrationsproblemen blieb ich nach meinem Rauchstopp verschont. Die psychischen Entzugssymptome wogen dafür umso mehr. Ich dachte in den ersten Wochen so oft ans Rauchen wie niemals zuvor. In jeder Stress-Situation galt mein erster Gedanke einer Zigarette.
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„Körperliche Entzugssymptome machen beim Rauchen gewöhnlich deutlich weniger Probleme als die Rituale, die man sich mit Zigaretten angewöhnt hat“, so Suchtforscher Heino Stöver. „Deswegen führen Rauchstopp-Methoden, die darauf abzielen, Nikotin zu ersetzen, wie Nikotinpflaster, auch so selten zum Erfolg.“
Wichtiger sei es, den Alltag ohne Zigarette neu zu definieren und die eigenen Rauch-Rituale umzudeuten. Auch ich hatte viele Rituale, die ich mir im Laufe meiner Raucherkarriere angewöhnt hatte: die Zigarette beim Spaziergang mit meinem Hund oder der selbstverständliche Gang auf den „Raucherbalkon“ bei Partys. Ohne Zigarette wusste ich in sozialen Situationen plötzlich nicht mehr, wohin mit meinen Händen. Ich fühlte mich unsicher und wünschte mir nichts sehnlicher als eine Zigarette. Doch ich hielt durch.
Neue Rituale und Erfolgserlebnisse als Nichtraucher
Zudem begann ich, neue Rituale zu etablieren: Beim Spaziergang mit meinem Hund begleitet mich mittlerweile ein Kaffeebecher. Um meinem Körper zusätzlich etwas Gutes zu tun, habe ich vor einigen Monaten mit dem Joggen begonnen. Anfangs schaffte ich es nicht einmal, zehn Minuten durchzuhalten. Doch schnell wurde meine Kondition besser und mein Ehrgeiz wuchs. Mittlerweile kann ich eine Stunde am Stück durchlaufen – etwas, von dem ich als Raucherin nie gedacht hätte, dass ich es schaffen könnte.