Berlin. Das Rest-Less-Legs-Syndrom tritt häufig auf, bleibt aber oft unerkannt. Eine Patientin und ein Arzt klären über Symptome und Behandlung auf.
Innere Unruhe, kribbelnde und schmerzende Beine, Schlafstörungen – das sind einige der Symptome, unter denen Betroffene des Restless-Legs-Syndroms leiden. Die neurologische Erkrankung betrifft Schätzungen zufolge 5 bis 15 Prozent der Bevölkerung. Doch sind die genauen Ursachen bis heute unklar.
Auf einer längeren Autofahrt bemerkt Lieselotte Nauert zum ersten Mal bewusst ein Zucken in ihren Beinen. Eine innere Unruhe drängt sie aus dem Auto, sie läuft auf dem Parkplatz auf und ab. „Ich dachte, ich explodiere gleich, wenn ich mich nicht bewege“, erinnert sich die Rentnerin. In den Nächten danach kann sie kaum noch schlafen. Immer wieder muss sie aufstehen, sich bewegen. „Der eine läuft durch den Ort, ein anderer hat nachts stundenlang Klavier gespielt. Ich bügel nachts oder lese irgendwas“, sagt Nauert. Es gehe ja nicht nur darum, dass man nicht schlafen könne. „Aber wenn man liegen bleibt und es kribbelt – das geht gar nicht.“
Der fehlende Schlaf und die innere Unruhe beeinträchtigen Lieselotte Nauert auch im Alltag. Sie ist ständig müde, kann sich nicht konzentrieren. „Ich nehme mir alles so zu Herzen. Es gibt Situationen, da will ich dann in einer Ecke sitzen und mich einkapseln.“
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Restless-Legs-Syndrom: Das sind die häufigsten Symptome
Neben den Schlafstörungen ist gerade der Bewegungsdrang eines der zentralen Diagnosekriterien für das Restless-Legs-Syndrom. „Wir sagen, dass es sich um eine Störung handelt, die in Ruhe oder bei Inaktivität auftritt, und zwar in Form von unangenehmen Empfindungen im Bereich der Beine“, erklärt Dr. Pascal Grosse, Leiter der Neurologischen Schlafmedizin an der Charité. Dass die Beschwerden zum Abend hin schlimmer werden, sei typisch für die Erkrankung. Dies entstehe daraus, dass die meisten Personen im Alltag sowieso in Bewegung sind und erst am Abend zur Ruhe kommen.
Durch diese klaren Kriterien für einen typischen Fall des Restless-Legs-Syndroms geht die Diagnose also schnell, 30 Minuten brauchen Ärzte dafür. „Wenn es typisch ist, dann erzählen einem die Patientinnen und Patienten ihre Diagnose selbst“, sagt Grosse. Komplizierter wird es aber, wenn die Ausprägungen stark variieren. So beschreibt der Neurologe Fälle von Patienten, bei denen die Symptome nur im Sommer auftreten. Andere leiden nur in der Schwangerschaft. Die Folge: Die Ursache der Beschwerden wird gar nicht erst in Betracht gezogen.
Betroffene kritisiert: „Die meisten Ärzte kennen sich gar nicht aus“
Obwohl Lieselotte Nauerts Symptomatik eher an die typischen Verlaufsfälle erinnert, wurde bei ihr das Restless-Legs-Syndrom erst spät diagnostiziert. Bei einer Kur für Rückenprobleme beschreibt sie einem Arzt ihre innere Unruhe, und dieser vermutet das Syndrom als Ursache. Doch auch mit der vorläufigen Diagnose lässt die Suche nach spezialisierten Neurologen Lieselotte Nauert fast verzweifeln: „Die meisten Ärzte kennen sich gar nicht aus.“ Einen zu finden, der sich auskenne, sei „Glückssache“.
Dies liegt laut Grosse vor allem daran, dass das Restless-Legs-Syndrom nach wie vor im Medizinstudium eine eher untergeordnete Rolle spielt. „Die Erkrankung ist so häufig, dass man immer wieder darauf hinweisen müsste“, sagt der Neurologe. Doch obwohl sich dies langsam wandelt, wird die Erkrankung auch jetzt noch „nicht immer ganz so ernst genommen, wie man es ernst nehmen sollte“, sagt Grosse. Er rät Betroffenen deswegen dazu, sich in Behandlung durch spezialisierte Neurologen zu begeben.
Restless-Legs-Syndrom: Die genauen Ursachen sind nicht bekannt
Oft ist unklar, was das Syndrom ausgelöst hat – doch gerade die Ursache ist wichtig für den Behandlungserfolg. Solange sie nicht gefunden sei, bleibe nur die Behandlung der Symptome, sagt Grosse, und zwar mit Medikamenten.
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Der Rat des Experten: Tritt das Restless-Legs-Syndrom beispielsweise vorrangig in bestimmten Situationen wie einem langen Flug oder einem Zahnarztbesuch auf, dann können Medikamente kurzfristig weiterhelfen. Da sich das Restless-Legs-Syndrom im Laufe des Lebens tendenziell verschlechtert, empfiehlt er, die kontinuierliche Medikamenteneinnahme so weit wie möglich hinauszuzögern. Der Grund: Patienten könnten Toleranzen entwickeln, dann müssten andere Medikamente gefunden werden. Je mehr medikamentöse Reserven es gebe, umso besser.
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Austausch in Selbsthilfegruppen: „Es gibt für mich nichts Besseres“
Auch Lieselotte Nauert beobachtet bei sich, dass die Wirkung der Medikamente immer schwächer wird: „Irgendwann wirkt es dann nicht mehr, dann muss man halt zum nächsten Medikament gehen.“ Ansonsten hilft ihr vor allem Bewegung – und die Selbsthilfegruppe. „Ich muss zwar 70 Kilometer fahren, aber das ist mir das wert. Es gibt für mich nichts Besseres.“
Dort findet sie auch immer wieder Anreize für neue Bewältigungsstrategien. Diese sind so individuell wie die Ausprägungen des Restless-Legs-Syndroms selbst. Während Lieselotte Nauert Bewegung hilft, kann übermäßiger Sport bei weniger typischen Fällen die Symptome sogar verschlimmern. Grosse, der selbst auch Vorträge in den Selbsthilfegruppen hält, wünscht sich deswegen vor allem, dass die atypischen Fälle nicht übersehen werden, da „Patienten zum Teil falsch behandelt werden, auch zu ihrem Nachteil.“
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Lieselotte Nauert wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für die Erkrankung. Daher arbeitet sie mit der Klinik in Karlsruhe zusammen und verteilt Flyer in verschiedenen Arztpraxen. Auch wenn sie sich damit abgefunden hat, dass das Syndrom bei ihr vermutlich nicht mehr weggeht, hofft sie dennoch auf neue Medikamente. „Ich hoffe, dass die Forschung irgendwann mal vielleicht weiter ist, dass sie doch einmal was finden, was es stoppt.“
Weitere Informationen zum Restless-Legs-Syndrom und zu Selbsthilfegruppen gibt es bei der Deutschen Restless Legs Vereinigung: www.restless-legs.org