Berlin. Überstunden spielen im Arbeitsalltag eine große Rolle. Doch wann haben Arbeitnehmer eigentlich das Recht, Überstunden zu verweigern?
Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden das Problem kennen: Man will eigentlich gerade Feierabend machen, aber dann bittet einen die Chefin oder der Chef darum, schnell noch dieses oder jenes zu erledigen. Doch sind Arbeitnehmer überhaupt dazu verpflichtet, dieser Aufforderung nachzukommen und wann haben sie das Recht, Überstunden abzulehnen?
"Grundsätzlich darf der Arbeitgeber Überstunden nur einseitig anordnen, wenn die Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden arbeitsvertraglich geregelt ist", erklärt Livia Merla, Fachanwältin für Arbeitsrecht der mgp-Kanzlei in Berlin, auf Anfrage dieser Redaktion.
Sollte das durch den Arbeits- oder Tarifvertrag so vorgesehen sein, heiße das laut der Fachanwältin "jedoch noch lange nicht, dass der Arbeitnehmer völlig willkürlich Überstunden ausgesetzt ist".
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Arbeitsrecht: Wann Arbeitnehmer Überstunden ablehnen dürfen
Dabei müsse zum einen nämlich zwingend die Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes einhalten werden, wie Merla erklärt. "Danach darf die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden", so die Juristin. Oberhalb dieser Grenzen sei aber "grundsätzlich Schluss". Ausnahmen können nur in bestimmten Branchen gelten.
Zum anderen müsse die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber bei der Anordnung von Überstunden "schützenswerte Interessen" des Arbeitnehmers berücksichtigen.
Dazu zähle, so Merla, zum Beispiel die Familie des Arbeitnehmers. Interessen wie diese müssten mit denen des Arbeitgebers in "einen angemessenen Einklang" gebracht werden. Sollte das nicht der Fall sein, können Überstunden auch abgelehnt werden.
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Überstunden: Wieso Angestellte sie in bestimmten Situationen nicht verweigern können
Eine Ausnahme seien hierbei jedoch "nicht vorhersehbare Notsituationen" wie zum Beispiel ein Brand im Betrieb. In einer solchen Situation dürfe der Arbeitgeber nämlich erwarten, dass jeder Mitarbeitende "mit anpackt", wie die Fachanwältin erklärt.
Denn die Überstunden des Mitarbeitenden seien dann erforderlich, um kurzfristig Gefahren für den Betrieb abzuwenden oder um, so Merla, "die Existenz des Betriebes zu schützen". Diese Ausnahme, in der der Anordnung von Überstunden zwingend Folge zu leisten ist, leite sich aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben für Notfälle ab.
Sollte sich ein Arbeitgeber nun fragen, ob ein wichtiger Kundenauftrag nicht auch als Notfall gilt und Arbeitnehmer in dem Fall ebenfalls zu Überstunden verpflichtet werden können, hat er schlechte Karten: "Betriebliche Engpässe oder ein kurzfristiger Auftrag reichen für einen Notfall in der Regel nicht aus", erklärt die Juristin.
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