Berlin. Die Überstunden sammeln sich an und keiner belohnt es? Wann Mehrarbeit erlaubt und wie man sie bezahlt bekommt. Fünf wertvolle Tipps.
In Deutschland leisten laut Statistischem Bundesamt 4,5 Millionen Beschäftigte Überstunden, die meisten zwischen fünf und zehn Stunden pro Woche. Doch nicht immer wird die Mehrarbeit auch bezahlt. In den ersten drei Monaten des Jahres fielen 166 Millionen unbezahlte Überstunden an. Das ist nicht immer zulässig.
Überstunden: Fünf wertvolle Tipps für Arbeitnehmer
Doch was können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tun, wenn der Chef oder die Chefin regelmäßig Überstunden verlangt oder die angesammelte Mehrarbeit gar nicht honoriert? Was ist arbeitsrechtlich überhaupt zulässig? Wann müssen Überstunden bezahlt werden – und wann können sie schlimmstenfalls verjähren? Fünf wertvolle Tipps:
1. Überstunden: Was im Arbeitsvertrag steht
Die Anzahl der Stunden, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Woche arbeiten müssen, ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Weniger darf man nicht arbeiten, mehr darf niemand erwarten. Das ist der Grundsatz.
In Notfällen, wie zum Beispiel einem Cyberangriff oder bei einer Krankheitswelle in der Belegschaft und immer dann, wenn dem Arbeitgeber Schaden droht, der nicht anders abgewendet kann, sind Überstunden zulässig.
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Ebenfalls erlaubt ist die Anordnung von Überstunden, wenn dieses Recht im Arbeits- oder Tarifvertrag so vorgesehen ist. Das ist sehr häufig der Fall. Arbeitgebende müssen seit August 2022 laut Nachweisgesetz schriftlich erklären, ob sie Überstunden anordnen können, unter welchen Voraussetzungen und wie sie bezahlt werden.
Die Grenze für die Anordnung von Überstunden ist das Arbeitszeitgesetz: Wer mehr als zehn Stunden am Tag arbeiten soll oder mehr als 48 Stunden in der Woche, darf das ablehnen. Von Angestellten mit Leitungsfunktion dürfen Arbeitgeber Überstunden hingegen erwarten, für sie gilt dieses Gesetz nicht.
2. Tipp: Überstunden dokumentieren
Wer Überstunden leistet, sollte sie auch dokumentieren – und zwar regelmäßig. Das ist die Voraussetzung, um Überstunden tatsächlich auch bezahlt zu bekommen.
Bei Arbeitgebern mit Zeiterfassung und Arbeitszeitkonten sieht man jeden Tag, ob und wie viele Überstunden angefallen sind. Auf das Arbeitszeitkonto haben mehrere Personen Zugriff. Damit nichts an Daten verloren geht, empfiehlt der Geldratgeber Finanztip zum Ende des Monats allen Beschäftigten, die Anzahl der Überstunden mit einem Screenshot oder auf einem anderen Weg zu speichern.
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Nach einem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts vom September 2022 sind Arbeitgeber verpflichtet, die gesamte Arbeitszeit der Beschäftigten systematisch zu erfassen (Az. 1 ABR 22/21). Damit soll auch der Beweis von Überstunden leichter werden. Wie die Zeiterfassung konkret aussehen muss und ob es Ausnahmen gibt, wird laut Bundesarbeitsministerium derzeit innerhalb der Regierung abgestimmt.
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3. Freizeit oder Bezahlung von Überstunden
Wer seine Überstunden dokumentiert hat, kann die Mehrarbeit entweder mit Freizeit ausgleichen oder sie sich bezahlen lassen.
In vielen Arbeitsverträgen finden sich Klauseln, nach denen Überstunden bereits mit dem Gehalt abgegolten sind. Meist sind solche Klauseln unwirksam. Der Grund: Aus ihnen muss immer hervorgehen, warum und wie viele Überstunden anfallen können, die bereits abgegolten wären. Und diese Regel muss dem „üblichen Maß“ entsprechen. Das entspricht etwa vier Stunden bei einer 40 Stunden-Woche.
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Steht nichts zur Bezahlung von Überstunden im Vertrag oder ist die Überstundenklausel unwirksam, können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die betriebs- oder branchenübliche Vergütung einfordern. Das bedeutet: Jede Überstunde muss mindestens mit dem Stundenlohn vergütet werden, der sich ergibt, wenn man den Monatslohn auf Stundenbasis umrechnet. Mit der Finanztip-Checkliste lässt sich einfach überprüfen, ob ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden besteht.
4. Verjährung von Überstunden beachten
Sämtliche Überstunden verfallen spätestens nach drei Jahren immer zum Jahresende. Doch oft ist die Frist auch kürzer. Die meisten Unternehmen, die mit Arbeitszeitkonten arbeiten, geben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein halbes bis ein ganzes Jahr Zeit, um die angesammelten Stunden abzufeiern.
Bei einigen verfällt danach laut Arbeitsvertrag die angesammelte Stundenzahl. Im Arbeitszeitkonto werden sie manchmal einfach ausgebucht. Solche Verfallklauseln können unwirksam sein (Az. 9 AZR 162/18). Da ist es umso wichtiger, die Dokumentation der Stunden nicht dem Arbeitgeber allein zu überlassen, um auch ausgebuchte Stunden später noch nachweisen zu können.
5. Überstunden sollten nicht die Regel sein
Wer ständig mehr arbeitet und Überstunden anhäuft, sollte gemeinsam mit seiner Führungskraft eine langfristige Lösung suchen. Vielleicht braucht es mehr Personal oder die Arbeit muss fairer verteilt werden. Denn zu viel Arbeit und zu viele Überstunden bedeuten Stress und können krankmachen.
Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbraucher ist Teil der Finanztip-Stiftung.