Berlin. Die Fristen für die Bundestagswahl sind kurz. Für Wähler aus dem Ausland kann das bedeuten, dass ihre Stimme nicht gezählt werden kann.
Laura B. ist wahlberechtigt, hat einen Stimmzettel und doch wird sie wohl nicht an der Bundestagswahl teilnehmen können. Die 29 Jahre alte Doktorandin forscht aktuell im australischen Melbourne – weit weg von ihrem Heimatwahlkreis. Die Unterlagen für die Briefwahl hat sie bereits im Januar beantragt, sagt sie. Doch rechtzeitig angekommen sind sie nicht. Erst am 20. Februar landeten sie in ihrem Briefkasten, drei Tage vor der Wahl.

Selbst wenn sie 100 australische Dollar für einen Expressversand ausgeben würde – drei Tage sind zu knapp, zumal der Postdienstleister am Wochenende nicht zustellt. Zurück bleiben Enttäuschung und Sorgen, vier Jahre in einem Land zu leben, über dessen politische Ausrichtung sie nicht mitbestimmen konnte. „Mein Wahlrecht war mir schon immer wichtig“, sagt die Bonnerin, „aber vor allem in der aktuellen politischen Situation zählt jede Stimme.“
Konstantin hat seinen Wahlbrief noch gar nicht erhalten
Rund 17.000 Kilometer Luftlinie von Melbourne entfernt sitzt Konstantin, der nur seinen Vornamen in der Zeitung lesen möchte, und bangt ebenfalls um seine Stimmabgabe. Der Harvard-Student lebt in Cambridge, Massachusetts (USA) – auch er habe bereits im Januar Briefwahl beim zuständigen Wahlbüro in Berlin-Mitte beantragt. Sein Briefkasten blieb jedoch leer.
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„Ich fühle mich machtlos und bin ziemlich enttäuscht“, sagt der 24-Jährige. „Das waren vorhersehbare Probleme.“ Die Wahlämter hätten sich darauf einstellen müssen und die Briefwahlunterlagen ins Ausland frühzeitig und über Expressversand abschicken sollen. Vor allem aber fragt er sich, ob die Ergebnisse der Bundestagswahl ohne die Stimmen vieler Deutscher im Ausland verzerrt seien. „Wer im Ausland arbeitet oder studiert, ist meist weltoffener, höher gebildet und wählt bestimmt progressiver“, mutmaßt er.
Außerhalb der EU wird es eng für Briefwähler
Laura B. und Konstantin sind keine Einzelfälle. Rund 210.000 Deutsche, die im Ausland leben, haben sich nach Angaben der Bundeswahlleiterin ins Wählerregister für diese Bundestagswahl eingetragen. 2021 waren es noch knapp 129.000. Der Anstieg hat vermutlich auch damit zu tun, dass die Eintragung erleichtert wurde. Der Großteil der wählenden Auslandsdeutschen lebt im EU-Ausland und der Schweiz, heißt aus dem Auswärtigen Amt. 2021 seien das 85 Prozent gewesen. In diesen Fällen sei auch davon auszugehen, dass die Stimmzettel rechtzeitig ankommen.
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
Schwieriger ist es jedoch in den weiter entfernten Ecken der Welt. Das Wahlgesetz schreibt fest, dass nur in einem Wahllokal im eigenen Wahlbezirk oder per Briefwahl gewählt werden kann. Doch aufgrund der unterschiedlichen Stimmzettel in jedem Wahlkreis müssen die Wahlämter vor Ort die Unterlagen erst losschicken, diese müssen dann die Auslandsdeutschen erreichen und dann auch noch rechtzeitig zurückkommen. Das ist knapp, wenn die Wahl vorgezogen ist und die Fristen entsprechend kurz sind. Die ersten Wahlämter sollen am 4. Februar begonnen haben, die Unterlagen zu verschicken, manche auch erst deutlich später.
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Wie viele Deutsche sich aktuell im Ausland aufhalten und wahlberechtigt wären, ist ungewiss. Der Verein „Deutsche im Ausland“ schätzt, dass derzeit fast 1,9 Millionen Deutsche im Ausland arbeiten. Hinzu kommen Studierende, die ein Auslandssemester machen oder eine längere Reise unternehmen. Meist bleiben sie an ihrem letzten Wohnort in Deutschland gemeldet und beantragen die Briefwahl.
Wähler im Ausland haben noch eine Chance
Zumindest für Deutsche im Ausland, die ein Konsulat oder eine Botschaft erreichen können, gibt es aber noch eine weitere Möglichkeit: Das Auswärtige Amt verfügt über Kuriere, die die Wahlunterlagen direkt in viele dieser Vertretungen bringen und nach Stimmabgabe von dort auch wieder zurück nach Deutschland. Je nach Standort ist die Abgabe noch in den Tagen vor der Wahl möglich. Doch alle werden es nicht schaffen. Die Bundeswahlleiterin hatte bereits im November vor den möglichen Problemen aufgrund der kurzen Fristen gewarnt. Doch der Wahltermin blieb. Auch das Bundesverfassungsgericht urteilte bereits 2005, dass das Kürzen von Fristen bei vorgezogenen Neuwahlen verfassungsgemäß ist.
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Die Möglichkeit, ihre Stimmzettel über die Konsulatspost zu versenden, kannten sowohl Konstantin als auch Laura B. Doch in beiden Fällen war die Frist abgelaufen, bevor sie überhaupt ihre Unterlagen in den Händen hielten. Für sie und viele andere Deutsche, die derzeit im Ausland leben, arbeiten und studieren, bleibt der Frust.
Viele Deutsche suchen noch nach Lösungen
Laura B. fordert eine offizielle Stellungnahme von denen, „die auf den früheren Wahltermin gedrängt haben“. Sie sagt: „Wir hätten auch im März wählen können.“ Eine kleine positive Sache könne sie der Situation abgewinnen: Der Zusammenhalt unter den Deutschen in Melbourne sei schön zu sehen – genauso wie die Bemühungen, doch noch abstimmen zu können. „Es ist inspirierend, was etwa meine Kollegen unternehmen, damit ihre Briefwahlunterlagen doch noch rechtzeitig ankommen.“
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Auch Konstantin berichtet über WhatsApp-Gruppen von Deutschen in Boston, durch die Betroffene auf kreative Lösungen kommen. Seine letzte realistische Möglichkeit, seine Stimme noch rechtzeitig nach Deutschland zu bekommen – neben einem teuren Flug nach Deutschland: Wie einige andere Deutsche in Boston überlegt er, zum Flughafen zu fahren, um Menschen zu finden, die nach Berlin reisen – und seinen Wahlbrief persönlich in der Wahldienststelle einwerfen könnten. Doch noch ist sein Briefkasten leer.