Berlin. Der Bundestag hat der Opfer der Schoa gedacht. Bundespräsident Steinmeier fand dabei auch mahnende Worte zur aktuellen politischen Lage.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat beim Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus an die Verantwortung Deutschlands für seine Geschichte erinnert. „Die Schoa ist ein Teil deutscher Geschichte. Sie ist, ob wir wollen oder nicht, Teil unserer Identität“, sagte er im Bundestag. Es gebe „kein Ende der Erinnerung und deshalb auch keinen Schlussstrich unter unsere Verantwortung“.

Der Bundespräsident wandte sich auch an jene Menschen, die den Holocaust „verdrängen, verharmlosen oder vergessen“ wollen. Damit werde das Fundament erschüttert, auf dem die Demokratie gewachsen sei. Umgekehrt gelte: „Wer heute die Demokratie lächerlich macht, verachtet, angreift, der ebnet eben auch den Weg zu Hass, Gewalt und Menschenfeindlichkeit.“

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Steinmeier warnt: „Nehmt die Feinde der Demokratie ernst!“

„Unsere Demokratie ist die Antwort auf Rassenwahn und Nationalismus“, sagte Steinmeier und zitierte am Ende seiner Rede den Holocaust-Überlebenden Leon Weintraub, der gewarnt hatte, die Feinde der Demokratie ernst zu nehmen: „Ich wiederhole es hier im Deutschen Bundestag: Nehmt die Feinde der Demokratie ernst!“ Laut Steinmeier gelte dies insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl: „Wir leben in einer Zeit der Entscheidung. Wir haben es in der Hand, das Errungene zu bewahren und unsere Demokratie zu schützen.“

Steinmeier warnte in seiner Rede auch vor wachsendem Antisemitismus in Deutschland: „Wenn Antisemitismus Alltag wird in unserem Land, auf unseren Straßen und Plätzen, in Schulen und Hochschulen, das dürfen wir in unserem Land mit unserer Geschichte niemals zulassen“, warnte der Bundespräsident. Er empfinde es als „Schande“, wenn Gedenkstätten statt für die Bildungsarbeit jährlich einen immer höheren Anteil ihres Etats für Sicherheitsmaßnahmen aufwenden müssten.

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Holocaust-Überlebender Schwarzman fordert Waffen für die Ukraine

Hauptredner der Holocaust-Gedenkstunde war in diesem Jahr der Überlebende Roman Schwarzman. Aus der Ukraine angereist, appellierte der 88-Jährige, sein Heimatland gegen den russischen Angriffskrieg zu schützen: „Damals versuchte Hitler mich zu töten, weil ich Jude bin. Jetzt versucht Putin mich zu töten, weil ich Ukrainer bin“, sagte Schwarzman und forderte auch konkret Langstreckenflugkörper zur Verteidigung gegen Russlands „Vernichtungskrieg“.

Laut Schwarzman müsse die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus „ein Leitgedanke sein und uns verpflichten, eine Zukunft aufzubauen, in der Menschlichkeit und Gerechtigkeit keine leeren Worte sind“. Niemand dürfe mehr „Leiden und Folter“ erfahren.

Schwarzman stammt aus der ukrainischen Hafenstadt Odessa, wo er mit seiner Familie von den NS-Besatzern 1941 in ein Ghetto gesperrt wurde. Er überlebte und machte die Erinnerung an die damaligen Verbrechen zu seiner Lebensaufgabe, indem er das Holocaust-Museum von Odessa gründete. Schon seit vielen Jahren will er zudem ein Mahnmal für die NS-Opfer Odessas errichten – ein Vorhaben, das durch den russischen Krieg gegen die Ukraine vorerst vereitelt wurde.

Mit der traditionellen Gedenkstunde erinnerte der Bundestag jedes Jahr an die Opfer der Verbrechen im Nationalsozialismus. 1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den Jahrestag der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 zum Gedenktag proklamiert. Das Gedenken im Bundestag wird jährlich in zeitlicher Nähe zu diesem Datum abgehalten.

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Bundestag
Von Jan Dörner, Julia Emmrich, Thorsten Knuf, Philipp Luther und Theresa Martus