Berlin. Das KZ Auschwitz ist das internationale Synonym für den Massenmord an Juden und Verfolgten. Am 27. Januar ist der Holocaust-Gedenktag.

Gegen 15 Uhr erreichen am 27. Januar 1945 die ersten Soldaten der 322. Infanteriedivision der Roten Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Hunderte ausgemergelte Menschen stehen im Schnee hinter dem Stacheldrahtzaun und schauen den anrückenden Soldaten entgegen. „Sie hatten Angst in den Augen, denn sie wussten nicht, dass wir sowjetische Soldaten waren, dass wir Befreier waren“, erinnert sich der sowjetische Kameramann Alexander Woronzow, der die Befreiung von Auschwitz filmisch dokumentiert hat. 

Die bundesdeutsche Dokumentarfilmerin Irmgard von zur Mühlen hat das Material Woronzows in dem 1985 produzierten Film „Die Befreiung von Auschwitz“ zusammengestellt und seinen Urheber interviewt. Es ist ein einzigartiges Dokument über die schlimmsten Verbrechen der Nationalsozialisten, das einem noch 80 Jahre nach den Geschehnissen beim Anschauen den Atem verschlägt. Der Film ist wegen seiner ungefiltert gezeigten Grausamkeiten erst für Zuschauer ab 18 Jahren freigegeben. 

Auch interessant

Seit 1996 begeht die Bundesrepublik am 27. Januar den Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. „Wir wollen nicht unser Entsetzen konservieren. Wir wollen Lehren ziehen, die auch künftigen Generationen Orientierung sind“, sagte der damalige Bundespräsident Roman Herzog in seiner ersten Gedenkrede.

Auschwitz-Birkenau steht wie kein anderes KZ für die Todesfabriken der Nationalsozialisten

Die entscheidende Aufgabe sei es heute, eine Wiederholung zu verhindern: „Dazu gehört beides: die Kenntnis der Folgen von Rassismus und Totalitarismus und die Kenntnis der Anfänge, die oft im Kleinen, ja sogar im Banalen liegen können.“ Heute, noch einmal fast 30 Jahre später, treibt viele Verantwortliche die Sorge um, dass diese Kenntnisse doch verloren gehen. 

Überlebende von Auschwitz hinter Stacheldrahtzaun. Foto von einem sowjetischen Fotografen während der Herstellung eines
Überlebende von Auschwitz hinter Stacheldrahtzaun im Februar 1945. © IMAGO/Reinhard Schultz | IMAGO

Der Tag der Befreiung dieses Konzentrationslagers wurde gewählt, weil Auschwitz-Birkenau wie kein anderes KZ für die Todesfabriken der Nationalsozialisten steht. Der Name ist das internationale Synonym für den Massenmord an Juden, Sinti, Roma und vielen anderen Verfolgten. Die SS tötete dort mehr als eine Million Menschen, durch Vergasung, Erschießung oder Zwangsarbeit. Bei der Ankunft der Deportationszüge aus ganz Europa „selektierten“ SS-Leute an der sogenannten Rampe zwischen Arbeitsfähigen und jenen, die sofort ermordet werden sollten.

Eine Mehrheit der Deportierten, darunter ältere und kranke Menschen, viele Frauen und Kinder, wurde als nicht arbeitsfähig angesehen und direkt in eine der schließlich vier Gaskammern getrieben. Die Leichen ließ man anschließend verbrennen. Auschwitz war auch Tatort brutaler Menschenversuche, die die Nationalsozialisten auf Grundlage ihrer Rassenlehre anstellen ließen. Eine zentrale Figur war der Arzt Josef Mengele, der grausame Versuchsreihen an sogenannten Zigeunern, an Juden und ihren Kindern durchführte und Epidemien im Lager durch Massenvergasungen bekämpfte. 

Auch interessant

„Unseren Augen bot sich ein schreckliches Bild: eine riesige Anzahl von Baracken … auf den Pritschen lagen Menschen … Skelette schon, mit Haut überzogen und abwesendem Blick. Es war schwer, sie ins Leben zurückzuholen“, erinnert sich Woronzow in dem Film. „Es war das Schrecklichste, was ich im Krieg gesehen und aufgenommen habe.“ Das mehrfach ausgezeichnete Werk zeigt mit seinen düsteren Schwarz-Weiß-Aufnahmen die Hinterlassenschaften der SS-Wachmannschaften, die das Lager am 19. Januar evakuiert und etwa 7600 Häftlinge, die zu schwach für den Abmarsch waren, ihrem Schicksal überlassen hatten.

Kameramann Alexander Woronzow
Der russische Kameramann Alexander Woronzow (l.) hat während und nach der Befreiung in Auschwitz gedreht. © Chronos Media | Chronos Media

Dazu mehrere hundert auf dem Gelände verstreute Leichen von Menschen, die verhungert, erfroren oder in letzter Minute erschossen worden waren. Später fanden die Befreier Massengräber, in denen Hunderte ermordete Gefangene verscharrt waren. In den Wochen zuvor hatte die SS Zehntausende Häftlinge auf der Flucht vor der heranrückenden sowjetischen Armee auf Fußmärschen Richtung Westen in andere Konzentrationslager getrieben. Auf diesen Todesmärschen starben Tausende. 

Lagerkommandant Rudolf Höß: „Auf mich wirkte diese Vergasung beruhigend“

Der wesentliche Organisator der Verbrechen von Auschwitz war in den Jahren 1941 bis 1944 der Lagerkommandant Rudolf Höß. „Im Sommer 1941 wurde ich zum persönlichen Befehlsempfang zum Reichsführer-SS Himmler nach Berlin befohlen. Dieser sagte mir dem Sinne nach: Der Führer hat die Endlösung der Judenfrage befohlen. Wir, die SS, haben diesen Befehl durchzuführen“, berichtete er als Zeuge im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess. Unter seiner Leitung wurden die Gaskammern installiert. „Ich selbst habe mir die Tötung, durch eine Gasmaske geschützt, angesehen. Der Tod erfolgte in den vollgepfropften Zellen sofort nach Einwurf. Nur ein kurzes, schon fast ersticktes Schreien, und schon war es vorüber. Ich muss offen sagen, auf mich wirkte diese Vergasung beruhigend, da ja in absehbarer Zeit mit der Massenvernichtung der Juden begonnen werden musste.“ 

Ohrdruf Gotha Konzentrationslager Konzentrationslager Auschwitz Einige der Überlebenden von Ausch
Einige der Überlebenden von Auschwitz stehen während der Ankunft der Roten Armee nahe dem Zaun. © IMAGO/Reinhard Schultz | IMAGO

Auch interessant

Höß konnte 1945 nach dem Sieg der Alliierten erst untertauchen und wurde dann als Zeuge in Nürnberg verhört. Anschließend wurde er in Polen vor Gericht gestellt und 1947 nach dem Todesurteil hingerichtet. Einen verstörenden Blick auf das Leben von Höß und seiner Familie in einer Villa unmittelbar neben dem KZ-Gelände wirft der 2023 entstandene Kinofilm „Zone of Interest“ von Jonathan Glazer. Der mit einem Oscar ausgezeichnete Film mit der Schauspielerin Sandra Hüller in einer der Hauptrollen transportiert das Grauen, ohne ein einziges Bild aus dem Inneren des Lagers zu zeigen. Es ist ein moderner Versuch, die Erinnerung wachzuhalten. 

Auch interessant