Berlin. Grenzkontrollen allein schützen nicht. Will Deutschland Geflüchteten helfen, braucht das Land ein Netzwerk zur Integration. Das kostet.

Nach der Tat von Aschaffenburg sind Debatten über Asylpolitik nachvollziehbar. Doch allein mit der Forderung nach mehr Grenzkontrollen, höheren Strafen und mehr Abschiebungen allein schützen wir keine Menschenleben. Der Fall Aschaffenburg offenbart fatale Lücken im Versorgungssystem. Menschen mit psychischen Erkrankungen finden kaum Plätze für Therapien. Das gilt schon für den 50 Jahre alten Studienrat aus Berlin. Das gilt noch viel mehr für Obdachlose, Geflüchtete, Drogenabhängige – gerade auch in kleinen und mittelgroßen Städten.

Ist ein Mensch eine Gefahr für das Leben anderer, muss er in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung. Er braucht Medikamente, vor allem aber eine Therapie. Das kostet Geld und Personal. Doch das gibt es nicht. Auch weil die Politik den Maschinenraum der Versorgung mit Gesundheit, Bildung und Integration sträflich vernachlässigt. Das Budget für Traumabekämpfung und die psychosozialen Zentren wollte die Ampel-Regierung im Herbst sogar noch kürzen.

Christian Unger
Es kommentiert: Politikredakteur Christian Unger. © Reto Klar | Reto Klar

Seit 2015 sind mehr als zwei Millionen Menschen nach Deutschland gekommen. Viele haben selbst Gewalt in ihrer Heimat erlebt – ein Risikofaktor dafür, selbst gewalttätig zu werden. „Wir schaffen das“, so hatte Angela Merkel es damals gesagt. Doch zehn Jahre danach ist die Kraft zur Integration aufgerieben. Oftmals basiert Hilfe für Geflüchtete auf den Schultern von Ehrenamtlichen. Das darf nicht sein.

Will Deutschland Menschen in Not aufnehmen, muss das Land ein Netzwerk aufbauen aus Ärztinnen, Sozialpädagogen, Asylentscheidern, Sprachlehrerinnen und Psychotherapeuten, aber auch Richterinnen und Mitarbeitenden in Ausländerbehörden, das diese Aufgabe stemmen kann. Nur so verhindern wir, dass Integration scheitert – und Menschenleben in Gefahr sind.