Berlin. Das Schicksal der Familie Bibas bewegt die Menschen weit über Israel hinaus. Sie steht auf der Geisel-Liste. Aber lebt sie überhaupt noch?
Zwei kleine rothaarige Jungs, einer noch ein Baby, der andere mit einem Schnuller im Mund. Ihre Mutter umklammert die beiden Kinder, die Augen der Frau sind vor Furcht weit aufgerissen. Es ist ein Bild von Shiri Bibas und ihren beiden Söhnen Ariel und Kfir, aufgenommen am Tag ihrer Entführung aus dem Kibbuz Nir Oz am 7. Oktober 2023. Das Schicksal der Familie Bibas bewegt die Menschen weit über Israel hinaus.
Jetzt soll die Familie freikommen. Sie steht auf der Liste der Geiseln aus Israel, die jetzt gegen palästinensische Gefangene ausgetauscht werden sollen. In sechs Tagen werden wieder drei Geiseln freigelassen. Ob Shiri, die beide Kinder Ariel und Kfir und ihr Vater Yarden lebendig nach Hause kommen werden, ist nicht klar.
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In den vergangenen Monaten haben jeden Samstagabend Tausende, häufig Zehntausende Menschen in den israelischen Großstädten für ein Abkommen zur Freilassung der israelischen Geiseln im Gazastreifen und eine Waffenruhe zu demonstrieren. Immer wieder waren auf den Plakaten die Fotos der Familie Bibas zu sehen. Shiri (33), Yarden (35), Ariel (5) und Kfir, der gerade einmal neun Monate alt war, als die Terroristen das Kibbuz überfielen, in dem die Familie nahe dem Gazastreifen lebte. Kfir ist die jüngste Geisel in der Gefangenschaft der Hamas.
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Beim Hamas-Überfall auf Israel wird der Kibbuz Nir Oz besonders hart getroffen
Der Kibbuz Nir Oz an der Grenze zum Gazastreifen wird am „Schwarzen Schabbat“ vor 15 Monaten vom Terror der Hamas und ihrer Verbündeten besonders hart getroffen. Die Terroristen töten und verschleppen rund 100 der etwa 400 Bewohner und zerstören fast alle Gebäude. Unter den Opfern ist auch die Familie Bibas. In israelischen Medien wie der „Times of Israel“ ist das Schicksal der Familie detailliert beschrieben worden.
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Vor dem Terrorüberfall soll die Familie darüber nachgedacht haben, von Nir Oz auf die Golanhöhen umzuziehen, weil sie die ständigen Raketenangriffe aus dem Gazastreifen heraus nicht mehr ertragen konnte. Als am 7. Oktober um 6:30 Uhr der Horror über die kleine Gemeinschaft hereinbricht, schreibt Yarden Bibas seiner Schwester Textnachrichten.
Er berichtet ihr von den heftigen Gefechten, von den Explosionen. Davon, dass er die beiden Jungs nicht ruhig halten kann, und dass er das Gefühl hat, dass jetzt alles zu Ende gehe. Um 9.45 Uhr brechen die Terroristen in das Haus der Familie ein. Einige Stunden später zirkulieren Videos von den Bibas. Die Mutter mit den Kindern, Yarden, blutüberströmt. Die Familie wird getrennt verschleppt. Shiris Eltern Margit und Yosi Silberman sterben bei dem Angriff.
Hamas behauptete bereits, dass die Kinder und die Mutter ums Leben gekommen
Was mit der Familie Bibas im Gazastreifen geschieht, ist unklar. Die israelischen Streitkräfte teilen einige Zeit nach dem Terrorüberfall mit, die Familie sei von der Hamas an eine andere militante Gruppe übergeben worden. Im Februar 2024 präsentiert die Armee den Angehörigen der Familie ein Video, dass die Mutter und die Kinder in der Gefangenschaft im Süden des Gazastreifens zeigen soll. Es soll wenige Tage nach dem 7. Oktober entstanden sein.
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Als Ende November 2023 im Rahmen einer mehrtägigen Feuerpause Dutzende israelische Geiseln im Austausch gegen palästinensische Gefangene freikommen, sind darunter auch Frauen und Kinder aus Nir Oz. Sharon Aloni Cunio und ihre beiden damals dreijährigen Zwillinge Yuli und Emma kommen frei, auch Doron Katz-Asher und ihre beiden Töchter Raz (damals 5) und Aviv (damals 2). Die Familie Bibas nicht.
Die Hamas behauptet am 29. November 2023, die Mutter und ihre beiden Söhne seien bei einem israelischen Luftschlag auf Khan Yunis ums Leben gekommen. Kurze Zeit später veröffentlichen die Terroristen ein Propagandavideo. Darin fleht Yarden Bibas die israelische Regierung an, die Leichen seiner Söhne und seiner Frau nach Hause zu bringen.
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Mit Kerzen und Luftballons wird an das Schicksal der jüngsten Geisel erinnert
Nili Margalit, die 50 Tage in Geiselhaft verbringen musste, erzählt dem israelischen Nachrichtensender „Kanal 12“, sie sei dabei gewesen, als die Terroristen Yarden direkt vor der Aufnahme mit der Nachricht vom angeblichen Tod seiner Liebsten konfrontierten.
Trotzdem geben die Angehörigen die Hoffnung nicht auf. Kfir Bibas wird zu einem der wichtigsten Symbole derjenigen, die für die Freilassung der Geiseln kämpfen. Sein Bild ist auf Wandmalereien in Tel Aviv zu sehen. An seinem ersten Geburtstag am 18. Januar 2024 denken Hunderte Menschen auf dem „Platz der Geiseln“ in der Küstenmetropole an ihn. Auch an seinem zweiten Geburtstag am vergangenen Wochenende versammeln sich wieder Menschen mit Kerzen und Luftballons, um an Kfir zu erinnern.
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Die Namen der Familie Bibas steht auf der Geiselliste – aber was heißt das?
Es ist der Samstag vor dem Inkrafttreten des neuen Abkommens. Einen Tag später werden Romi Gonen, Emily Damari und Doron Steinbrecher freigelassen. Die Bilder, die vor ihrer Freilassung im Gazastreifen aufgenommen werden und durch die Welt gehen, erinnern an die Aufnahmen, als die Hamas am 7. Oktober 2023 die israelischen Geiseln in Gaza vorführte. Maskierte und bewaffnete Hamas-Kämpfer begleiten den Jeep, in dem die drei Frauen sitzen, Tausende Männer und Jungen jubeln und rufen „Gott ist größer“. Es ist ein Spießrutenlauf für die Frauen.
Erneut ist die Familie Bibas nicht unter den Freigelassenen. Ihre Namen stehen aber auf der Liste der 33 Geiseln, die in der ersten Phase des Abkommens freikommen sollen. Kein Mensch weiß, wie viele dieser 33 Menschen tot, wie viele am Leben sind. Von Kfir Bibas, dem kleinen Jungen, der als Baby in die Hände der Terroristen fiel, von seinem Bruder Ariel und seiner Mutter Shiri hat es seit dem Oktober 2023 kein Lebenszeichen mehr gegeben.
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