Berlin/Washington. Im Interview verrät eine Wissenschaftlerin, welche Gefahren vom neuen US-Präsidenten ausgehen – und warum sie noch Hoffnung hat.
Die zweite Amtszeit von Donald Trump hat bei seinen Anhängern Jubelstürme ausgelöst. Bei anderen US-Bürgern begann seit dem vergangenen November das große Zittern. Nicht nur Frauen fürchten nun um die freie Entscheidungsgewalt über ihren Körper, auch Umweltschützer sehen in dem Befürworter von fossilen Brennstoffen einen gefährlichen Despoten.
Abigail Miller ist Anfang 30 und hat an einer Elite-Universität des Landes Umweltwissenschaften studiert – und das als Trump zum ersten Mal gewählt wurde. Mittlerweile arbeitet sie für eine staatliche Umweltschutzbehörde an der Ostküste der USA und kümmert sich in ihrem Bundesstaat um den Bereich der erneuerbaren Energien. Im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet die Expertin – die jedoch anonym bleiben möchte, weshalb wir ihren Namen geändert haben –, welche Auswirkungen der Regierungswechsel haben wird.
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Umweltexpertin über US-Wahlergebnis: „Oh nein, nicht schon wieder“
„Mein erster Gedanke, als klar war, dass Trump Präsident werden würde, war: ,Oh nein, nicht schon wieder‘“, erinnert sich Miller. Bei der ersten Präsidentschaft des Republikaners habe sie dieses für viele damals sehr überraschende Ergebnis noch verstanden. „Vielleicht waren die Leute damals so verzweifelt, dass sie für jemand gänzlich anderes gestimmt haben. Aber jetzt wussten wir doch, wie er als Präsident ist.“
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Trumps Ankündigungen, es den einzelnen Bundesstaaten freizustellen, wie sie mit dem Recht auf Abtreibung umgehen wollen, trifft bei – aus deutscher Sicht – überraschend vielen Amerikanern auf offene Ohren. Das spiegele auch das Frauenbild vieler seiner Wähler wider, meint Miller. „Frauen sind Bürger zweiter Klasse für sie.“ Vor allem aber sei die politische Debatte stark aufgeheizt und von Aggressionen geprägt. Die erneute Präsidentschaft werde von vielen als „Comeback“ beschrieben und sowohl Trump als auch die Mitglieder seines Kabinetts hätten keinen Grund sich zurückzuhalten, weil eine dritte Amtszeit nicht möglich ist, sagt Miller.
Die Namen, die für Trumps Kabinett vorgesehen sind, beunruhigen die Wissenschaftlerin zutiefst: Allen voran Lee Zeldin, der der amerikanischen Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency (EPA) überstellt sein wird. „Jemand, der absolut keine Erfahrung im Umweltsektor hat“, so Miller. Viele der Kandidaten und vor allem Zeldin hätten keine entsprechende Qualifikation und es sei erschreckend, wie leicht Geld und Loyalität es diesen Menschen gemacht hätten, solch hohe Ämter zu bekleiden.
US-Präsident setzt auf fossile Brennstoffe: Was Forscher nun befürchten
Für Trump sind erneuerbare Energien keine Alternative zur altbekannten Benzin-, Öl- oder Gasverbrennung. Daher dürften Projekte für grünen Strom in Zukunft aufs Abstellgleis geraten. Nur wenige Wochen vor seinem Amtsantritt kritisierte der designierte Präsident unter anderem den Fokus europäischer Länder auf erneuerbare Energien und forderte den Abbau der Windräder in der Nordsee.
Welche Auswirkungen diese Ansichten auf den Arbeitsalltag in ihrer Behörde haben wird, kann Abigail Miller noch nicht recht abschätzen. Auf der einen Seite seien viele Projekte zumindest durchfinanziert, auf der anderen Seite werde es definitiv einen Einstellungsstopp geben und die Finanzmittel für ihre Forschungen werden schrumpfen, worunter die Qualität der behördlichen Arbeit leiden wird. „Letztlich werden wir einfach deutlich schlechter informiert sein, was die Entscheidungen angeht, die wir auf einer bundesstaatlichen Ebene zu treffen haben“, erzählt Miller. Auch, weil man veraltete Daten nutzen werden müsse. „Das gibt einem das Gefühl völliger Unterlegenheit.“
Pariser Abkommen: Nach US-Exit „werden wir keine Einigkeit mehr sehen“
Trumps bisherige Schläge gegen den Umweltschutz dürften nach seinem Amtsantritt noch weiter zunehmen. „All das, nur mal zehn“, mutmaßt Miller. Schon am Tag seiner Vereidigung unterschrieb Trump ein Dekret, dass den erneut Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen besiegelte. Doch das Land ist einer der Hauptverursacher von CO₂. Ihr Austritt könnte Experten zufolge einen Dominoeffekt nach sich ziehen. Und selbst, wenn das nicht der Fall ist, werde diese Entscheidung für alle anderen Staaten einen faden Beigeschmack haben. „In diesem Bereich werden wir keine Einigkeit mehr sehen“, sagt Miller.
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Die Auswirkungen, die Trump und sein Team planen, können laut Miller für die globale Umwelt also katastrophal sein. „Wir kommen an einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt“, sagt die Umweltexpertin. Das gelte vor allem bei der Reduktion des CO₂-Ausstoßes, den die künftige Regierung wohl äußerst stiefmütterlich behandeln werde. Zwar hofft die Amerikanerin noch darauf, dass man sich dieser Problematik zukünftig mit neuen Technologien besser widmen könne, doch verliert auch sie zunehmend ihren Optimismus.
Zwar werden sich manche Teile der Natur nach einem US-Präsidenten Trump wieder erholen, doch andere werden das nicht schaffen. „Selbst mit all dem Geld der Welt wird das nicht möglich sein“, meint Miller. Durch vier Jahre schlechte Klimapolitik könnten letztlich Schäden entstehen, die sonst innerhalb von 20 bis 50 Jahren passieren würden. Das sei unmöglich wiedergutzumachen.
Umweltexpertin spricht Klartext: So denkt sie über die Trump-Wähler
Millers Zorn über ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger hält sich jedoch in Grenzen. „Ich kann es niemandem vorwerfen, dass sie für etwas gestimmt haben, dass sie für sich selbst als beste Lösung ansehen. Aber wie viele Menschen werden durch solch egoistische Entscheidungen leiden?“, fragt sie sich immer wieder. Dabei nicht die Fassung zu verlieren, ist für die junge Wissenschaftlerin ein täglicher Kampf.
Für Umweltschützer weltweit ist es angesichts der düsteren Aussicht ein leichtes, den Kopf in den Sand zu stecken. Doch Miller ist wild entschlossen, ihre Emotionen ins Positive umzukehren. „2016 war ich traurig und verwirrt, doch jetzt bin ich einfach nur wütend und motiviert. Denn, wenn wir nicht versuchen, die Lage zu verändern: Wer wird es sonst tun?“