Düsseldorf. Es ist noch keine Rebellion, aber die ersten Abgeordneten gehen auf Distanz zum Kanzler. Auch im größten SPD-Landesverband NRW.

Bundeskanzler Olaf Scholz scheint fest entschlossen zu sein, als Spitzenkandidat der SPD in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Eine richtige Rebellion gegen ihn ist derzeit zwar nicht in Sicht, aber Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich gab im ZDF zu, dass es intern ein „Grummeln“ gebe.

Ist Scholz‘ schlechter Ruf noch zu reparieren?

Tatsächlich haben einige sozialdemokratische Mandatsträger hinter vorgehaltener Hand ernste Zweifel an den Erfolgsaussichten mit Scholz. Inzwischen haben sich sogar die ersten Scholz-Kritiker aus der Deckung getraut: Markus Schreiber und Tim Stoberock, zwei Bürgerschaftsabgeordnete der SPD in Hamburg, fordern den Kanzler auf, nicht erneut zu kandidieren und den Weg für den viel populäreren Boris Pistorius freizumachen. Das negative Bild von Scholz in der Bevölkerung sei wohl „nicht mehr zu reparieren“, glauben sie. Zu den Scholz-Kritikern zählt auch ein hessischer Landrat. Auch er würde eine Kandidatur von Pistorius unterstützen. Der Verteidigungsminister sendet allerdings bisher keine Signale, dass er dazu bereit wäre.

Der Königsmord ist populär, der Königsmörder ist es nicht

Auch in NRW, also im größten Landesverband der Partei, rumort es. In der Landtagsfraktion scheint die Anti-Scholz-Stimmung ausgeprägter zu sein als unter den Bundestagsabgeordneten der SPD aus NRW, aber im Moment will niemand offen und persönlich rebellieren, denn die Erfahrung zeigt: Der „Königsmord“ ist zwar unter Umständen populär, der „Königsmörder“ aber nicht.

„Es gibt einen eindeutigen Trend in der Partei und auf der Straße hin zu Pistorius. Entscheidend ist die Frage, wer im Wahlkampf die besten Chancen hat, und das ist nicht Olaf Scholz. Er sollte am Tag, an dem er die Vertrauensfrage stellt, klarstellen, dass er nicht kandidieren wird“, sagte ein Mitglied der Landtagsfraktion dieser Redaktion. Bei einer Urwahl in der SPD zwischen Pistorius und Scholz würden sich 75 Prozent für Pistorius entscheiden. „Wir haben es mit einer für die SPD existenzbedrohenden Situation zu tun. Die Vorstellung, dass der unpopuläre CDU-Kandidat Friedrich Merz ausreicht, um gewinnen zu können, ist falsch. Das Bild, das Scholz in der Öffentlichkeit hat, ist dafür zu schlecht“, so das Landtagsmitglied.

Für eine Kandidatur von Pistorius sprächen dessen Regierungserfahrung und die Umfragewerte: „Er war lange Innenminister in Niedersachsen, und er hat in dem schwierigen Amt des Bundesverteidigungsministers gute Arbeit geleistet.“ Auch Parteichef Lars Klingbeil wäre ein geeigneter Kandidat.“

Boris Pistorius (SPD),  Bundesminister der Verteidigung besucht Litauen
Verteidigungsminister sind in der Regel nicht besonders populär in der Bevölkerung. Boris Pistorius (SPD) ist es gelungen, in diesem schwierigen Ressort zu glänzen. Das Bild zeigt ihn auf einem Leopard 2-Panzer. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Solche Einschätzungen werden von einer aktuellen Forsa-Umfrage gestützt. Demnach wünscht sich eine Mehrheit der Deutschen Boris Pistorius als SPD-Kanzlerkandidaten bei der vorgezogenen Neuwahl (Siehe Info-Kasten).

Pistorius viel beliebter als Scholz

Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich laut einer Forsa-Umfrage Boris Pistorius als SPD-Kanzlerkandidaten bei der vorgezogenen Neuwahl. In der Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag von RTL/ntv sprechen sich 57 Prozent der Befragten für den derzeitigen Bundesverteidigungsminister aus. Bundeskanzler Olaf Scholz (ebenfalls SPD) kommt hingegen nur auf 13 Prozent. 

Auch bei den Anhängern der Sozialdemokraten befürworten demnach 58 Prozent Pistorius - Scholz hingegen nur 30 Prozent. Ähnlich sieht es bei den anderen Parteien aus. Bei den Grünen-Anhängern präferieren 66 Prozent der Befragten Pistorius als Kanzlerkandidaten, bei CDU/CSU 70 Prozent und bei der FDP gar 71 Prozent. Zu Unterstützern der Linken, BSW und AfD gab es keine Angaben. (dpa)

Pistorius ist zwar in der Öffentlichkeit beliebt, aber nicht in allen Teilen der SPD

Ein anderes Landtagsmitglied der SPD befürchtet: „Das Rennen ist gelaufen. Mit Scholz wird das nichts mehr.“ Die Partei werde dennoch mit ihm in den Wahlkampf gehen und ein schlechtes Ergebnis erzielen.

Der Landespolitiker nennt zwei Alternativen zu Scholz: Lars Klingbeil und Boris Pistorius. „Klingbeil ist einer, der die SPD verkörpert. Allerdings ist er in der Öffentlichkeit nicht so bekannt. Boris Pistorius ist in der Öffentlichkeit beliebt, aber wenn er Kandidat wird, würde es die Partei zerreißen. Die Jusos und generell die Jüngeren in der SPD würden dann rebellieren.“

Die NRW-Abgeordneten der SPD im Bundestag halten noch die Füße still. „Bei einem Treffen in dieser Woche wurde deutlich, dass keiner unserer 207 Abgeordneten nach einer Auswechslung von Olaf Scholz rief. Das hat sicher etwas mit Dankbarkeit zu tun. Viele dieser Abgeordneten wären ohne den großartigen Schlussspurt von Scholz 2021 nie in den Bundestag gekommen“, sagt einer von ihnen. Allerdings sei die Lücke zwischen dem, wie Olaf Scholz tatsächlich sei und dem, wie er nach außen wahrgenommen werde, „unfassbar groß“. Scholz Achillesferse sei seine Unbeliebtheit.  

Die Bundestagsfraktion rebelliert nicht, spürt aber den Druck der Parteibasis

Die Frage Scholz oder Pistorius lasse sich so schwer beantworten, weil die Bedingungen stimmen müssten, so der Abgeordnete: „Der eine muss das wollen, der andere muss das nicht mehr wollen.“ Beides sei derzeit nicht zu erwarten.

„An der Basis fragen viele, ob Olaf Scholz der Richtige ist. Mitglieder vor Ort machen schon Druck“, erzählt ein anderer NRW-Bundestagsabgeordneter. Ihm selbst sei es im Grunde egal, mit welchen Spitzenkandidaten die SPD in den Bundestagswahlkampf ziehe. „Hauptsache, wir gewinnen.“ Die Ambitionen des Kanzlers auf die eigene Kandidatur scheinen unumstößlich zu sein. „Olaf will und sucht den Zweikampf mit Merz“, heißt es in der Fraktion. Aus dem Rennen nehmen könne er sich nur selbst.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) fällt die Antwort auf die Frage Scholz oder Wüst übrigens leicht: „Für uns passt Olaf Scholz als Kanzlerkandidat“, sagte er am Dienstag in der Landespressekonferenz

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