Düsseldorf. Die Polizei scheint im Anti-Terror-Kampf ohne Hilfe aus dem Ausland aufgeschmissen zu sein. Aber wollen wir wirklich mehr Überwachung?

Nach dem vereitelten mutmaßlichen Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin nimmt eine Diskussion über die Rechte der Sicherheitsbehörden Fahrt auf. Der Hinweis auf den Anschlag soll – wie in anderen Fällen zuvor – aus dem Ausland gekommen sein.

„Wir müssen unseren Sicherheitsbehörden das Handwerkszeug geben, um Terroristen und adere Straftäter im Internet und in sozialen Medien aufzuspüren“, sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) der „Bild“-Zeitung. Deutschland benötige eine „angemessene Speicherung von Verkehrsdaten bei den Telekommunikationsanbietern“.

Herbert Reul (CDU): „Welche Rechte brauchen die Behörden, um früh an Infos zu kommen?“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat wiederholt Lockerungen beim Datenschutz gefordert, zuletzt nach dem Anschlag von Solingen. Am Montag sagte er: „Wir müssen uns die Frage stellen, welche Rechte Sicherheitsbehörden brauchen, um früh an Informationen zu kommen. Bei terroristischen Anschlägen brauchen wir Wissen über potenzielle Täter und was konkret mit wem wo geplant ist.“ Das Sicherheitspaket der Ampel sei halbherzig.

Weniger Freiheit, dafür mehr Sicherheit. Ist das der Preis, der gezahlt werden muss?

Landesdelegiertentag der Gewerkschaft der Polizei NRW
Michael Mertens, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, ist für eine Datenspeicherung durch die Kommunikationsunternehmen von sechs Monaten Länge. © picture alliance / Roland Weihrauch/dpa | Roland Weihrauch

„Angesichts der Gefährdungslage müssen wir überlegen, wie viel Freiheit wir beim Datenschutz abgeben, um auf der anderen Seite mehr Sicherheit zu bekommen“, sagte der NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, dieser Redaktion. Kommunikationsanbieter sollten Verbindungsdaten sechs Monate lang speichern müssen, damit im Fall der Fälle die Polizei - die Einwilligung von Staatsanwaltschaften und Gerichten vorausgesetzt - eine Anordnung treffen könne, die Daten herauszugeben.

Urteil zur Vorratsdatenspeicherung

 Der Europäische Gerichtshofs (EuGH) hatte im Mai ein viel beachtetes Urteil gefällt: Darin wird festgehalten, dass die EU-Mitgliedstaaten Internetprovidern die Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen auferlegen können, allerdings unter der Voraussetzung, dass diese strikt getrennt von den dieser Adresse zugeordneten Identitätsdaten gespeichert werden. Zugriff auf die personenbezogenen Daten soll nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Verbrechensbekämpfung erlaubt sein. 

„Wir müssen unsere Behörden in die Lage versetzen, Terrorismus bereits im Vorfeld zu verhindern“, mahnte auch SPD-Landtagsfraktionsvize Elisabeth Müller-Witt. Der Anstieg von Straftaten sowie deren Planung, die vor allem im Internet geschehe, erfordere konsequentes Handeln. Es müsse geprüft werden, ob eine verhältnismäßige und rechtssichere Speicherung von IP-Adressen möglich sei.

FDP-Bürgerrechtlerin Leutheusser-Schnarrenberger: „Immer dieselbe rituelle Debatte“

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnt dagegen vor Experimenten mit dem Datenschutz: „Nach jedem verhinderten oder erfolgten terroristischen Anschlag wird immer dieselbe ritualisierte Debatte geführt. Mehr Daten, mehr Befugnisse, mehr Polizisten“, sagte sie dieser Redaktion.

Studie zu Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen vorgestellt
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) machte sich einen Namen in der deutschen Politik, als sie 1996 aus Protest gegen den „Großen Lauschangriff“ ihr Amt als Bundesjustizministerin niederlegte. Bis heute setzt sie sich engagiert gegen die Einschränkung von Bürgerrechten und für die Freiheitsrechte ein. In NRW genießt sie überparteilichen Respekt für ihre Arbeit als Antisemitismusbeauftragte. © DPA Images | Federico Gambarini

Gerade habe die Union zur eigenen „Profilierung“ ein Sicherheitspaket im Bundesrat abgelehnt, schon komme sie mit „alten Forderungen der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung“, kritisierte Leutheusser-Schnarrenberger, die auch NRW-Antisemitismusbeauftragte ist.

Die Behörden hätten den mutmaßlichen Attentäter von Berlin, einen abgelehnten Asylbewerber aus Libyen, offenbar nicht im Visier gehabt. „Dann nutzt auch die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht, wenn gar nicht gezielt gesucht wird“, sagte die Liberale. Wichtiger sei die Frage, warum der Ausreisepflichtige nicht abgeschoben wurde.

Mehr zum Thema