Düsseldorf. Nach dem Anschlag in Solingen herrscht Gewissheit: Es war islamistischer Terror. In NRW wird schon lange vor dem IS-Ableger ISPK gewarnt.
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den tödlichen Messerangriff von Solingen für sich beansprucht. Der Angreifer sei IS-Mitglied gewesen und habe die Attacke, bei der drei Menschen getötet und acht schwer verletzt wurden, aus „Rache für Muslime in Palästina und anderswo“ verübt, hieß es in einer Mitteilung beim IS-Sprachrohr Amak. Der Angriff habe einer „Gruppe von Christen“ gegolten.
Mutmaßlich bezieht sich der IS mit „Palästina“ auf den Krieg im Gazastreifen zwischen Israel und der islamistischen Hamas. Weder der IS noch die Terrororganisation Al-Kaida haben Bündnisse mit der Hamas. Die Gefahren durch Terrorismus und Radikalisierung in der islamischen Welt sind einigen Beobachtern zufolge durch den monatelangen Krieg in Gaza aber gestiegen. Deutschland ist neben den USA einer der wichtigsten Verbündeten Israels und auch einer der wichtigsten Waffenlieferanten.
Auch die Polizei Düsseldorf erhielt nach eigenen Angaben ein Bekennerschreiben des (IS) zu dem Messerangriff in Solingen. Jetzt müsse geprüft werden, ob dieses Schreiben echt sei, sagte ein Polizeisprecher.
Erstes IS-Bekennerschreiben in Deutschland seit 2016
Es ist Terrorismusexperten zufolge das erste Schreiben einer Selbstbezichtigung des IS für einen Angriff in Deutschland seit 2016. Bei dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz war der Islamist Anis Amri mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge gerast. 13 Menschen kamen ums Leben, Dutzende wurden verletzt. Nach Angaben des IS handelte der Attentäter in deren Auftrag.
Die Bedrohung durch den Islamischen Staat und seiner Ableger keineswegs neu. In NRW warnen die Sicherheitsbehörden schon lange vor dem IS-Ableger ISPK..
Im Juli 2023 nahm die Polizei an mehreren Orten in NRW sieben Terrorverdächtige fest. Die Männer werden verdächtigt, eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben und in Kontakt mit im Ausland befindlichen Mitgliedern des regionalen IS-Ablegers Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) zu stehen. Im Dezember 2023 werden nach einer Warnung ausländischer Nachrichtendienste Anschlagspläne auf den Kölner Dom bekannt. Auch hier gibt es einen ISPK-Bezug.
NRW ist Schwerpunkt bei Anti-Terror-Ermittlungen
Der Zugriff der Polizei vor einem Jahr und die Bewachung des Doms zum Jahreswechsel stehen im Zusammenhang mit einer Vielzahl von Ermittlungen gegen potenzielle islamistische Terroristen aus Zentralasien in Deutschland. Ein Schwerpunkt dieser Ermittlungen liegt in NRW.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte vor einiger Zeit in einem an die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern gerichteten Brief eindringlich vor Tadschiken, Kirgisen, Usbeken und Turkmenen in Deutschland mit Kontakten zum ISPK. Bund und Länder müssten ihre Erkenntnisse zu „zentralasiatischen Personen und Netzwerken in Deutschland und ihrer Bezüge zu terroristischen Organisationen, wie dem ISPK“ zusammentragen und sich wappnen.
Furcht vor der Radikalisierung von Tschetschenen in Deutschland
Der NRW-Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 beleuchtet an mehreren Stellen die Gefahren, die von islamistisch motivierten Extremisten ausgingen, insbesondere von Unterstützern des IS-Ablegers ISPK. Diese Terrorgefahr sei „sehr groß“, heißt es an einer Stelle. Es sei zudem mit einem Anwachsen der tschetschenischen Diaspora in Deutschland zu rechnen, also mit der Zuwanderung mit Menschen mit einem „erhöhten Radikalisierungspotenzial“. Die Strahlkraft der IS-Propaganda sei hierzulande immer noch groß.
Die Einschätzung der Gefährdungslage ist im März 2024 im Vergleich zu 2022 unverändert: Das NRW-Innenministerium, das Landes- und das Bundeskriminalamt reden aktuell weiter von einer eine „abstrakt hohen“ Terrorgefahr.
Gefahren durch selbst-radikalisierte Einzeltäter und Kleinstgruppen
Herbert Reul warnt die Innenministerkonferenz in seinem Brief: „Der ISPK erreicht über seine Propagandaarbeit in Sozialen Medien und über Messengerdienste auch in Deutschland lebende Personen. Hier versucht der ISPK, insbesondere selbst-radikalisierte Einzeltäter und autonom agierende Kleinstgruppen zu Anschlägen zu animieren und in Teilen auch hierbei anzuleiten.“