San Francisco. „Unerwartet“, „überraschend“, „einzigartig“: Archäologen überbieten sich mit Superlativen. So kam es zum spektakulären Fund von Riedlingen.
Archäologen sind in der Donauebene auf eine 2600 Jahre alte, gut erhaltene Grabkammer gestoßen. „Ein Glücksfall für die Archäologie“, jubelt Dirk Kraussen, Landesarchäologe von Baden-Württemberg.
Die Forscher fanden die Kammer aus frühkeltischer Zeit in einem riesigen Areal bei Riedlingen im Landkreis Biberach. Es handelt sich um einen Grabhügel. Durchmesser: 65 Meter. Höhe: Zwei Meter. „Ursprünglich dürfte er eine Höhe von über sechs Meter aufgewiesen haben“, teilte das Landesministerium für Bau mit.
Mit diesen Dimensionen gehöre er zur kleinen, exklusiven Gruppe der sogenannten Fürstengrabhügel. Sie wurden von den Kelten in Südwestdeutschlands zwischen 620 und 450 vor Christus für besonders hochstehende Persönlichkeiten gebaut.
Tunnel der Grabräuber
Bisher wurden mehrere Knochen eines menschlichen Skeletts geborgen, aber keine Beigaben gefunden. Den Grund dafür fanden die Archäologen schnell heraus: Zwei Raubgräbertunnel.
Die Plünderung sei sehr gründlich und systematisch gewesen, so die Forscher. Die Räuber nahmen alles mit. Sie ließen nur die Bronzeziernägel liegen, die vermutlich von einem vierrädrigen Wagen stammen und die Archäologen in der Annahme bestärken, „dass die Grabkammer ursprünglich reiche Beigaben enthielt.“
Archäologen völlig überrascht
Die Archäologen stießen nach eigenen Worten „völlig unerwartet“ nur knapp 70 Zentimeter unter der Oberfläche auf massive Eichenhölzer. Der Fund sei eine „große Überraschung“ und einzigartig. Denn: Unter normalen Bedingungen erhält sich Holz im Boden nur wenige Jahre bis Jahrzehnte.
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Der gute Zustand sei den „besonderen hydrologischen Bedingungen“ am Ort und der Konservierung durch Sauerstoffabschluss unter Grund- und Schichtwassereinwirkung zu verdanken. Eine vollständig erhaltene keltische Grabkammer wurde bisher überhaupt erst einmal in Deutschland entdeckt, nämlich 1890 bei Villingen im Schwarzwald.
Fund soll ausgestellt werden
Die bisher geborgenen Knochen stammen von einem schätzungsweise 15 bis 20 Jahre alten Mann, der 160 und 168 Zentimeter groß gewesen ist, wie eine anthropologische Autopsie ergab. Die Ausgrabungen werden in den nächsten Wochen fortgeführt und sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Geplant ist, alle Hölzer zu bergen, zu konservieren und zu restaurieren, um die Kammer später ausstellen zu können.
Die Kammer wurde in einer Nord-Süd-Richtung errichtet, ist 3,40 Meter breit und über vier Meter lang. Der Boden besteht aus Dielen, die Wände aus jeweils drei hochkant gestellten Bohlen, die sich an den Ecken überkreuzten und miteinander verkämmt waren.
Es war ein Fürstengrab
Ein etwa in der Mitte oben in die Längswände eingebrachter Querbalken trug einst das Gewicht der schweren Decke, bevor er unter dem Gewicht des Grabhügels in das Kammerinnere einbrach. Die Freilegung des Kammerbodens ist nicht abgeschlossen. Noch hoffen die Forscher, Objekte zu finden, die von Grabräubern übersehen wurden.
Obwohl schriftliche Quellen fehlen, lässt sich das Grab aufgrund der einzigartigen Holzerhaltung durch die Jahrringchronologie datieren. Ein „keulenartiges“ Holzartefakt, das die keltischen Erbauer zurückließen, wurde aus dem Holz einer im Jahr 585 vor Christus gefällten Eiche gefertigt – so alt dürfte auch das Fürstengrab von Riedlingen sein.
Hinweis auf Nachbestattung
Dicht unter der Oberfläche, am Rande des Grabmonuments, wurde noch ein Skelett freigelegt – von einem 25 bis 35 Jahre alten Mann. Dort fand man zwei Gewandspangen aus Bronze sowie einen kleinen Bergkristall, der vielleicht als Amulett getragen wurde.
Beigaben und Lage sprechen dafür, dass es sich um eine Nachbestattung handelte. Nur wenige Meter davon entfernt fand sich unter dem Grabhügel eine Grube mit zwei Tongefäßen, die menschlichen Leichenbrand enthielten, also als Urnen gedient hatten. Eine wichtige Frage ist offen: Für wen das monumentale Hügelgrab errichtet wurde.
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