Wien. Die FPÖ hat die Wahl in Österreich gewonnen. Die Rechtspopulisten setzen auf Abschottung und Verschwörungstheorien – und auf ein Vorbild.
Österreich hat gewählt – und das Ergebnis hat das Erdbeben gebracht, das erwartet worden war. Den Hochrechnungen zufolge hat die rechtsextreme FPÖ bei der Parlamentswahl einen Sieg eingefahren. Die ÖVP von Bundeskanzler Karl Nehammer verzeichnete den größten Verlust der Parteigeschichte. Ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt fuhr die SPÖ ein, die nur noch von rund jedem Fünften gewählt wurde. Die bisher an der Regierung beteiligten Grüne sowie die liberalen NEOS schafften den ersten Hochrechnungen zufolge zwar klar den Sprung ins Parlament, blieben aber einstellig. Zerknirschte Gesichter bei allen also – außer bei der FPÖ.
Denn was bereits klar ist: Es wird eine schwierige Suche nach einer Mehrheit im Parlament werden. Den ersten Hochrechnungen zufolge würde die FPÖ für eine Koalition nicht gebraucht werden – wenn sich SPÖ, NEOS und Grüne oder ÖVP, NEOS und Grüne zusammentun würden. Politisch ist all das allerdings unwahrscheinlich. Für eine Koalition aus SPÖ und ÖVP reicht es rechnerisch nicht.
An der FPÖ schient also kein Weg vorbeizuführen. ÖVP-Generalsekretär Christian Stöcker und Bundeskanzler Karl Nehammer schlossen eine Koalition mit der rechtsextremen Partei allerdings noch am Wahlabend aus. „Das war gestern so und das ist heute so und morgen wird es noch immer so sein“, sagte Stöcker. Personelle Konsequenzen vor allem bei der ÖVP, der SPÖ, aber auch den Grünen stehen im Raum. Nehammer kündigte am Abend an, weiter Parteichef der ÖVP bleiben zu wollen.
So hat Österreich gewählt:
- FPÖ: 29,2
- ÖVP: 26,3
- SPÖ: 20,6
- NEOS: 9,1
- Grüne: 8,7
- BIER: 2,1
- KPÖ: 2,3
Herbert Kickl sprach am Abend von einem „Machtwort“, das der Wähler gesprochen habe. Das Wahlergebnis sei ein klares Bekenntnis, dass es so nicht weitergehen könne im Land. Die FPÖ sei angetreten, um diese gewünschte Veränderung voranzutreiben. „Wir sind bereit, auch eine Regierung zu führen.“ Die anderen Parteien und der Bundespräsident müssten nun umdenken.
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Es gibt einige inhaltliche Schnittmengen mit der ÖVP: die Ablehnung des Endes für Verbrennermotoren oder von CO₂-Steuern. Auch bei der Migration gibt es Parallelen. Kompliziert wird es bei Corona-Politik, Antisemitismus, einer gewissen Gewalt-Toleranz oder Deutschtümelei.
Erst am Freitag vor der Wahl wurde in Wien ein langjähriger FPÖ-Lokalpolitiker zu Grabe getragen – unter dem Beisein ranghoher und auch zur Wahl stehender FPÖ-Granden. Dabei wurde das Treuelied der SS auf das „heil’ge deutsche Reich“ gesungen. Am Abend desselben Tages wurde ein Team des privaten TV-Senders Puls24 auf dem Wiener Stephansplatz bei der Abschlusskundgebung der FPÖ tätlich angegriffen.
Solche Aktionen haben einen ausformulierten Unterbau. Es lohnt sich ein Blick in das Wahlprogramm der FPÖ. Titel: „Festung Österreich“. Eingangs heißt es da: Man wolle den „Auflösungsprozess unseres Staates“ stoppen und „Österreich wieder die volle Verfügungsgewalt über die drei wesentlichen Elemente – Regierung, Raum und Volk“ verschaffen. Die Kernthemen und Feindbilder der FPÖ sind da unmissverständlich umrissen: Migration, Medien, Wissenschaft, Gender-Identität, gepaart mit einem wohl gehegten Opfermythos. So heißt es unter dem Punkt „Freie Meinungsäußerung“ und „Gesinnungsjustiz“: Durch einen „überschießenden Verhetzungsparagrafen“ würden „rechte Politik und Meinungen tendenziell kriminalisiert“.
Was der FPÖ vorschwebt, ist Abschottung gegenüber EU und Weltgesundheitsorganisation – begründet mit Neutralität. Wörtlich ist da von einer „immer größeren Abhängigkeit von internationalen Organisationen“ die Rede, die die Souveränität Österreichs einschränke. Österreich müsse sich „aus diesen Zwängen lösen“. Folglich heißt es: Nein zum Raketen-Abwehrsystem „Sky Shield“ und zu militärischen Transporten durch Österreich.
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Was der FPÖ vor allem aber vorschwebt, ist das Ende jeglichen Zuzugs. Vorbild ist Ungarn. Migration ist das Lieblingsthema der FPÖ – und die Pläne der Partei sind denkbar radikal: Gefordert wird die „gesetzliche Möglichkeit, das Asylrecht temporär vollständig auszusetzen“. Weiter heißt es: „Für Afghanen, Syrer und Marokkaner sind wir nicht zuständig.“ Gefordert werden Pushbacks an der Grenze. „Pull-Faktoren“ seien „umgehend abzustellen“. Konkret: Alle Unterstützungen „in Form von Geldleistungen, Unterbringung, Sozialhilfe, Gesundheitsversorgung, Familienförderung“ müssten eingestellt werden.
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Nach innen ist Migration aber keinesfalls das einzige Feld, in dem die FPÖ ihr Themen-Süppchen kocht. Ziele und Feindbilder der Partei sind ausgemacht: NGOs, Medien, Universitäten, Schulen. Da ist zum Beispiel von einer „permanenten Transgender-Gehirnwäsche“ die Rede, die „nur auf eine Zersetzung unserer gesellschaftlichen Grundlagen“ abziele – während im nächsten Absatz „volle Härte gegen Kinderschänder“ gefordert wird. Bezüglich Schulen und Unis heißt es: Schulen und Universitäten dürften „nicht länger Experimentierfelder für Genderwahnsinn und Wokismus sein“. Um die „gebotene Neutralität im Unterricht zu gewährleisten“, solle „eine Meldestelle gegen politisierende Lehrer eingerichtet werden“.
Und zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF heißt es: Er indoktriniere „Zuschauer in Richtung einer links-grünen Ideologie“. Zur Finanzierung des ORF heißt es zudem: „Die Bevorzugung des von Gesinnungsjournalismus geprägten ORF durch eine Zwangsabgabe ist nicht zu rechtfertigen.“ Der ORF wird in Österreich über eine Haushaltsabgabe finanziert. Die FPÖ fordert eine Finanzierung aus dem Budget – was noch mehr politische Abhängigkeit als ohnehin bereits mit sich bringen würde.
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FPÖ setzt auch auf Verschwörungstheorien
Das ist eine alte Forderung. Neu ist: Die FPÖ will NGOs intensiver kontrollieren. Denn, so heißt es, diese „beeinflussen in immer höherem Ausmaß den öffentlichen Diskurs“ und dabei bleibe „häufig im Dunkeln, wer diese Organisationen finanziert und wessen Interessen damit vertreten werden“. Entsprechende Organisationen sollten dem Nationalrat jährlich einen Bericht vorlegen.
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Eine weitere Stoßrichtung im innenpolitischen Programm der FPÖ: Diverse Verschwörer-Themen (Bargeld in die Verfassung, WHO als Feindbild) allen voran Corona. Gefordert wird eine „ausnahmslose Amnestie für alle von Verwaltungsstrafen Betroffenen, etwa bei Verstößen gegen die Abstandsregeln oder das Maskentragen, und eine Rücküberweisung aller eingehobenen Strafen“. Ebenso solle ein „Hilfsfonds für Corona-Folgen“ eingerichtet werden, über den „Geldleistungen im Zusammenhang mit Impfbeeinträchtigungen“ abgewickelt werden.
Ein Beispiel dafür gibt es auch bereits: Niederösterreich. Dort regiert die ÖVP in Koalition mit der FPÖ. Und die ÖVP hat sich dort als inhaltlich äußerst flexibel erwiesen. Ein solcher Fonds wurde dort eingerichtet, Impfkampagnen wurden ausgesetzt.