Düsseldorf. Ministerpräsident will die zunehmende soziale Isolation zum politischen Thema machen - auch wenn der Staat nur Impulse setzen kann.
Die Landesregierung will den Kampf von ehrenamtlichen Initiativen gegen die zunehmende Vereinsamung von Menschen stärker unterstützen. „Der Staat kann nicht per Gesetz Einsamkeit bekämpfen“, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Freitag in Düsseldorf, aber die Staatskanzlei werde künftig „auf einer Internetplattform die besten Beispiele zeigen“. Zudem sei es sein Ziel, die Ehrenamtsförderung stärker „auszurichten auch auf Dinge, die gegen Einsamkeit helfen“, so Wüst weiter.
Eine neue Stabsstelle in der Staatskanzlei plant zurzeit eine „Einsamkeitskonferenz“, in der auch wissenschaftliche Ansätze diskutiert werden sollen. „Wir wollen forschen an dem Phänomen, um es genauer zu ergründen“, kündigte Wüst an. Dazu gehöre neben der klassischen Alterseinsamkeit, wenn Partner und Freunde versterben, das Berufsleben endet oder die Kinder das Elternhaus verlassen, auch die neue Einsamkeit junger Leute gerade nach der Corona-Pandemie.
Über 14 Prozent der Menschen in NRW sind einsam
Über 14 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen fühlen sich einsam. Das geht aus dem Bericht einer parteiübergreifenden Enquetekommission hervor, die sich in der vergangenen Legislaturperiode im Landtag mit dem Thema beschäftigt hat. Unter Einsamkeit versteht man das subjektive Gefühl, dass zwischen den erwünschten und tatsächlichen sozialen Beziehungen eine Lücke klafft.
„Den Menschen fehlt Gesellschaft und der Gesellschaft fehlen Menschen“, sagte Wüst und appellierte an Ehrenamtler, sich einzubringen. Der Ministerpräsident setzte sich am Freitag persönlich ans „Silbertelefon“ in Düsseldorf und half einige Minuten aus. Dabei handelt es sich um eine bundesweite Hotline (Telefon: 0800 4708090) für Menschen ab 60, die anonym ein Gespräch führen möchten. Allein im Mai sind dort aus dem NRW-Festnetz etwa 1200 Anrufe eingegangen, noch einmal so viele waren es schätzungsweise per Mobiltelefon.
Wüst setzt sich selbst ans Einsamkeitstelefon
„Ich habe eine Viertelstunde mit einer Dame telefoniert, und ich glaube der ging es nachher deutlich besser als vorher. Für mich war es kein Aufwand, aber für die Frau war das heute das wichtigste Gespräch, vielleicht das einzige“, sagte Wüst. In der kommenden Woche reist der Ministerpräsident nach Japan und will dort weitere Erkenntnisse sammeln, wie man mit dem Problem sozialer Isolation in einer noch schneller alternden Gesellschaft umgeht.
Der Ministerpräsident hatte das Problem der Einsamkeit überraschend bereits in seiner ersten Regierungserklärung im Sommer 2022 zum Thema gemacht und damals gesagt, man werde sich „mit der Unsichtbarkeit dieser Menschen nicht abfinden“. Betroffene haben ein deutlich höheres Risiko, an Depressionen, Schlafstörungen, Demenz oder Herz-Kreislaufversagen zu erkranken. Die Stabsstelle in der Staatskanzlei soll ressortübergreifend Förderprogramme des Landes stärker auf soziale Begegnungen ausrichten und die Hilfsinfrastruktur verbessern.