Berlin. Besonders viele junge Wähler stimmten bei den Landtags- und Europawahlen für die AfD. Die Gründe sind komplex, ein Experte ordnet ein.
Die Ergebnisse der Landtagswahlen im Osten zeigen es ganz deutlich: Junge Wähler fühlen sich zur AfD hingezogen. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg stimmten jeweils mehr als 30 Prozent der Unter-25-Jährigen für die Partei, die in zwei der drei Bundesländer als gesichert rechtsextrem gilt. Deutschlandweit ist der Trend nicht ganz so extrem, bei der Europawahl stimmten 16 Prozent der 16- bis 24-Jährigen für die AfD. Doch auch das ist ein Wachstum von 11 Prozent im Vergleich zu 2019.
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Der Jugend- und Organisationsforscher Kilian Hampel ist einer der Autoren der Jugendstudie „Jugend in Deutschland“. Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt er, warum junge Menschen sich so sehr zur AfD hingezogen fühlen.
Die AfD hat bei den Landtagswahlen und auch bundesweit bei den Europawahlen bei den 16- bis 24-Jährigen massiv zugelegt, die Grünen hingegen massiv verloren. Warum rutschen junge Wähler nach rechts?
Kilian Hampel: Man muss schon sagen, dass wir in Ostdeutschland die zugespitzte Variante der bundesweiten Tendenzen sehen. Das hat insbesondere strukturelle Gründe, denn die AfD ist bei jungen Männern und auf dem Land deutlich beliebter, während die Grünen vor allem in Städten mit Studierenden punkten können, welche in den ostdeutschen Bundesländern aber deutlich weniger vorkommen. Grundsätzlich hat in den letzten Jahren eine Themenverschiebung stattgefunden. Themen wie Armut, Wirtschaft und Migration, die vor einigen Jahren noch weniger Sorge bereitet haben, sind in den Vordergrund gerückt. Das Thema Klimaschutz ist hingegen in den Hintergrund getreten.
Warum ist das so?
Hampel: Junge Menschen erleben eine Zeit multipler Krisen mit extremen Herausforderungen. Von ihnen wird erwartet den Wohlstand zu erhalten, gleichzeitig wird der Generation dauernd Faulheit vorgeworfen. Auch die persönliche finanzielle Lage ist schwierig, wenn junge Menschen eine Dönerpreisbremse fordern, steht dahinter die ernst zu nehmende Sorge, sich das sonst nicht mehr leisten zu können. Das ist auch eine extreme psychische Belastung. Dazu kommt das Gefühl, von den aktuellen Entscheidungsträgern im Stich gelassen zu werden. Sie fühlen sich nicht ernst genommen und nicht gehört, das führt zu Frust und der äußert sich in der Wahlentscheidung.
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Spielt das klassische Links-Rechts-Schema bei jungen Menschen überhaupt noch eine Rolle?
Hampel: Eher weniger. Das sieht man auch an den Erfolgen des BSW. Grundsätzlich sind junge Menschen schon immer recht flexibel in ihrem Wahlverhalten und knüpfen das stark an die derzeitige Lage. Ihnen ist also relativ egal, ob sie links oder rechts wählen, sondern sie achten darauf, wovon sie sich eine bessere Zukunft versprechen
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Fehlt es auch an politischer Bildung?
Hampel: Politische Bildung und Medienkompetenz sind extrem wichtig, nicht nur bei jungen Menschen, sondern in allen Altersklassen. Alle Trägerinnen und Träger politischer Bildung bräuchten mehr Ressourcen, bekommen sie in der wirtschaftlich angespannten Lage derzeit aber nicht. Besonders im Osten kommt dazu noch der starke Einfluss der als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD-Jugendorganisation Junge Alternative. Diese trägt klar zur Radikalisierung bei.
Die AfD setzt auf TikTok, KI-Songs und Browsergames. Ist sie cooler als andere Parteien?
Hampel: Ich würde es anders formulieren: Sie erreicht junge Menschen besser. Sie hat bereits vor vielen Jahren verstanden, dass sie auf junge Menschen zugehen muss und deren Sorgen ansprechen muss. Das ist als Oppositionspartei auch etwas einfacher. Die sozialen Medien spielen klar eine Rolle, sind aber auch nicht der einzige Grund für den Erfolg der AfD. Aber die Partei nutzt Jugendsprache und bespielt die Algorithmen der Plattformen mit einer ganz klaren Strategie. Da werden auch die Bundestagsreden so geschrieben, dass sie sich für die sozialen Medien eignen. Auch ihr Populismus, der unterkomplexe Lösungen für komplexe Fragen bietet, wird von den Plattformen gefördert.
Auch die NSDAP war in ihrer Anfangszeit besonders bei jungen Menschen populär und setzte auf eine gezielte Jugendstrategie. Hat die AfD sich historisch inspirieren lassen?
Hampel: Das ist schwierig, seriös zu beantworten. Was man allerdings schon beobachten kann: Die AfD bedient sich nachweislich nationalistischer und populistischer Traditionen und spielt mit Provokationen und Kontroversen. Gleichzeitig findet bei Demonstrationen oder Kundgebungen, auch von der Jungen Alternative, wenig Abgrenzung zu rechtsextremen Personen oder Symbolen statt. Von daher liegt der Vergleich mit der NSDAP tatsächlich nahe. Gleichzeitig darf man deswegen nicht alle AfD-Wähler als rechtsextrem abtun und ihre Sorgen nicht ernst nehmen. Insbesondere bei den jungen Menschen tun wir uns keinen Gefallen, diese als rechtsextrem abzustempeln.