Berlin/Potsdam. Die AfD verpasst ihr Wahlziel bei der Brandenburg-Wahl, feiert in Potsdam aber trotzdem. Doch die Partei steckt nun in einem Dilemma.
Sie hatten sich mehr versprochen. Wochenlang hatte es ausgesehen, als würde Brandenburg nach Thüringen das zweite Bundesland werden, in dem nach 1945 eine Rechtsaußen-Partei eine Landtagswahl gewinnt. Als könnte die AfD der SPD dort den Status als stärkste Kraft im Land abjagen – „Woidke in Rente schicken“, das war das offizielle Wahlziel. Parteiprominenz von den Co-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla bis hin zu Björn Höcke, dem Landesvorsitzenden in Thüringen, war angereist, um das zu feiern.
Als am Sonntagabend die ersten Zahlen zu den Wahlergebnissen kommen, ist klar: Dieses Ziel hat die Partei verfehlt, trotz deutlicher Zugewinne im Vergleich mit 2019.
Und trotzdem jubeln sie, auf der Wahlparty der AfD ganz am Rand von Potsdam. Draußen vor der Tür versuchen 200 bis 300 Demonstranten, der Partei ihre Abneigung klarzumachen. Drinnen im Landgasthof wissen sie, dass fast ein Drittel der Wählerinnen und Wähler in Brandenburg für sie gestimmt hat. Und am Abend sieht es auch danach aus, dass die Partei mit einem Drittel der Sitze im Landtag eine Sperrminorität hat.
AfD: Koalitionsfähig werden – oder weiter Waffen als Wahlgeschenke verteilen?
Auch wenn es nicht der erhoffte Triumph ist, bleibt das Ergebnis ein Erfolg für die AfD. Einer in einer Serie von solchen. „Einmal Gold geholt, zweimal Silber“, so fasst Parteichef Chrupalla am Abend die Ergebnisse der drei Landtagswahlen im Herbst aus Sicht seiner Partei zusammen. Bundesweit liegt die AfD in Umfragen auf Platz 2. Nur: Was hat sie davon?
Von einer Regierungsbeteiligung ist die Partei nach wie vor weit entfernt. Keine der anderen Parteien ist bereit, mit ihr zu koalieren, nicht in den Ländern, schon gar nicht im Bund. Und auch wenn AfD-Politiker das immer wieder als „undemokratisch“ beklagen, ist nicht absehbar, dass sich das in näherer Zukunft ändert.
Die Partei stecke damit in einem Dilemma, sagt Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler von der Universität Kassel. „Sie ist an der Wahlurne sehr erfolgreich, machtpolitisch aber nicht, weil sie keine Machtoption hat, die sie ausspielen kann.“ Die Partei müsse sich deshalb damit auseinandersetzen, was das für ihren Kurs in der Zukunft bedeute. „Ob sie weiter eine Erpressungspartei sein will, die vor allem versucht, die anderen mit ihren Themen vor sich herzutreiben“, sagt Schroeder. „Oder ob sie versucht, sich zu einer Koalitionspartei zu wandeln, und dafür auch bereit wäre, Kompromisse einzugehen.
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In den ostdeutschen Landesverbänden, auch in Brandenburg, macht die Partei keine Anstalten, sich weniger radikal zu geben. Anders als die AfD in Sachsen und Thüringen wird die Partei in Brandenburg zwar nicht als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Trotzdem markiert sie gemeinsam mit den beiden Freistaaten den radikalsten Rand der Partei.
Die Landtagsfraktion fordert nach dem islamistischen Attentat von Solingen ein Betretungsverbot für öffentliche Veranstaltungen für Asylbewerber, Menschen mit anerkanntem Schutzstatus und auch ukrainische Geflüchtete. Die Landtagsabgeordnete Lena Kotré verteilte als Werbegeschenk im Wahlkampf einen sogenannten Kubotan – einen spitzen Metall-Stift, der in anderen Ländern verboten ist. Und über Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt, der selbst als rechtsextremistisch eingestuft wird und den rechtsextremen Verein „Zukunft Heimat“ in Cottbus gründete, ist der Verband eng vernetzt mit der Neuen Rechten außerhalb des Parlaments.
Die AfD will den anderen in der Migrationspolitik ihren Kurs aufzwingen
Den ostdeutschen AfD-Verbänden, sagt Benjamin Höhne, der an der TU Chemnitz unter anderem zu Populismus forscht, sei es gelungen, das rechtsextreme Spektrum an sich zu binden und zugleich in die Mitte auszustrahlen – „das haben NPD und DVU so nie geschafft.“
Diese AfD-Gliederungen würden ihre Radikalität dabei nicht verstecken. „Die Frage ist, ob diese Ausrichtung auch im Westen so erfolgreich wäre, oder ob man da nicht stärker auf die Normalisierungsstrategie setzen und sich gemäßigt präsentieren will.“ Vorbild könnte da etwa das Rassemblement National in Frankreich sein, das diesen Weg seit einiger Zeit geht – und sich deshalb im Europaparlament von der AfD distanziert hatte.
Eine Tendenz innerhalb der Parteispitze, auf welchen Kurs man setzt, sieht Wolfgang Schroeder noch nicht. Ohnehin liege die Entscheidung nicht bei den Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla – für einen Kurs, der die AfD koalitionsfähig macht, bräuchten sie Rückhalt innerhalb der Partei, den sie nicht hätten. „Vielleicht braucht die Partei noch drei, vier solcher Papiersiege, um zu verstehen, dass sie auf diesem Weg eher an Zuspruch und Einfluss verliert, anstatt sie zu gewinnen“, sagt er.
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Auf der Wahlparty singen sie: „Wir schieben sie alle ab“
Die AfD rühmt sich in der Zwischenzeit, auch aus der Opposition heraus den Kurs der Politik zu prägen. Man habe die anderen Parteien zu Aussagen über Migration genötigt, sagte Spitzenkandidat Berndt am Sonntag. „Wir haben sie gezwungen, die Masken fallen zu lassen.“ Ähnliches hatte Co-Chefin Alice Weidel schon nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen gesagt.
Unter Verweis auf die hohen Stimmanteile bei jungen Wählern – die AfD wurde stärkste Kraft in den Altersgruppen bis 24 und bis 34 – sprach Berndt von der AfD als „Partei der Jugend“. Die AfD werde den Ministerpräsidenten stellen, sagte er. Wenn nicht in dieser Legislatur, dann in der nächsten.
Dass sie dafür weniger radikal werden müssen, glauben sie in Potsdam offenbar nicht. Auf der Wahlparty dichten die AfD-Anhänger am Abend einen Song des Hip-Hop-Duos Die Atzen um: „Hey, jetzt geht’s ab“, singen sie. „Wir schieben sie alle ab.“