Washington/Philadelphia. Das TV-Duell offenbart viel Grausiges über Donald Trump. Wer ihn nun abschreibt, macht einen Fehler. Kamala Harris steht unter Druck.
Die erste und gemessen am Erkenntnisgewinn hoffentlich auch letzte Debatte zwischen Donald Trump und seiner ihm in allen Belangen haushoch überlegenen demokratischen Konkurrentin Kamala Harris war wie erwartet: hässlich. Was nicht an der Demokratin lag, die sich respektvoll den fundamentalen Meinungsverschiedenheiten mit dem Republikaner widmete.
Trump hingegen blieb bei seinem bekannten Streifen. Ätzen. Verleumden. Verdrehen. Lügen. Und kraftmeierische Radikal-Lösungen in die Welt setzen. Viel mehr kann er nicht. Viel mehr konnte er noch nie.
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Das war erwartungsgemäß schäbig. Aber nicht wertlos. Unentschlossene Wähler erfuhren noch ein Mal in aller Drastik, wie geringschätzig der 78-Jährige auf die amerikanische Demokratie blickt. Und wie verquer sein Blick auf das Land ist, das alles ist – aber nicht dem Untergang geweiht. Der Geschlechter-, Alters- und Wesensunterschied der Kandidaten entfaltete während des 100-minütigen Schlagabtauschs eine ganz eigene Kraft.
Kamala Harris lädt Trump zur Selbstzerstörung ein
Trump war schon 2016 gegen Hillary Clinton ein Ekelpaket und 2020 gegen Joe Biden oft unsortiert im Kopf. Gegen Harris wirkte der MAGA-Mann wie ein politischer Pflegefall. Ein rachsüchtiger Alter, der in seiner Phantasie-Welt stecken geblieben ist, fortwährend alte Schlachten nachspielt, Sündenbock-Theorien (Einwanderer) reitet – aber für die Zukunft der Nation nichts im Angebot hat.
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Wie Harris, in sich ruhend, rhetorisch präzise, den Republikaner ins Leere laufen ließ und zur Selbstzerstörung einlud, wird noch tagelang die politische After-Party dominieren. Erste Auswirkungen sind bereits zu vermelden. 283 Millionen Instagram-Anhänger von Mega-Star Taylor Swift wissen nun endlich, wo ihr Liebling steht – bei Kamala. Allein daran geht Trump seelisch kaputt.
Oberflächlich betrachtet steckt das Rennen um das Weiße Haus aber weiter in einer Patt-Situation. Harris und Trump liegen in den Umfragen gleichauf. Schaut man etwas tiefer in die Zahlen, wird die Anspannung im Harris-Lager trotz des gelungenen Abends verständlich. Joe Biden lag 2020 zum gleichen Zeitpunkt in nahezu allen relevanten Wähler-Gruppen (Junge, Alte, Frauen, Latinos, Schwarze) deutlich besser als sie – und sowieso vor Trump.
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Wähler trauen Harris in wirtschaftlichen Fragen wenig zu
Am Ende gewann der Demokrat aber nur um Haaresbreite. Heißt: Setzt sich Harris mit dem Wind von Philadelphia im Rücken nicht bald spürbar ab, kann Trump trotz seiner Entzauberung am Ende die Nase vorn haben. Harris bleibt nach dem TV-Duell nur wenig Zeit, um Parteiunabhängige und moderate Vorstadt-Republikaner in ihr Camp zu lotsen, deren Toleranz für Trump ausgeschöpft ist.
In sechs von sieben „Swing States”, auf die es am Ende ankommen wird (North Carolina, Pennsylvania, Georgia, Wisconsin, Michigan und Nevada) beginnt noch im September die Briefwahl. Entsprechend hochtourig wird die Mobilisierung ausfallen müssen. Dabei muss sich für Harris eine Schere schließen, will sie die erste Präsidentin in der bald 250-jährigen Geschichte der USA werden.
Zu viele Wähler halten sie nach wie vor für zu liberal und in ökonomischen Dingen für unbedarft. Zu wenige sehen dagegen in der richterlich beglaubigten Kriminalität Trumps ein Ausschluss-Kriterium. Wem trauen sie eher zu, den Kurs des Landes zu ändern und Wandel herbeizuführen? Krass aber wahr: Bei dieser Frage genießt Trump ungeachtet seines blamablen Auftritts weiter den höheren Vertrauensvorschuss.
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