Berlin. In den letzten Wochen gab es in Deutschland und anderen Ländern Vorfälle mit Brandsätzen in Paketen. Dahinter könnte Russland stecken.

Die Gefahr durch Sabotageakte in Deutschland wird immer größer: Jetzt warnen Sicherheitsbehörden „vor unkonventionellen Brandsätzen“ in Frachtsendungen – womöglich auch in Flugzeugen, mit katastrophalen Folgen. Sprecher des Bundeskriminalamts (BKA) und des Bundesverfassungsschutzes (BfV) bestätigten unserer Redaktion, dass sie am Mittwoch ein nicht öffentliches Warnschreiben an Unternehmen der Frachtbranche und an Luftfahrt- und Logistikverbände verschickt haben.

Das Schreiben enthielt den Hinweis auf die Gefahr durch unkonventionelle Brandsätze: Diese seien offenbar verschickt worden, um Unternehmen und logistische Infrastruktur in westlichen Staaten zu schädigen. BKA und Verfassungsschutz riefen die Unternehmen und Verbände dazu auf, sie sollten ihre Beschäftigten sensibilisieren und Vorsichtsmaßnahmen ergreifen - es sei möglich, dass weitere Pakete unterwegs seien oder noch versendet würden.

Paket soll ganzen Frachtcontainer entzündet haben

Auch in Luftfahrtkreisen ist nach Informationen unserer Redaktion von sicherheitsrelevanten Vorfällen die Rede, entsprechende Informationen kursierten seit einigen Tagen. Ein Vorfall soll sich im DHL-Logistikzentrum Leipzig ereignet haben. Dort soll nach einem Bericht der dpa ein aus dem Baltikum verschicktes Paket Feuer gefangen haben, das einen Brandsatz enthielt. Das Paket habe einen Frachtcontainer mit weiteren Paketen in Brand gesetzt, der Brand soll aber rasch gelöscht worden sein.

Das Paket mit dem Brandsatz sollte in Leipzig umgeladen und zu seinem Empfänger weitergeschickt werden. In diesem Fall ermittelt offenbar bereits der Generalbundesanwalt. Es gibt aber weitere Fälle in Europa, offenbar stets nach einem Muster: Die Pakete sollen elektrische Gegenstände und Behältnisse mit Flüssigkeiten enthalten haben. Verdächtig: Die hohen Versandkosten der Pakete standen in keinem Verhältnis zum geringen Warenwert der Sendungen, so die Ermittlungen. 

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DHL: Haben Maßnahmen ergriffen

Das Logistik-Unternehmen DHL spricht von zwei bekannten Vorfällen in seinem Netzwerk und von Behörden-Ermittlungen in mehreren Ländern. Es seien in allen europäischen Ländern Schutzmaßnahmen eingeleitet worden. Die dpa zitiert aus dem Sicherheitshinweis, es gebe „Kenntnis von mehreren Paketsendungen, die von Privatpersonen an Standorten in Europa aufgegeben wurden und auf dem Weg zu ihren Adressaten in mehreren europäischen Ländern in Brand gerieten“. Nach Informationen unserer Redaktion soll es aber auch Hinweise geben auf ähnliche Vorfälle in den USA. In Luftfahrtkreisen heißt es, die Sicherheitswarnung werde sehr ernst genommen. Es gebe zwar an den Frachtflughäfen Kontrollen etwa mit Röntgengeräten und in den Flugzeugen Löschanlagen, dennoch sei große Vorsicht geboten.

Eindeutige Hinweise auf eine russische Urheberschaft gibt es bisher nicht. Doch heißt es in Sicherheitskreisen, nach zahlreichen Fällen vermuteter russischer Sabotage sei es wahrscheinlich, dass auch hier eine Verbindung nach Russland bestehe. Der Bundesverfassungsschutz warnt bereits seit längerer Zeit vor russischen Sabotageaktionen und hat erst Ende Juli einen entsprechenden Sicherheitshinweis für Wirtschaftsunternehmen in Deutschland aktualisiert: „Es besteht eine erhöhte Gefährdung in Bezug auf Sabotageaktivitäten beziehungsweise entsprechende Vorbereitungshandlungen in Deutschland“, so der Verfassungsschutz.

Nato warnt vor russischen Sabotageaktionen

Die Nato hatte vor einigen Wochen eine eindringliche Warnung vor Sabotageangriffen Russlands veröffentlicht und auf entgleiste Güterzüge, Brandanschläge, Flugbehinderungen und Cyberattacken in Europa verwiesen. „Das sind keine Einzelfälle, wir beobachten ein Muster: Das Ergebnis einer verstärkten Aktivität des russischen Geheimdienstes im gesamten Bündnis“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Es gebe eine „Feindseligkeitskampagne“ Russlands gegen Nato-Staaten mit „Sabotage, Gewalttaten, Cyberangriffen und Desinformation“. Die Nato-Staaten haben ihre Schutzmaßnahmen hochgefahren, europäische Geheimdienste rechnen aber mit einer weiteren Zunahme der Angriffe – auch als Reaktion auf die Erlaubnis für die Ukraine, mit westlichen Waffen Ziele in Russland anzugreifen.

Auch mit Verteidigungsfragen befasste EU-Beamte befürchten, dass es noch mehr solcher hybriden Aktionen geben könnte auf kritische Infrastruktur wie Pipelines, Kraftwerke oder Militärstützpunkte. EU und Nato diskutieren deshalb, härter gegen mutmaßliche russische Geheimagenten vorzugehen. Dazu könnte für Inhaber russischer Diplomatenpässe die Reisefreiheit innerhalb der EU beschränkt werden.

In Polen wird russische Sabotage hinter einem Brandanschlag auf ein Einkaufszentrum in Warschau vermutet. In Deutschland hatten zuletzt Hinweise ausländischer Geheimdienste auf eine mögliche russische Drohnen-Attacke auf den Nato-Luftwaffenstützpunkt Geilenkirchen in Nordrhein-Westfalen Alarm ausgelöst, dort war die Sicherheitsstufe danach vorübergehend angehoben worden. Auch an zwei Bundeswehrstandorten gab es Alarm wegen befürchteter Sabotage an der Trinkwasserversorgung. Über Kasernen der Bundeswehr wurden im vergangenen Jahr mehr als 400 Mal Drohnen gesichtet. Vor kurzem soll zudem ein großer Industriepark in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) Ziel mutmaßlich russischer Ausspähversuche geworden sein, die Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelt. 

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