Köln/Berlin. Zwei Truppenstandorte in Nordrhein-Westfalen dürfen zeitweise nicht mehr betreten werden. Hintergrund ist ein gefährlicher Verdacht.
Mit Sabotageakten und Angriffen auf kritische Infrastruktur rechnen die deutschen Sicherheitsbehörden schon seit längerer Zeit. Nun ist möglicherweise die Bundeswehr in den Fokus geraten. Am Mittwoch kam es zu zwei Vorfällen in Nordrhein-Westfalen. Die Bundeswehrkaserne in Köln-Wahn und der Nato-Stützpunkt im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen mussten zwischenzeitlich abgeriegelt werden, wie ein Sprecher des Territorialen Führungskommandos dieser Redaktion bestätigte.
Die Umstände der möglichen Bedrohungen blieben zunächst vage. Die Bundeswehrkaserne in Köln-Wahn wurde am Mittwochmorgen wegen des Verdachts auf Sabotage gegen die Truppe abgesperrt. Ursache war nach Angaben von Oberstleutnant Ulrich Fonrobert, Sprecher des Landeskommandos NRW der Bundeswehr, ein Vorfall aus der Nacht.
Abnormale Wasserwerte und ein Loch im Zaun
Es wurden demnach unnormale Wasserwerte gemessen und ein Loch im Zaun der Kaserne in der Nähe des Wasserwerks der Liegenschaft entdeckt. Daraufhin habe es die Befürchtung gegeben, dass das Wasser der Kaserne kontaminiert sein könnte. Die Untersuchungen des Wassers dauerten demnach am Mittwochnachmittag an. Berichte über eine Festnahme konnte Fonrobert nicht bestätigen. Eine Sprecherin der Kölner Polizei sagte dieser Redaktion, dass auf dem Kasernengelände nach Angaben der Bundeswehr zudem eine unbefugte Person gesichtet worden sei. Ermittelt werde zunächst wegen Hausfriedensbruch.
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Einem „Spiegel“-Bericht zufolge wurden Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Kräfte in internen Mitteilungen dringlich dazu aufgerufen worden sein, keinesfalls Trinkwasser zu entnehmen. Soldaten durften das Gelände zwischenzeitlich nicht betreten. Berichte über Erkrankte auf dem Gelände konnte Fonrobert nicht bestätigen. Demnach hatte es am Vorabend eine Person mit einer Magen-Darm-Erkrankung gegeben, die aber zeitlich nicht mit dem Vorfall in der Nacht im Zusammenhang stehen könne.
Trinkwasser für Soldaten vorerst aus Kanistern
In einer Erklärung des Territorialen Führungskommandos zu dem Vorfall in Köln-Wahn hieß es: „Bundeswehrangehörigen, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem Vorfall zu Schaden gekommen sind, wünschen wir schnelle und vollständige Genesung.“ Wegen der laufenden Ermittlungen könnten keine weiteren Angaben gemacht werden.
Die Schließung der Kaserne wurde am Mittag wieder aufgehoben und der Dienstbetrieb wieder aufgenommen. „Die Trinkwasserversorgung wird bis zum Vorliegen der Untersuchungsergebnisse durch Kanister sichergestellt“, erklärte das Territoriale Führungskommando.
Vorfall auch an einem Nato-Stützpunkt?
Die Bundeswehrkaserne in Köln-Wahn beherbergt mehrere Kommandobehörden sowie militärische und zivile Dienststellen der Bundeswehr. Da die Kaserne direkt an den Flughafen Köln angrenzt, hat hier auch die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung ihren Sitz. Insgesamt sind an dem Standort 4300 Soldaten und 1200 Zivilangestellte beschäftigt.
Auf dem Nato-Stützpunkt in Geilenkirchen soll der Hintergrund ebenfalls ein möglicher Sabotageakt gewesen sein. Nach Angaben der Nato versuchte ein Mann am Dienstagabend vergeblich, auf das Gelände vorzudringen. Er habe aber am Betreten gehindert werden können. Der Stützpunkt sei daraufhin routinehalber untersucht worden, aus Sicherheitsgründen wurde demnach auch dort das Trinkwasser überprüft. Hinweise auf Probleme mit der Wasserqualität in Geilenkirchen ergaben sich nach Nato-Angaben nicht.
„Wir nehmen die Vorfälle sehr ernst“, heißt es aus der Truppe
„Wir nehmen die Vorfälle sehr ernst“, sagte ein Sprecher des Territorialen Führungskommandos dieser Redaktion. „Die unklare Faktenlage zum Standort Köln-Wahn wird gerade aufgeklärt“, sagte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber (FDP) dieser Redaktion. Der Ausschuss werde dann darüber unterrichtet.
Oberstleutnant Ulrich Fonrobert erklärte, die Lage habe die Spitze des Landeskommandos am Morgen „überrascht“. Zur allgemeinen Bedrohungslage sagte Fonrobert dieser Redaktion: „Das in Köln ist das erste Mal, dass etwas in dieser Art und Weise passiert. Uns ist aktuell nicht bekannt, dass wir im Fokus von möglichen Terroraktionen stehen. Dass wir aber grundsätzlich vermutlich im Fokus stehen könnten, ist denkbar.“
Sabotage durch Russland befürchtet
Seit Russlands Überfall auf die Ukraine befürchten deutsche Sicherheitsbehörden zunehmend Spionage und Sabotageakte durch russische Vertreter auch in Deutschland. Dass dabei auch die Bundeswehr im Fokus steht, zeigt unter anderem ein Vorfall aus dem März dieses Jahres.
Damals tauchte ein 38 Minuten langer Mitschnitt aus einer Videokonferenz der Bundeswehr im russischen Staatsfernsehen auf, in dem mehrere hochrangige Offiziere über die Möglichkeit von Taurus-Lieferungen an die Ukraine berieten. Einer der Beteiligten hatte sich damals nach Angaben des Verteidigungsministeriums über das Wlan-Netz eines Hotels in das Gespräch eingewählt. So soll es Hackern möglich gewesen sein, das Gespräch abzuhören und mitzuschneiden. Der Vorfall war für die Bundeswehr nicht nur peinlich, er brachte auch die Bundesregierung öffentlich in Bedrängnis.
Deutsch-Russen sollen militärische Ziele ausspioniert haben
Gut eineinhalb Monate später wurde der nächste Fall öffentlich, bei dem es um mutmaßliche Aktivitäten von russischen Diensten in Deutschland geht. Im April wurden in Bayern zwei Männer wegen des Verdachts auf Spionage festgenommen. Den beiden deutsch-russischen Staatsbürger wird vorgeworfen, für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Sie sollen nach Ansicht des Generalbundesanwalts militärische Ziele in Deutschland ausspioniert und Sabotage-Akte geplant haben. Ausgekundschaftet wurde demnach unter anderem der US-Stützpunkt Grafenwöhr in Bayern. Ziel der Aktionen war es nach Ansicht der Behörde, „die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren“.
Das abgehörte Gespräch und die Festnahmen aus dem Frühjahr fügen sich in ein Bild erhöhter Bedrohung durch russische Geheimdienste, das die Sicherheitsbehörden seit einiger Zeit zeichnen. Ob auch die aktuellen Ereignisse in den Kasernen zu diesem Bild gehören, ist noch offen.