Berlin. Der Ampel-Koalition geht die Puste aus, die Gemeinsamkeiten sind ausgeschöpft. Das Bündnis sollte dem Land noch einen Dienst erweisen.

Ist in diesen Tagen von der Ampel-Koalition die Rede, wird immer wieder der Vergleich zu einer Ehe gezogen. Anfangs fanden sich die Partner aufregend und interessant, es blühten Euphorie und die Zuversicht, gemeinsam viel erreichen zu können. Inzwischen herrscht in der Beziehung das Misstrauen und die Beteiligten sind genervt voneinander, die Gemeinsamkeiten ausgeschöpft. All das ist so offenkundig, dass sich niemand mehr bemüht, die Entfremdung zu verbergen.

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Von Jörg Quoos, Theresa Martus, Florian Görres und Jan Dörner

Olaf Scholz nennt das Regieren „mühselig“, was für seine Verhältnisse eine nahezu drastische Aussage ist. Mit Blick auf das Bündnis spricht der Kanzler zudem von einem „Schlachtfeld“, auf dem der ständige Pulverdampf das Regierungshandeln verdecke. Grünen-Chef Omid Nouripour sieht in der Ampel nur noch eine „Übergangskoalition“. Und FDP-Justizminister Marco Buschmann mahnt die Partner: „Wir sind keine Selbsthilfegruppe, sondern eine Bundesregierung.“

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Bundesregierung: SPD, FDP und Grüne haben keine Gemeinsamkeiten mehr

In der Politik ist es noch nie besonders zimperlich zugegangen. In Zeiten vielfacher Krisen, die in immer kürzeren Abständen auf uns hineinbrechen – und auf die unsere Gesellschaft immer gereizter reagiert – ist dies nicht anders. Insofern sollte nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden, das in der Koalition übereinander gesprochen wird. Der ruppige Umgangston ist inzwischen aber der Ausdruck eines viel schwerwiegenderen Problems.

SPD, FDP und Grüne haben die Grenzen des gemeinsam Machbaren erreicht. Das quälende Verfahren zur Aufstellung des Haushalts hat dies schonungslos offengelegt. Auch in den Nachverhandlungen ist es Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner nicht gelungen, die Milliardenlücke im Etat zu schließen. Sie konnten sich nicht auf Lösungen verständigen, die sie politisch und rechtlich gemeinsam vertreten können.

Umfrage: Mehrheit mit Scholz und Ampel unzufrieden

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    Jan Dörner ist Chefreporter Politik in der FUNKE Zentralredaktion.
    Jan Dörner ist Chefreporter Politik in der FUNKE Zentralredaktion. © Reto Klar | Reto Klar

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